Radstadt Konstanz? Anspruch und Wirklichkeit

FahrradstraßeDeutschland ist kein Fahrradland, und Konstanz nur in Teilen ein Fahrradparadies. In einer Pressemitteilung wies der ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub) jüngst auf die Versäumnisse in der Umsetzung des Nationalen Verkehrsplans hin. Bis 2030, so das ambitionierte Ziel, solle sich das Bewegen auf zwei Rädern in Stadt und Land komfortabler und sicherer gestalten als bisher. Ausgang ungewiss, auch in Konstanz.

Durch verschiedene Faktoren rückte das Rad zuletzt mehr und mehr als Alltagstransportvehikel in den Blickpunkt: In Folge der hohen Preise der Bahn und der ökologischen Bedenken in Richtung des motorisierten Individualverkehrs bedingt und durch die Corona-Pandemie weiter verstärkt, griffen die Bundesbürger:innen vermehrt auf Räder zurück, was auch an den Verkaufszahlen und den Wartezeiten bei professionellen Reparaturarbeiten deutlich wurde.

Zwei Räder, ein Problem

Diesem Zuwachs an Interesse und verkehrspolitischer Relevanz auf der einen Seite steht aber nur eine marginale Verbesserung der Radinfrastruktur auf der anderen Seite gegenüber. Das lückenlose Radverkehrsnetz, wie es der Nationale Verkehrsplan angedacht hatte, ist in weiter Ferne und wird in Anbetracht der verkehrspolitischen Schwerpunktsetzungen des bundesdeutschen Verkehrsministers Wissing auch nicht wahrscheinlicher. In den Niederlanden, so der ADFC, würden mit 25 Prozent mehr als das Doppelte an Wegen mit dem Rad zurückgelegt wie in Deutschland (11 Prozent). Gewiss liegt dies zum Teil an dem deutlichen Mangel an Bergen unseres westeuropäischen Nachbarn begründet, aber sicher nicht in Gänze.

So fordert der ADFC wenig überraschend deutlich mehr, sichere und komfortablere Radwege. Nur dann, wenn mehr Menschen neben den öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn im Alltag auch das Rad benutzen, hat das Projekt der Verkehrswende eine Chance. Aber anscheinend ist die Umsetzung von Projekten besserer Radinfrastruktur ein für Menschenhand fast unlösbares Problem. Wenn sich schon Städte wie Konstanz schwertun, wie mag es dann Städten gehen, in denen die breite Akzeptanz überwiegend fehlt?

Der Blick auf Konstanz

Bleiben wir aber bei Konstanz: Neben all dem, was schon unter anderem auf seemoz über die Mängel der Radinfrastruktur gesagt wurde, besteht ein grundsätzliches Problem in einer Leitlinie der Ausrichtung der lokalen Verkehrspolitik: Deren Idee ist es eigentlich, nicht beide Verkehrswege zu trennen, sondern zusammenzuführen, was aber leider nur selten gelingt. Ein Großteil der Radwege zur Universität beispielsweise, die sehr häufig genutzt werden, weisen einen Schutzstreifen auf und keine irgendwie geartete Barriere. Dabei vermittelt dieser Streifen Autofahrern, sie müssten nur diesen Abstand einhalten und nicht die 1,5 Meter, wodurch Radler:innen bedrängt werden. Warum die Streifen nicht die passende Breite haben, ja, dass ist eine spannende Frage…

Ein anderer Punkt ist die Planung der Straßen hin zum Hörnle: Ja, Fahrradstraßen sind grundsätzlich sinnvolle Mittel. Letztlich sollen sie ja dem Schutz auch langsamer Radelnder dienen. Gerade diesem Zweck wird der Radweg zum Hörnle nicht gerecht: Kein PKW wird trotz Verbotes hinter einem bedächtigen Radelnden hinterherfahren, wenn er nur das Jota einer Chance zum Überholen erblickt. Die Schwachen werden also nicht nur auf die Straße gezwungen – der frühere Weg ist nun Fußgängern vorbehalten –, sondern auch der Willkür der Stärkeren und Egoistischeren ausgesetzt. Natürlich könnte mensch auf die Einsicht der Autofahrenden hoffen, aber dieser Optimismus ist trügerisch. Das Problem ist die Struktur, in der nicht nur eine stresserzeugende Situation und Konfrontation von verschiedenen Verkehrsteilnehmern geschaffen wurde, sondern diese auch ungetrennt die gleichen Wege benutzen sollen. Sicher heißt nicht, auf die Vernunft des Stärkeren zu hoffen, sondern geschützte Radwege bereitzustellen.

Ausweitung der Gefahrenzone

Zu guter Letzt: Was ist eine Dooring Zone? Wenn PKWs nicht quer, sondern längs zu den Straßen parken, bezeichnet diese Zone den Bereich der aufschwingenden Türen, die Radelnde gefährden. Wem das Englische nicht liegt, dem sei Türöffnungszone an die Hand gegeben.

Eine Verkehrsplanung der 2020er Jahre könnte, nein: müsste diese Problematik beachten. Und in Konstanz? Die Wege zum Hörnle – Quer durch Längsparkplätze ersetzt – und dadurch ohne Not die Plätze so eng gefasst; dass nun entlang beider Richtungen zwei große Dooring Zonen entstanden sind. Eine Möglichkeit der Entschärfung wäre gewesen, mittels eines zweiten Streifens einen inneren Bereich zu markieren, der dann genug Abstand zur zweiten äußeren Markierung belässt, auf dass die Autotüren die Radelnden nicht mehr gefährden. Fakt ist somit, dass durch die Fahrradstraße das Radeln Richtung Hörnle nicht sicherer geworden ist, sondern leider gefährlicher.

Konstanz, in mancher Hinsicht tatsächlich ein kleine Wohlfühloase für Radelnde, ist also doch Teil des Problems: Der Ausbau der Radinfrastruktur nimmt nicht viel Rücksicht auf die Interessen der motorisierten Verkehrsteilnehmer:innen und die Radelnden selbst werden als Objekt zur Verkehrserziehung benutzt.

Text: Tobias Braun
Symbolbild: Pixabay