„Querdenken“ ante portas: Das Demo-Wochenende im Überblick
(red) Das verspricht kein Wochenausklang wie jeder andere zu werden in Konstanz. Insgesamt 29 politische Versammlungen sind laut Ordnungsbehörde für den 3. und 4. Oktober im Stadtgebiet angemeldet. Auslöser der Demo-Inflation ist der seit Anfang September bundesweit beworbene Aufmarsch von „Querdenken“-Gruppen. Die von von Corona-Leugnern und Verschwörungsideologen dominierten Zusammenschlüsse bieten regelmäßig Reichsbürgern, Rassisten und Rechtsradikalen eine Plattform, wie zuletzt in Berlin. Gegen den rechtsoffenen Aufzug hat sich in der Stadt breiter Widerstand formiert. Gleich zwei Bündnisse, die ein breites demokratisches bis linkes Spektrum vereinen, rufen am Samstag und Sonntag zu Kundgebungen, Versammlungen und Demonstrationen gegen die „Querdenker“ auf. Wir bringen Sie auf den Stand der Dinge.
Im Folgenden die Pressemitteilungen und Aufrufe der beiden Bündnisse zu den von ihnen geplanten Aktionen sowie eine Pressemitteilung der Stadt und des Polizeipräsidiums Konstanz zum Thema.
Bündnis „Spread Love Not Corona – Solidarisch durch die Krise“
In den vergangenen Wochen hat sich in Konstanz ein breites Bündnis formiert, das sich gemeinsam für Demokratie und Vernunft und gegen Diskriminierung und Verschwörungsmythen positioniert.
Am 03. und 04. Oktober mobilisieren die sogenannten „Querdenker“, eine Gruppe von Coronaleugner*innen, die bereits durch Zusammenarbeit mit Rassist*innen und Antisemit*innen in Erscheinung getreten sind, nach Konstanz. Unter dem Motto „Spread Love, not Corona – Solidarisch durch die Krise“ stellt sich ein breites regionales Bündnis den „Querdenkern“ entgegen. Um der schweigenden Mehrheit eine Stimme zu geben und auch ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und antisemitische Verschwörungsideologien zu setzen, laden wir herzlich ein, bei unseren Demonstrationen und Kundgebungen teilzunehmen. Wir achten auf ausreichend Sicherheitsabstand und demonstrieren mit Maske.
Im Folgenden findet sich eine Übersicht über die geplanten Veranstaltungen, zu denen auch prominente externe Redner*innen erwartet werden, so der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung Dr. Michael Blume und der Landesbischof der evangelischen Landeskirche Prof. Jochen Cornelius-Bundschuh. Da sich einzelne Details oder Zeiten kurzfristig ändern könnten, empfehlen wir, die Termine auf unserer Website slnc-konstanz.de zu überprüfen.
