Politiker zugehört: Bürger veranstalten Bürgerbeteiligung

Am letzten Wochenende gab es die letzten Proben – am kommenden Samstag gibt es die Premiere: „Bürgerbeteiligung – ein Lustspiel“ heißt die 70minütige Schauspiel-Show, in der 20 Laiendarsteller zwischen 7 und 70 ein lustvolles Spiel um Beteiligung und Bequemlichkeit, Macht und Ohnmacht, Eigeninteressen und Volkes Wille aufführen. Passend dort, wo Politik gemacht wird: im Sitzungssaal des Kreistages in Konstanz

Die beiden Konstanzer Theatermacherinnen Heinke Hartmann und Hilde Schneider (s.Foto) haben sechs Monate lang mit 20 Bürgerinnen und Bürgern von 7 bis 70 Jahren einen ganz persönlichen Blick auf den Kern unserer Demokratie geworfen und diese Schauspiel-Show entworfen: Kurze Sketche jeweils, in denen die Darsteller – Junge wie Alte, Frauen wie Männer, Deutsche wie Migranten, Menschen mit wie ohne Behinderung, „Un-Beteiligte“ ebenso wie bürgerschaftlich Engagierte, vornehmlich Konstanzer Bürgerinnen und Bürger – über Lust und Frust am bürgerschaftlichen Engagement referieren und räsionieren.

Entstanden ist die Idee im Stuttgarter Staatsministerium, Initiatorin ist die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler. Sie möchte im Rahmen des 60-jährigen Landesjubiläums eine Bühne für kreative Bürgerbeteiligung schaffen. Sieger der landesweiten Ausschreibung wurde die rührige Jung-Agentur „Die Regionauten“ von Harald Kühl und Felix Pfäfflin in Konstanz, die ihrerseits Hilde Schneider und Heinke Hartmann mit der Realisierung beauftragte.

Heinke Hartmann ist diplomierte Kulturpädagogin und Schauspielerin. 20 Jahre lang war sie als Schauspielerin beim Freien-, Stadt- und Staatstheater, bei Film und Fernsehen tätig. Seit 2004 konzipiert und inszeniert sie eigene Projekte und Seminare. Markenzeichen ihrer Arbeit sind Langzeitprojekte, bei denen sie mit einem Ensemble von Laien und Profis gesellschaftlich relevante Themen spielerisch erforscht und als selbst entwickeltes Theaterstück auf die Bühne bringt. Themen waren bisher:

• Kinderlosigkeit: mit Müttern und Frauen ohne Kindern
• die unterschiedliche Wahrnehmung der Welt mit Blinden und Sehenden
• „Warum eigentlich Sex“ mit einem generationsübergreifenden Ensemble von Männern und Frauen
• „Die schöne Zeit geht wieder heim“ von Menschen mit und ohne Demenz.

Sie lebt in Konstanz; weitere Informationen auf www.hei-art.de

Hilde Schneider studierte Literaturwissenschaften an der Uni Konstanz. Sie war Mitbegründerin einer kooperativen Sprachschule und dort verantwortlich für die Organisation von Veranstaltungsreihen zu fremden Ländern und Kulturen. Seit 1989 ist sie freischaffend als Autorin und Regisseurin tätig:

• langjährige Zusammenarbeit mit dem Kabarettisten Georg Schramm, Entwicklung mehrerer Programme (Schlachtenbummler 1994, Störtebeker 1999, Mephistos Faust 2001) und Drehbücher zu der satirischen Fernsehserie „Hühnerfieber“ (SFB, 1991/92)
• Regie von Soloprogrammen namhafter Kabarettisten wie Rolf Miller (Der Spaß ist voll, 1997), Uli Masuth (Ein Mann packt ein, 2009) oder den Schweizer Newcomern Thomas Götz (Ohne Halt bis Bern, 2010) und Michael Elsener (copy&paste, 2009)
• Theaterregisseurin an Stadttheatern (MainFranken Theater Würzburg, Stadttheater Fürth)

Hilde Schneider hat ihren Lebensmittelpunkt in Konstanz. Sie ist Mitbegründerin und Mitglied der Neuwerk eG und hatte dort von 2004 bis 2012 die ehrenamtliche Funktion der Aufsichtsratsvorsitzenden inne.

Jenseits von runden Tischen und Planungswerkstätten soll mit dieser Show die Neugier an Bürger- Beteiligung geweckt werden. Dazu Heinke Hartmann: „Das Besondere an unserem Projekt: Wir haben das Stück mit den Darstellern entwickelt, sie haben ihren persönlichen Blick auf Bürgerbeteiligung mitgebracht, ihre Skepsis, ihre Lust und Unlust, ihre Erfahrungen und Enttäuschungen“. Und Hilde Schneider: „Bei Bürgerbeteiligung geht es zwar selten um Leben und Tod wie sonst im Theater, aber immer um starke Interessen – vom Volksentscheid zur Landesgründung vor 60 Jahren bis hin zu Stuttgart 21. In Beteiligung steckt so viel tragikomisches Potenzial: Leidenschaft, Engagement, Hoffnung auf Veränderung – und natürlich die Gefahr des Scheiterns. Das ist perfekter Theaterstoff.“

Der von den beiden Theatermacherinnen geschriebene Text ist entstanden in Diskussionen mit den Laiendarstellern, die ihre eigenen Erfahrungen einbringen, aber auch nach Recherchen bei unzähligen Initiativen – beim BUND und bei „Wohnen im Alter“, bei der Caritas und bei Behinderten-Verbänden. „Und das alles bringen wir mit einfachsten Mitteln auf die Bühne“.

Heinke Hartmann:Wir sind da ein bisschen wie Trüffelschweine. Wir folgen unserer Nase und buddeln nach theatralischen Trüffeln. Eine Aufgabe an die Mitspieler war, einen ‚politischen Haushaltsgegenstand‘ mitzubringen: Der eine spürt am Benzinkanister die Steuerpolitik, die andere trägt mit der Billig-Jeans ihr schlechtes Gewissen herum“. Und die Mitspieler sollten Gedichte, Texte und Lieder mit Beteiligungsbezügen sammeln: So wurde „Die Gedanken sind frei“ zur tragenden Melodie des Stücks.

Es erwartet die Zuschauer ein abwechslungsreiches Theater-Show-Spiel mit schnellen Szenenfolgen, schrillen Figuren, unerwarteten Wendungen, filmischen und musikalischen Elementen. Und die Absicht? Hilde Schneider formuliert das so: „Wenn der Beteiligungsfunke von unseren Schauspielern aufs Publikum überspringt und sich die Zuschauer nicht belehrt, sondern unterhalten fühlen. Und wenn vielleicht die eine oder der andere Lust bekommt, ihre eigenen Belange wieder ernster zu nehmen – ohne sich dabei selber zu ernst zu nehmen“.

Hinzuzufügen wäre noch: Wenn der eine oder andere Freizeit- oder Berufpolitiker, der so gerne von Bürgerbeteiligung schwätzt, sich das auch ansehen würde und dabei womöglich unerwartete Einblicke zu dem bekäme, was Bürger umtreibt, was Bürger zur Beteiligung und manchmal zur Verzweiflung treibt.

Autor: hpk

Die Premiere ist am Samstag, den 27. Oktober 2012, um 20 Uhr, im Landratsamt Konstanz, Benediktinerplatz 1. Weitere Aufführungen finden am 28. Oktober sowie am 3., 7., 9. und 10. November statt. Tickets gibt es unter www.theaterkonstanz.de. Zusätzliche Aufführungen sind in Herrenberg und Stuttgart geplant.