„Retten Sie die Wohnungen, Herr Häusler“

seemoz-GVVBernd Häusler gerät immer mehr unter Druck: Nach der Singener SPD-Fraktion drängt schon zum zweiten Mal der Mieterbund den Oberbürgermeister von Singen, mehr für den Erhalt der GVV-Wohnungen zu tun und die Verunsicherung der Mieter zu beenden. Der Mieterbund hat auch konkrete Vorschläge, wie dem aktuellen Schreiben zu entnehmen ist 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

in unserem – noch unbeantworteten – Schreiben vom 12. Januar 2015 haben wir Sie gebeten, Ihren ganzen Einfluss zu nutzen, um die Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GVV in öffentlicher Trägerschaft zu behalten. Heute möchten wir Ihnen Wege aufzeigen, wie dieses Ziel aus unserer Sicht erreicht werden könnte und Aspekte darlegen, die aus Sicht aller Mieter in Singen, nicht nur der Mieter der GVV-Wohnungen, berücksichtigt werden sollten.

Mietrecht ersetzt nicht Wohnungspolitik

In unserem letzten Schreiben haben wir vor einem Verkauf der Wohnungsbestände an eine der großen Vermietungsgesellschaften gewarnt. Wenn sich Investoren um kommunale oder staatliche Wohnungen bewerben, versprechen sie in der Regel den Mietern und Verkäufern vermeintlich weitreichende Schutzklauseln, die Sozial-Charta oder ähnlich benannt werden. Diese Nebenabreden mögen vielleicht das Gewissen der Verkäufer beruhigen, wohnungspolitisch sind sie wirkungslos.

Die Mieter der GVV wären nach einem Verkauf an eine andere Gesellschaft durch das allgemeine Mietrecht gut geschützt: Der Kauf bricht dich die Miete, d.h. die bestehenden Mietverträge behalten ihre Gültigkeit, Eigenbedarfskündigungen sind bei juristischen Personen als Vermieter ebenfalls nicht möglich.

Das Problem beginnt, wenn Mieter ausziehen und die Wohnungen neu vermietet werden: In der Regel steigt die neu verlangte Miete so an, dass günstige Mietwohnungen nach und nach vom Markt verschwinden. Oft sieht das Geschäftsmodell dieser Investoren die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen vor, so dass mittelfristig mit Mieterverdrängung zu rechnen ist.

Wohnungen bringen keine Verluste

Die Mieten der GVV-Wohnungen sind bislang relativ günstig. Aus der Wohnungsbewirtschaftung resultieren in der Regel keine Verluste, wenn es keine Leerstände gibt. Aus einer regulären Bewirtschaftung fließen dem Vermieter ausreichend finanzielle Mittel zu, ob Wohnungsbestände mit Augenmaß fusionieren und auf einen modernen Stand zu bringen. Mehr noch: Die Ertragskraft der Wohnungen würde sogar ausreichen, den Kauf aller-GVV-Wohnungen vollständig über den Kapitalmarkt zu finanzieren, ohne dass es deswegen zu Mieterhöhungen kommen müsste. Abschreibungen, Schuldendienst und Tilgung könnten getragen werden. Dies funktioniert allerdings nur, wenn bei der Veräußerung der Wohnungen auf die langfristige sozial verträgliche Mietpreisentwicklung als Entscheidungskriterium und nicht etwa nur auf das Höchstgebot geachtet wird.

Wege zum Erhalt der Wohnungsbestände im öffentlichen Eigentum 

Daher wollen wir anregen, den gesamten GVV-Wohnungsbestand aus der Insolvenzmasse zu kaufen. Denkbar wären drei Ansatzpunkte:

  • Die Stadt Singen könnte eine eigenständige Wohnungsbaugesellschaft mit ausdrücklich sozialem Auftrag gründen.
  • Im Kreis Konstanz sind zahlreiche Wohnungsbauunternehmen mit großer Erfahrung in der Bewirtschaftung vergleichbarer Wohnungsbestände, die zudem Projekte gemeinsam realisiert haben, tätig. Wir regen Gespräche mit diesen Akteuren an, inwieweit sie der Stadt Singen beim Erhalt der GVV-Wohnungen helfen können.
  • Viele Mieter der GVV-Wohnungen beziehen Sozialleistungen. Als Sozialleistungsträger muss der Landkreis ein besonderes Interesse daran haben, dass es nicht zu ungerechtfertigten Mietpreissteigerungen in Singen kommt und ist daher ebenfalls ein Gesprächs- und Verhandlungspartner zum Erhalt der Wohnungen.

Es liegt im Verantwortungsbereich der Stadt Singen, diese Vorschläge zu prüfen und zu entscheiden, welchen dieser Wege sie einschlagen will.

Die Vorteile liegen jedoch auf der Hand: Der Kauf der Wohnungen durch einen öffentlichen Akteur wäre von Anfang an rentierlich. Selbst bei vollständiger Finanzierung über den Kapitalmarkt stünden ausreichend Mittel zur Verfügung, um Abschreibungen, Schuldendienst, Instandhaltung und Tilgung zu erwirtschaften.

Bezahlbarer Wohnraum bleibt auf Dauer günstig. Die Grundstücke bleiben erhalten und können bei Bedarf neu bebaut werden. Damit kann die Stadt Singen weiter unmittelbaren Einfluss dahingehend ausüben, dass nicht nur Wohnraum für gehobene und höhere Einkommen, sondern auch für breite Schichten der Bevölkerung entsteht.

Die Stadt Singen kann auf Dauer verlässlich ausschließen, dass die Wohnungen zum Spekulationsobjekt durch Umwandlung in Einzeleigentum werden. Unerwünschte Effekte wie Mieterverdrängung, ungerechtfertigte Mietpreissteigerungen, die letztlich zu große Lasten der sozialen Sicherungssysteme gehen, können vermieden werden.

Die Wohnungen und Grundstücke blieben im Einflussbereich der Stadt Singen und bilden nach wie vor öffentliches Vermögen. Ohne öffentliches Grundstückseigentum ist in vielen Bereichen nicht an eine erfolgversprechende, nachhaltige Stadtentwicklung zu denken.

Mit Ihrer Entscheidung Immobilien für die Unterbringung von Flüchtlingen aus der Insolvenzmasse zu erwerben, geht die Stadt Singen bereits wie von uns angeregt vor. Es spricht alles dafür, dies auch bei den Wohnungen zu tun.

gez. Herbert Weber, Deutscher Mieterbund Bodensee