Samstag, 03.10.2020
10:30 – 14:00 Uhr: „Freiheit und Verantwortung. Konstanzer Bündnis gegen „Querdenker“ und Rechtsextremist*innen“, Kundgebung im Stadtgarten, ab 12:30 Uhr Fahrrad-Demonstration Richtung Hörnle und zurück zur Seestraße
12:00 – 16:00 Uhr: Kundgebung und Demonstration von Klein-Venedig bis zum Stadtgarten und zurück mit abschließender Kundgebung
ab 13:30 Uhr: „Linke für Völkerfreundschaft – Antisemitismus die Stirn bieten“ Kundgebung auf der Marktstätte
14:00 – 18:00 Uhr: „Konstanz solidarisch in der Coronakrise“, Demonstration von der Seestraße (Rheinbrücke) bis zum Klinikpark
14:00– 16:30 Uhr: „Freiheit und Verantwortung“, Demonstration vom Stadtgarten durch die Altstadt mit Kundgebung am Münsterplatz ab 15:30
16:00 – 20:00 Uhr: „Demonstrieren mit Verstand und Maske“, Kundgebung und ab 17:00 Uhr Demonstration von Klein-Venedig bis zum Stadtgarten und zurück
Sonntag, 04.10.2020
10:00 – 18:00 Uhr: „Querdenken? Nein Danke!“, Kundgebung in Klein-Venedig
13:30 Uhr: „Linke für Völkerverständigung“, Kundgebung auf der Marktstätte
15:00 – 18:00 Uhr: „Konstanz solidarisch in der Corona-Krise“, Demonstration vom Herosé-Park zum Stadtgarten
Bündnis „Welcome to Paradise – Aktionstage gegen Corona-Schwurbler*innen“
Als am 29.08.2020 Verschwörungsideolog*innen, Esoteriker*innen und Coronaleugner*innen von “Querdenken” in Berlin offen mit Rechtsradikalen, Rassist*innen und Antisemit*innen aufmarschierten, und dabei versuchten, den Reichtstag zu stürmen, zeigte sich das reaktionäre Potential dieser Bewegung. Auch für die Konstanzer “Querdenken”-Bewegung hat der Schulterschluss mit Rechts bereits stattgefunden, was sich nicht nur an der Teilnahme der Demo in Berlin festmachen lässt, sondern auch auf den geteilten Inhalten ihrer Seiten, welche unter anderem Artikel des rechtsradikalen Magazins COMPACT umfassen.
Nun mobilisiert “Querdenken” mit einer sog. “Menschenkette für den Frieden” und einer angemeldeten Großdemonstration mit 4500 Teilnehmer*innen nach Konstanz. Sie erhoffen sich dadurch weitere Aufmerksamkeit um mehr politische Relevanz zu erhaschen. In Anbetracht dessen, welche schwer reaktionären politischen Gruppen und offen Rechtsradikale auf diesen Veranstaltungen ungestört teilnehmen können, muss es auch in der Provinzstadt klare antifaschistische Intervention geben.
Stellen wir uns ihnen in den Weg und zeigen ihnen, dass “Querdenken” und ihre Anhängsel weder in Konstanz noch sonst wo erwünscht sind: Machen wir ihren Besuch zum Desaster!
Samstag, 03.10.2020
16:00 Uhr Auftakt-Kundgebung Bahnhofplatz
20:00 Uhr Küfa Chérisystraße, danach Infoabend im Contrast
Sonntag, 04.10.2020
09:00 Uhr Kundgebung Bahnhofplatz
12:00 Uhr Demonstration Bahnhofsplatz
Beachtet aktuelle Infos unter welcometoparadise.noblogs.org
Für Schlafplätze und Infos anfragen unter: WelcomeToParadise@riseup.net (auch verschlüsselt möglich)
Gemeinsame Pressemitteilung der Stadt Konstanz und des Polizeipräsidiums Konstanz
Demonstrations-Wochenende mit vielen Beteiligten
Auflagen der Stadt für den Gesundheitsschutz und gegen rechtsradikale Strömungen
Das Wochenende vom 3. und 4. Oktober 2020 steht in Konstanz ganz im Zeichen verschiedener politischer Kundgebungen. Insgesamt sind für das Wochenende 29 Versammlungen und Demonstrationen angemeldet, davon 17 für Samstag und 12 für Sonntag. Insgesamt werden mehrere Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. Die Polizei ist im Einsatz, um sowohl den ungestörten Ablauf dieser Versammlungen als auch die Einhaltung der Corona-Verordnung zu gewährleisten. Die Stadt Konstanz und die Polizei appellieren an die Teilnehmer der Veranstaltung, sich an die Hygienevorschrift der Corona-Verordnung zu halten.
