Reggae und Rotstift im Ratssaal

Ein wenig sommerliche Leichtigkeit machte sich in der vorletzten Gemeinderats-Sitzung vor der Sommerpause breit, als die Gemeinderätinnen und -räte zum Auftakt eine CD von Konstanzer Bands überreicht bekamen und als Appetizer einige Reggae-Rhythmen angespielt wurden – unsere von nun an regelmäßige, immer aber ausführliche Berichterstattung aus dem Konstanzer Gemeinderat.

Und Leichtigkeit herrschte auch, als es um die Aufhebung der Haushaltssperre ging, die Oberbürgermeister Horst Frank vor einigen Monaten verhängt hatte, als die Gewerbesteuereinnahmen plötzlich einbrachen. „Plötzlich, aber nicht überraschend,“ wie Jürgen Leipold (SPD) spitz bemerkte, den die Darstellung der Verwaltung, die Steuermindereinnahmen seien (kurz nach der Abstimmung über das KKH) wie eine Naturkatastrophe über die Stadt hereingebrochen, ähnlich wie andere Rätinnen und Räte nie überzeugt hat.

Klar ist, dass in nächster Zeit in Konstanz der Rotstift regieren wird. Im Rahmen der Finanzdebatte betonte Vera Hemm (Linke Liste) noch einmal ihre Position, dass es keine Abstriche im sozialen Bereich, bei Schwimmbädern oder Kindergärten geben dürfe. Vielmehr könne man etwa das Konziljubiläum abspecken und die Gewerbesteuer erhöhen. Dass eine Gewerbesteuererhöhung im bürgerlichen Lager auf heftigen Widerstand stoßen würde, war abzusehen. Allerdings trägt man dort eine Erhöhung der Grundsteuer (die letztlich die Mieter zahlen) zugunsten der Erneuerung des Krankenhauses mit.

Guten Appetit

Hoch her ging es bei der Debatte um das Schulessen an Gymnasien. Nachdem Konstanzer Schüler und Schülerinnen keinen Appetit auf das Essen von apetito hatten und sich Gemeinderäte immer wieder für eine schmackhaftere und ökologisch verträglichere, regionale Versorgung aussprachen, hat das Unternehmen den Vertrag von sich aus zum 31.07.2011 gekündigt. Bürgermeister Claus Boldt hat den Gesamtelternbeirat jüngst aufgefordert, einen Mensaverein zu gründen und die Versorgung in die eigenen Hände zu nehmen. Der Gesamtelternbeirat hingegen wies darauf hin, dass er sich nie bereit erklärt habe, einen solchen Verein ins Leben zu rufen und die Mensaversorgung zu übernehmen.

Das Vorgehen Boldts stieß bei Christiane Kreitmeier (FGL) auf Kritik, es sei eine Frechheit, das Problem jetzt an die Eltern weiterzureichen. Till Seiler beklagte, Claus Boldt wolle damit seine Kritiker vorführen. Die Verwaltung habe eine nach Ansicht externer juristischer Berater durchaus mögliche ökologischere Lösung von Anfang an mit juristischen Argumenten abgeblockt und baue jetzt mit der Forderung an die Eltern so kurz vor den Sommerferien einen starken Druck auf. Jürgen Leipold (SPD) warf der Verwaltung vor, sie habe in dieser Angelegenheit Rechtsfragen genutzt, um politische Positionen durchzusetzen.

Die Verwaltung ihrerseits steht auf dem Standpunkt, nach dem Wettbewerbsrecht sei eine Ausschreibung unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien nicht möglich. Die im Gemeinderat gefundene Lösung sieht jetzt ein doppeltes Vorgehen vor: Die Verwaltung wird sofort beginnen, eine europaweite Ausschreibung vorzubereiten und dabei auch den von den Grünen angebotenen externen Sachverstand hören. Parallel soll versucht werden, bis Anfang Oktober einen privaten Trägerverein zu gründen, der nicht an das europäische Vergaberecht gebunden wäre. Man muss kein Seher sein, um vorauszusagen, dass im Konstanzer Mensakrieg ein heißer Herbst bevorsteht.

Neubauten des Konstanzer Klinikums

Beschlossen wurde auch, die Neubauvorhaben des Konstanzer Klinikums mit rund 32 Millionen Euro zu finanzieren. Vera Hemm betonte, die Linke Liste stehe zum Klinikum als Konstanzer Einrichtung in öffentlicher Hand. Aber die Entscheidung über den Neubau jetzt zu treffen, hieße, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Erst müsse klar sein, wie es mit dem Klinikum in einer eventuellen Kooperation mit anderen Krankenhäusern weitergehe, erst dann könne man sinnvoll über Neubauten entscheiden. Sie konnte sich aber letztlich nicht durchsetzen, und so wurde die Investition mit breiter Mehrheit (bei zwei Enthaltungen der Linken Liste) beschlossen.

