Querstellen statt Querdenken

Seit einigen Wochen gehen QuerdenkerInnen und selbsternannte FreidenkerInnen in Konstanz auf die Straße. Neben Infoständen veranstalten sie „Lichterspaziergänge“, die ein harmloses Bild vermitteln soll. Dass sie aber alles andere als harmlos sind, haben sie in den vergangenen Monaten mehrmals unter Beweis gestellt. Gegen dieses teils okkulte, teils handfeste politische und wirtschaftliche Interessen verfolgende Gebräu aus Esoterik, Spinnerei und Rechtsradikalismus regt sich jetzt Widerstand.

Zuletzt kamen in Konstanz am 3. und 4. Oktober Rechte jeglicher Couleur, EsoterikerInnen, ImpfgegnerInnen und VerschwörungsideologInnen aus ganz Deutschland zusammen, um Hand in Hand mit allen möglichen QuerdenkerInnen ihre kruden Ideologien verbreiteten.

Um ihnen die Straße nicht einfach zu überlassen, versammelten sich an diesem Montag im Stadtgarten etwa 50 politisch organisierte und Privatmenschen, um gegen die QuerdenkerInnen die Stimme zu erheben. Im Aufruf, der den Titel „Gegen Verschwörungsideologie und Kapital“ trägt, wird ihre Stoßrichtung bereits deutlich. Der Anspruch ist es, sowohl die QuerdenkerInnen als auch die Politik der Herrschenden zu kritisieren.

Schicksal normaler Menschen

Die Frage, wer die wirklich Leidtragenden der Corona-Pandemie sind, zog sich als roter Faden durch die meisten Redebeiträge – während allenthalben von der Rettung von Unternehmen und Hilfen für (sonst zum Teil bestens verdienende) Selbstständige die Rede ist, wird die schwierige Situation von KurzarbeiterInnen, Arbeitslosen, lohnabhängig Beschäftigten oder auch Wohnungslosen nur zu oft übersehen oder übergangen. Während die Linksjugend ’solid und die Marxistischen Studierenden Konstanz auf die Misere der ArbeiterInnen hinwiesen und die Folgen der Wirtschaftskrise und Coronapandemie anprangerten, entfaltete eine Rednerin von Medusa Bodensee eine feministische Perspektive, wonach besonders Frauen, wirtschaftlich wie gesellschaftlich ohnehin noch immer benachteiligt, unter der Pandemie zu leiden haben. Die Abschlussrede analysierte dann noch einmal die Ideologeme und das Wesen der QuerdenkerInnen, die – bewusst oder unbewusst – ein antisemitisches Narrativ bedienen, gegen das dringend etwas unternommen werden muss.

Her mit dem Aluhut

Die Kundgebung wurde von der Stadtverwaltung bewusst räumlich von der gleichzeitig stattfindenden Abschlussversammlung der QuerdenkerInnen an der Marktstätte getrennt. Als die Kundgebung offiziell beendet wurde, machten sich jedoch eine Spontandemonstration auf den Weg in Richtung Marktstätte. Neben antifaschistischen Parolen ertönte häufig „Ich kann nichts, ich bin nichts – gebt mir einen Aluhut“ – eine Anspielung auf VerschwörungstheoretikerInnen und anderweitig esoterisch Erleuchtete und Erwachte, von denen manche Aluhüte tragen, um sich vor schädlichen Strahlungen zu schützen.

Die spontane Demonstration verlief insgesamt friedlich. Zu einer Konfrontation mit den QuerdenkerInnen kam es nicht, da die PolizistInnen vor Ort die räumliche Distanz zwischen beiden Gruppen zu wahren wussten. Zu einer Eskalation mit den BeamtInnen kam es ebenfalls nicht. Die GegendemonstrantInnen kamen zwar nicht in Sichtweite der QuerdenkerInnen, gelangten aber doch nahe genug an sie heran, um ihnen einige Worte zuzurufen.

Dafür, dass die Kundgebung relativ spontan innerhalb weniger Tage auf die Beine gestellt worden war, war sie relativ gut besucht, weshalb die AntifaschistInnen durchaus von einem kleinen Erfolg sprechen dürfen. Wie sich ihre Aktivitäten nun weiterentwickeln, und vor allem, ob sich ein stabiles und breit aufgestelltes antifaschistisches Bündnis auch gegen diese neuesten Rechtstendenzen bilden wird, muss sich noch zeigen. Jenes Wochenende Anfang Oktober, als Rechte und Spinner Konstanz zu ihrem bundesweiten Sammelpunkt machen wollten, hier allerdings auf massenhafte Ablehnung und Gegenwehr stießen, lässt hoffen.

Elisa Nowak