Ausgangspunkt der Demonstrationen und Versammlungen bildete Anfang September die Ankündigung von Seiten der sogenannten „Querdenker“, ihre zentrale Demonstration für den 3. Oktober von Berlin an den Bodensee zu verlagern. Ein Teil der Kundgebungen für das Wochenende wurde von Initiativen angemeldet, die die aktuelle Politik zur Corona-Prävention und damit einhergehende Einschränkungen kritisieren. Der größte Teil der Initiativen tritt für Themen wie Solidarität, Verantwortung in Zeiten der Corona-Krise und den Kampf gegen Antisemitismus ein. Die Kundgebungen finden sowohl rechtsrheinisch als auch linksrheinisch statt. Schwerpunkte bilden das Gebiet Klein Venedig, der Stadtgarten, die Marktstätte, der Münsterplatz und Straßen im Altstadtbereich. Weiterhin ist die Bildung einer Menschenkette angekündigt, die von der Schweizer Grenze über Bodman-Ludwigshafen bis nach Bayern und zur Grenze nach Österreich führen soll.
Versammlungsfreiheit und Gesundheitsschutz
Das Bürgeramt hat in den zurückliegenden Tagen die zahlreichen Anmeldungen koordiniert, um es jeder Initiative zu ermöglichen, ihre Demonstration bzw. Versammlung durchzuführen. Der springende Punkt dabei bildet das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, das als hohes Gut zu schützen ist. Für Oberbürgermeister Uli Burchardt ist aber auch das Thema Gesundheit ganz zentral: „Das Wichtigste ist der Schutz der Konstanzer Bürgerinnen und Bürger. Deshalb ist klar: wir verlangen die strikte Einhaltung unserer Auflagen. Wir sind dabei auch in engen Gesprächen mit der Polizei. Diese hat uns zugesichert, auf die Einhaltung unserer Auflagen streng zu achten und diese auch durchzusetzen. Das wird den Organisatoren der Versammlungen auch entsprechend mitgeteilt. Für uns wird es in dieser Beziehung keine Spielräume geben.“
Die Auflagen
In seinen Auflagen für die Kundgebungen fordert das Bürgeramt der Stadt unter anderem die Einhaltung des Mindestabstands und die Maskenpflicht bei sich bewegenden Demonstrationen und für Ordner. Bei ruhenden Demonstrationen gilt die Maskenpflicht, wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann. Weiterhin verbietet die Stadt Reichskriegsflaggen, Kaiserreichsflaggen und Zeichen, die einen deutlichen Bezug zur Zeit oder zu den Verbrechen des Nationalsozialismus herstellen und eine Verbindung zu der aktuellen Corona-Pandemie herstellen. Um die Sicherheit zu gewährleisten, müssen die Initiativen vier Ordner je 50 Teilnehmer stellen. Dem Schutz der BürgerInnen und Teilnehmerinnen dienen weiterhin folgende Maßnahmen: Die Teilnahme von Personen aus einem vom Robert-Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebiet ist ausdrücklich untersagt. Es gilt ein Teilnahmeverbot für Personen, die in Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person stehen oder standen, wenn seit dem letzten Kontakt noch nicht 14 Tage vergangen sind. Dies gilt ebenso für Personen, die typische Symptome einer Infektion mit dem Coronavirus, namentlich Geruchs- und Geschmacksstörungen, Fieber, Husten sowie Halsschmerzen, aufweisen. Der Stadt ist zudem ein Hygienekonzept vorzulegen, in dem insbesondere die Umsetzung der Abstandsvorschriften und der sonstigen Infektionsschutzmaßnahmen dargelegt werden. Das Bürgeramt hat die Bestätigungen für die verschiedenen Initiativen bis Donnerstagmorgen versandt. Die Veranstalter wurden im Rahmen von Kooperationsgesprächen schon im Vorfeld über die maßgeblichen Auflagen informiert.
