Politische Bildung unter dem Hohentwiel

Singen ist für vieles bekannt. Berühmt ist die Festungsruine Hohentwiel, die die größte ihrer Art deutschlandweit ist oder die Maggi-Fabrik. Politische Bildungsangebote oder Räumlichkeiten, um einen politischen Austausch zu ermöglichen, sind hier eher rar gesät. Dieses Vakuum will seit dem 30. Mai 2020 die Bildungsbude füllen.

Auf diesen Tag fällt die Gründung des Vereins, der es sich zur Aufgabe macht, von einem linken Selbstverständnis aus politische Bildung anzubieten. „Das, was die klassische Schulbildung nicht packt“, wie es Diana Alt, eines von vier Vorstandsmitgliedern, im Gespräch formulierte. Neben Vorträgen sind auch Workshops geplant, die sich mit historischen Themen, aber auch aktuellen Notwendigkeiten oder der Antidiskriminierungsarbeit beschäftigen.

Organisatorisch ist die Bildungsbude einem basisdemokratischen Verständnis verpflichtet. Hierarchische Strukturen werden abgelehnt, Entscheidungen stets mit sogenannten aktiven Mitgliedern getroffen. Aktive Mitglieder der Bildungsbude sind Menschen, die sich als Fördermitglied gelistet haben und dadurch die Möglichkeit erhalten, im Verein mitzuwirken. Dass es offene Strukturen gibt ist den Gründer*innen sehr wichtig.

Dabei ist allen Menschen die Mitgliedschaft offen, die ein „positives Menschenbild“ haben und sich zur Gewaltfreiheit bekennen. Dadurch seien Menschen mit einer rechten Gesinnung ausgeschlossen, betonte Manuel Ossner, ebenfalls im Vorstand der Bildungsbude, im Gespräch.

Unterstützt wird der Verein auch von der städtischen „Singener Kriminalprävention“ (SKP) und „Demokratie leben!“, einem Programm des Bundes, das auch in Baden-Württemberg ein sogenanntes „Landes-Demokratiezentrum“ hat. Themen für einen Vortrag oder einen Workshop werden mit dem Zentrum immer abgesprochen, um so auch eine Finanzierung zu sichern. Bisher habe es nie Probleme gegeben, so Diana Alt.

Auf lokaler Ebene gibt es weitere Kooperationen, die jedoch nicht fix sind, sondern jeweils individuell und teilweise themenbezogen vereinbart werden. Bisher gab es Kooperationen mit der VVN-BdA Konstanz, der Teestube Singen, der Initiative Stolpersteine und der Buchhandlung „Lesefutter“ in Singen. Letztere stellt bei den Veranstaltungen themenbezogene Bücher zur Verfügung, die durchaus auch regelmäßig gekauft werden.

Auf die Frage, ob es Probleme mit dem Land gab in Bezug auf die Kooperation mit der VVN-BdA, verneinten die Vorstandsmitglieder. Die antifaschistische Organisation ist lediglich in Bayern als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ im Verfassungsschutzbericht gelistet. Eine Entscheidung, die Alt überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Neben den Veranstaltungen ruft die Bildungsbude regelmäßg zu politischen Kundgebungen oder Kundgebungen auf, etwa für die Black Lives Matter Bewegung oder für Geflüchtete aus Moria. Das politische Selbstverständnis des Vereins schlägt sich auch in den Themen der Veranstaltungen nieder. Ob es um Antisemitismus im Hip-Hop, der misogynen Lebensschutzbewegung oder am 15. Oktober um Frauen als Täterinnen im Nationalsozialismus geht – die Bildungsarbeit versucht ein Bewusstsein zu schaffen, sich verschiedener Unterdrückungsformen klar zu werden, und will dazu anregen, für ein positives Menschenbild Stellung zu beziehen.

Wenn sich noch mehr Menschen als Fördermitglied eintragen und es die Räumlichkeiten in der Stadt zulassen, will die Bildungsbude zusätzlich zum Veranstaltungsangebot auch einen offenen Raum schaffen. Neben einem Infoladen sollen, nach Abwägung der Kapazitäten, auch Lesekreise angeboten werden und ein offenes, ungezwungenes Treffen bei einem „Heiß- oder Kaltgetränk“, wie Alt es so schön formulierte.

Neben der Bildungsarbeit sind auch praktische Hilfsmaßnahmen geplant. Obdachlosen Menschen soll die Möglichkeit gegeben werden, Zugang zu einer Dusche und zu Essen zu erhalten. Doch, und das ist Alt und Ossner wichtig, muss die Stadt Singen letztlich etwas an den ungerechten Verhältnissen ändern. Ehrenamtlich tätige Vereine, wie es die Bildungsbude ist, können nicht die Sorgepflicht der Gemeinden und Städte übernehmen.

Alles in allem sind sie sehr zufrieden, wie sich die Bildungsbude in den letzten Monate entwickelte. Die Resonanz war durchweg positiv, sowohl von den Vortragenden als auch den BesucherInnen. Dass sie mit der Bildungsbude etwas faktisch Neues geschaffen haben in Singen, wird ihnen allmählich bewusst. Der Name ist jedenfalls bereits über Singen hinaus bekannt und vielen Leuten ein Begriff. Neben junge Menschen werden auch ältere angesprochen, so waren beim Vortrag zur „Sexzwangsarbeit im KZ“ mehrheitlich ältere TeilnehmerInnen zugegen.

Dass sich solch ein Verein in Singen am Hohentwiel gründete, der sich neben der politischen Bildung auch die Schaffung von linkem Raum auf die Fahne schreibt, ist angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks mehr als unterstützenswert. Die Möglichkeit, sich daran zu beteiligen, steht hierbei jedem offen. Besonders wichtig ist der Bildungsbude dabei, dass die Vorträge für alle zugänglich sind, also nichts kosten dürfen. Auch das ist im linken Selbstverständnis impliziert.

E. Nowak