Der Katamaran als Fliegender Holländer

Dass der Katamaran zumindest im Gemeinderat auch in den nächsten Jahren nicht untergehen dürfte, wurde bei der Debatte über den Jahresabschluss der Stadtwerke deutlich. Holger Reile (Linke Liste) forderte erneut ein Szenario für einen schnellen Ausstieg, da der Katamaran ein Millionengrab sei und sich wirtschaftlich auch in Zukunft nicht tragen werde. Michael Fendrich (FDP) hingegen lobte den Katamaran als zukunftsweisendes Verkehrsmittel, das nur besser mit anderen Verkehrsmitteln vernetzt werden müsse.

Alexander Fecker (CDU) hatte einige Verbesserungsvorschläge zur Hand, denn er sieht den Katamaran als Wirtschaftsfaktor, der Käufer nach Konstanz bringe. Man müsse sich allerdings fragen, ob man ihn nicht durch einen 3. Haltepunkt etwa in Immenstaad attraktiver machen könne und ob man wirklich zwei Kapitäne brauche. Erstaunlich, dass niemand in die Debatte einwarf, dass der Katamaran auch Käufer von Konstanz nach Friedrichshafen bringen kann – oder ist man sich im Gemeinderat des Kaufpatriotismus der Konstanzer derart sicher? Sollte man nicht vielleicht doch im Konstanzer Hafen Leibesvisitationen einführen, um aus Friedrichshafen eingeschleppte Waren sicherzustellen?

Die Stadtwerke werden in diesem Jahr übrigens nach Angaben ihres Geschäftsführers Konrad Frommer insgesamt 12 Millionen Euro an Gewerbesteuer, Konzessionsabgabe und Dividende an die Stadt abführen.

Das Essen in den Kindertagesstätten wird teurer

Die geplante Erhöhung der Essensbeiträge an den städtischen Kindertagesstätten stieß auf Kritik. Heinrich Everke (FDP) beklagte die hohe Belastung und nannte als Ziel eine Senkung der Gebühren. Vera Hemm (Linke Liste) erklärte, neun Euro mehr pro Kind und Monat sähen auf den ersten Blick nach nicht viel aus, seien aber für schlechter gestellte Familien und Alleinerziehende eine erhebliche Belastung. Die Linke Liste habe die Vision einer kostenlosen Kinderbetreuung und -verpflegung. Der Konstanzer Sozialamtsleiter Jürgen Treude erläuterte, die Elternbeiräte hätten der Erhöhung zugestimmt, und das Jugendamt unterstütze sozial schwache Familien mit rund einer Million Euro im Jahr für diese Essensbeiträge.

Geld für Tagesmütter

Die Stadt Konstanz will in Zukunft Tagesmütter, die Kinder unter drei Jahren betreuen, unterstützen. Hanna Binder (SPD) hob hervor, Tagesmütter könnten beispielsweise flexiblere Betreuungszeiten anbieten als die städtischen Einrichtungen und seien so etwa für Schichtarbeiter oder im Einzelhandel Beschäftigte wichtig. Außerdem würden Tagesmütter, so Bürgermeister Claus Boldt, von den Eltern gewünscht.

Vera Hemm wandte dagegen ein, es sei fraglich, ob Tagesmütter wirklich die richtige Lösung für die Kinderbetreuung seien, denn öffentliche Institutionen garantierten eine bessere Qualifikation und bessere Arbeitsbedingungen für die Betreuerinnen und Betreuer.

Bild: H.Reile / So lag das Päpstlein nach seinem panikartigen Abbau eine Nacht lang verpackt in einer Garage auf dem Konstanzer Entsorgungshof. Nicht mal ein Schälchen Weihwasser wurde ihm verabreicht. Die Konstanzer Heuchler und Skulpturenstürmer sollten nicht vergessen: Gott sieht alles!

Das Päpstlein ist (r)ausgeflogen

Der Jahresabschluss der Tourist-Information Konstanz (der auch in diesem Jahr wegen des Umzuges in den Bahnhof ein negatives Ergebnis ausweist) bot noch einmal Gelegenheit zu einigen launigen Zwischenrufen in Sachen des gerade abgebauten Lenk-Papstes im Bahnhof. Geschäftsführer Norbert Henneberger erklärte, das Aufstellen der Figur sei eine nette Idee gewesen, er habe aber nicht daran gedacht, dass sich dadurch Menschen in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen könnten. (Zu erklären, wie Menschen 250 Jahre nach Beginn der Aufklärung überhaupt noch religiöse Empfindungen haben können, ist natürlich nicht Aufgabe eines Tourismus-Managers) Auf den Vorschlag von Heinrich Everke (FDP), statt des Papstes dort etwas Neutrales wie einen Zeppelin aufzustellen, erklärte Henneberger, er stehe schon mit dem Landesarchäologiemuseum in Kontakt; die Lenk-Debatte habe den Standort im Bahnhof jedenfalls deutlich aufgewertet.

Autor: Osvaldo Pugliese