Rau hebt ab und Lünstroth wechselt
Jörg-Peter Rau, Südkurier-Lokalchef und Regionalleiter des Ortsblattes, hatte es die vergangenen Wochen nicht leicht. Die Auseinandersetzung um seinen langjährigen Redakteurskollegen Michael Lünstroth nagte doch sehr an Raus Selbstwertgefühl. Um den Kopf wieder frei zu bekommen, hilft oft der Blick von oben, vermutete er und begab sich in luftige Höhen. Lünstroth hingegen hat die Faxen restlos dicke, kündigte kürzlich seinen Vertrag beim Südkurier und stellt sich ab 1. Oktober in den Dienst der Eidgenossen.
„Südkurier-Lokalchef lässt sich vom Münsterturm abseilen“, teilte der Abgeseilte höchstselbst seinen LeserInnen letzte Woche mit. Jörg-Peter Rau beschrieb in einem aufrüttelnden Text, dem ein ebenso beeindruckendes Video anhing, wie er sich bei einer Übung der hiesigen Feuerwehr als Versuchskaninchen anbot und was ihm alles durch den Kopf ging, als er auf der Brüstung stand: „Für einen Moment denke ich an die Verzweiflung derer, die auch schon hier oben standen“, sinnierte er. Zweifelbehaftet durchschüttelte es ihn mehrmals: „Ich könnte jetzt noch Nein sagen“, und ein Feuerwehrmann versicherte ihm verständnisvoll, „dass ich dabei nicht das Gesicht verlieren würde“. Dann die große Erleichterung beim Herunterlassen, vorbei an den gotischen Fenstern, „Auge in Auge mit der Muttergottes“. Das hatte was. Die Belohnung für den Tollkühnen: „Ach ja, und der Sonnenuntergang über der Reichenau sieht ganz toll aus, wenn man hoch über dem Münsterplatz in der Luft hängt“.
Auge in Auge saß Rau lange Jahre seinem Redaktionskollegen Michael Lünstroth (Foto) gegenüber. Doch das Verhältnis der beiden hat nachhaltig Schaden erlitten, als Rau die Entscheidung von Chefredakteur Stefan Lutz mittrug, Lünstroth wegen seiner kritischen Berichterstattung über das Scala-Kino mit einem Schreibverbot und einer Abmahnung zu schikanieren. Seitdem ist Raus Rückhalt bei den KollegInnen im Medienhaus Südkurier bis zur Unkenntlichkeit abgeschmolzen. Lünstroth suchte in den vergangenen Wochen – wer will ihm das verdenken? – einen neuen Job. Den hat er nun. Ab dem 1. Oktober wird er für das Kulturportal www.thurgaukultur.ch arbeiten und dort Nachfolger der interimistischen Redaktionsleiterin Brigitta Hochuli. Mit Lünstroth, so eine Medienmitteilung von thurgaukultur, habe man „einen leidenschaftlichen und mutigen Journalisten mit klarer Meinung“ hinzu gewonnen. Das Portal betreibt seit rund sieben Jahren eine Veranstaltungsagenda und einen Online-Auftritt. Mit Hintergrundberichten, Rezensionen, kulturpolitischen Beiträgen, verschiedenen Serien und Socialmedia-Aktivitäten hat sich thurgaukultur.ch in den letzten Jahren zu einer wichtigen Stimme in der Kulturberichterstattung im Kanton Thurgau entwickelt. Er freue sich über seinen neuen Job, erklärte Lünstroth gegenüber seemoz.
In der Regel findet der Südkurier warme Worte, wenn verdiente MitarbeiterInnen von Bord gehen. Im Fall Lünstroth, der den Verlag bundesweit in die Negativschlagzeilten hievte und Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit aufkommen ließ, wird man wohl davon absehen. Denn bis heute hat der Südkurier mit keinem Wort darüber berichtet und gibt sich der vermutlich berechtigten Hoffnung hin, dass die Angelegenheit spätestens bis zur Sommerpause kaum mehr jemanden interessiert.
H. Reile (Foto: Michael Lünstroth, thurgaukultur.ch)
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Ich teile die Kritik von Frau H-Fischer an Holger Reiles süffisanter Beschreibung der Abseilaktion von J. P. Rau. Völlig unnötig und stillos.
Na, da hatte dieser Skandal ja letztendlich was Gutes, ich denke, in der CH bei thurgaukultur ist Herr Lünstroth gut aufgehoben. Er sollte vielleicht ab und an mal einen Leserbrief zum Konstanzer Stadtgeschehen schreiben – der dann nicht gedruckt wird, wie so viele, die im Laufe der letzten Wochen sicherlich zum Thema Pressefreiheit und Zensur etc. im SK eingegangen sind. Allerdings strotzt der Lokalteil seit Wochen vor Banalitäten, gähn, sodass sich dies leider erübrigt.
Die Frage ging an euch, was ich dazu denke, das weiß ich selber sehr genau.
Mein Langzeitgedächnis funktioniert bestens, das darf als Versprechen aufgefasst werden. Zumindest spare ich zukünftig Geld für die Zeitung, das wird zwar keinen ruinieren, aber ich habs zumindest mehr im Sack. Glaubwürdigkeit geht jedenfalls anders.
Frau H-Fischer,
Wer sich, wie Jörg-Peter Rau, derart unsolidarisch einem langjährigen Kollegen gegenüber verhält und mit dazu beiträgt, ihn zum Abschuss frei zu geben, muss sich nicht wundern, wenn ihm ein etwas schärferer Wind entgegen bläst. Ob Sie das nun witzig finden, bleibt Ihnen selbst überlassen. Ähnlich verhält es sich bei Ihrer Frage, ob man/frau jetzt wieder zur Tagesordnung übergehen könne.
Ende gut, alles gut?
Ich denke nicht.
Es mag ja sein, dass es Menschen gibt, die ihren Versuch, Herrn Rau lächerlich zu machen, witzig finden. Ich denke, man hätte es sich sparen könnte, mein Humor ist es jedenfalls nicht. Andere lächerlich zu machen, wird auch nicht helfen und wirklich schön, ist das auch nicht.
Die Frage ist, geht Konstanz damit dann wieder zur Tagesordnung über? Oder, Frage an euch, wie soll man das sehen?