Regelung des Verkehrs
Am Wochenende ist aufgrund der zahlreichen Kundgebungen mit erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen. Betroffen sein werden sowohl die Innenstadt als auch zeitweise Petershausen. Sowohl am Samstag als auch am Sonntag sind tagsüber die Konzilstraße und die Straße „Bahnhofplatz“ für den Individualverkehr gesperrt. Die Einfahrt zum Fischmarkt in das dortige Parkhaus ist teilweise freigegeben. Die Taxistände werden zum Fischmarkt verlegt, eine Einfahrt über die Konzilstraße hierfür wird ewährleistet. Eine Durchfahrt des ÖPNV bleibt dagegen vollständig bestehen, soweit der Betrieb nicht durch Aufzüge und Demos eingeschränkt wird. Die Einfahrt in die Dammgasse (Parkhaus Marktstätte) ist nicht möglich. Die Bodanstraße wird ab der Kreuzung „Obere Laube“ nur für Anwohner und zur Einfahrt Parkhaus „Lago“ bzw. Augustinergarage freigegeben. Eine Anfahrt des Bahnhofes ist nicht möglich.
An beiden Tagen kann es zeitweise zu Sperrungen des gesamten Innenstadtringes, der Reichenaustraße zwischen dem Kreisverkehr Klingenbergstraße / Reichenaustraße einschließlich der „Alten Rheinbrücke“ und Mainaustraße zwischen „Alter Rheinbrücke“ und Eichhornstraße kommen.
Den Rechten, Narzissten, Populisten Stirn bieten. Die „Querdenker“ wollen keinen Frieden sondern spalten. Ziel ist Aufruhr und Umsturz und nichts anderes. Der Zusammenschluss mit den Rechten/-rechtsextremen sagt alles.
Statement
zur geplanten „Friedens“-Menschenkette
Als Jemand, der mit den schlimmen Folgen des bewusst geschürten Unfriedens in Teilen der Welt und den daraus entstehenden Flüchtlingsschicksalen zu tun hat, bin ich der persönlichen Ansicht, dass das Wort ‚Frieden‘ in seiner Bedeutung zu ernsthaft und politisch zu wichtig ist, als dass man es kritiklos einem Menschenketten-Initiator überlassen sollte, der nach eigenen Worten(!) vor allem anderen den Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde für die Länge von Menschenketten anstrebt. Dieses lapidare Guiness-Spiel lässt sich ohne Zweifel für jedermann mit mancherlei Reizworten betreiben. Warum aber ausgerechnet mit dem kostbaren Wort ‚Frieden‘? Für mich als seit 40 Jahren Friedensaktiver ist das der Grund, mich von diesem persönlichen Unterfangen des Ketten-Initiators Mayr energisch zu distanzieren!
Claus Kittsteiner, Mitglied bei „Friedensregion Bodensee e.V.“
Bezug:
Menschenkette soll ins „Guinness Buch der Rekorde“
Die Initiative „Querdenken“ Konstanz plant am Tag der Deutschen Einheit neben der Kundgebung auch eine Menschenkette von Vaduz (Liechtenstein) über Bregenz (Österreich) und Kreuzlingen (Schweiz) bis Konstanz. Diese sei bereits beim „Guinness Buch der Rekorde“ angemeldet, als längste Friedensmenschenkette durch vier Länder, so Gerry Mayr von der Konstanzer „Querdenken“-Initiative. Er wünsche sich dafür rund 250.000 Teilnehmer, realistisch seien wohl eher rund 60.000 Menschen.
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/querdenken-demo-in-konstanz-angelemdet-100.html
Querdenker-Demos bieten durch ihre Reden und ihre mangelnde Abgrenzung ein willkommenes Einfallstor für Rechtsextreme in die Mitte der Gesellschaft, wie der Führer der rechten Identitären Bewegung erfreut ins Mikrofon sagte (in einer Monitorsendung vom 10.9. zur letzten Berliner Demo). Ist das der demokratischen Mitte egal?
Quelle: Monitor: https://www.youtube.com/watch?v=-xaOabnrrqc
Jede Menge Demos, Radtouren, Spaziergänge, Läufe und dazu noch vielstündige Dauerkundgebungen: Blickt da eigentlich jemand durch?