„Rettet das Scala“ scheitert in 1. Runde
Die gestrige Sitzung des Technischen und Umweltausschusses (TUA) fand ungewöhnlich großen Publikumszuspruch, denn es ging um die geplante Schließung des Scala-Kinos, die die Gemüter in Konstanz derzeit erregt wie keine Kinoschließung zuvor. Der TUA lehnte nach eingehender Debatte den Antrag der Grünen ab, einen Bebauungsplan für die Marktstätte in Angriff zu nehmen und eine zweijährige Veränderungssperre zu erlassen. Die endgültige Entscheidung fällt aber erst nächste Woche im Gemeinderat.
„Damit der Platz und die angrenzenden Gebäude nicht zu einer reinen Kommerzmeile verkommen, müssen die Anforderungen der Bevölkerung, was Aufenthaltsqualität, Begegnungsmöglichkeiten, kulturelles Angebot und städtebauliche Qualität betrifft, besser berücksichtigt werden. Die Stadt kann nur über einen qualifizierten Bebauungsplan dafür Sorge tragen, dass Nutzungen einzelner Gebäude oder Geschosse zum Wohl der Bevölkerung nachhaltig festgelegt werden, und so die Gestaltungshoheit für das Zentrum der Innenstadt im Sinne einer positiven und zukunftsfähigen gesamtstädtischen Entwicklung sichern.“ Dies ist die Begründung des Antrags der Grünen, die sich damit zum Sprachrohr der rührigen Bürgerinitiative „Rettet das Scala“ machten. Gut gebrüllt, Löwe.
Wäre der Antrag angenommen worden, hätte die Stadt für die Zeit, in der sie den Bebauungsplan erarbeitet, für das Areal Marktstätte eine Veränderungssperre erlassen können. Das hätte die Umwandlung des Scalas in einen Drogeriemarkt vorläufig verhindert. Das hätte allerdings nicht verhindert, dass der hiesige Kinounternehmer das Scala schließt, denn auch die Stadt kann niemanden zwingen, ein Unternehmen fortzuführen. Aber die Bürgerinitiative hat gerade einen anderen Kinobetreiber ausfindig gemacht, der bereit ist, das Scala als Programmkino weiterzuführen und erhebliche Mittel zu investieren.
Die Logik dahinter: Die Stadt verhindert mit planungsrechtlichen Mitteln für mindestens zwei Jahre, dass das Scala umgebaut wird. Der Immobilienbetreiber wäre somit gezwungen, das Kino entweder leer stehen zu lassen und massiv Geld zu verlieren – oder mit einem anderen Betreiber einen Vertrag abzuschließen. Und diesen Betreiber liefern wir ihm jetzt. Ist Politik wirklich so einfach?
Keine Verhinderungsplanung
Der zentrale Punkt ist aber, und hierin sind sich die Rechtsgelehrten aller Seiten einig, dass die Stadt nicht gegen ein einzelnes Projekt wie den geplanten Drogeriemarkt gezielt vorgehen kann, sondern nur ein komplettes Gebiet mit planungsrechtlichen Maßnahmen steuern und eventuell zeitweise gegen Veränderungen sperren darf. Sonst gerät sie juristisch in Teufels Küche und sieht sich erheblichen Entschädigungsansprüchen etwa des Immobilienbesitzers gegenüber, die in die Millionen gehen können. Der Plan, jetzt Hals über Kopf einen Bebauungsplan anzugehen, ohne dass zuvor nennenswerte städteplanerische Missstände beklagt worden wären, hat natürlich ein Geschmäckle, er riecht nach einer Lex Scala. Diese Klippe galt es also zu umschiffen.
Gisela Kusche (FGL) nannte als Ziel der geforderten Überplanung der gesamten Marktstätte einen gesunden Mix aus Einzelhandel, Begegnung und Kultur. Der zentrale Platz der Stadt sei nicht nur für Konsum da, sondern für alle. Das Scala ist für sie nicht nur ein beliebiger Gewerbebetrieb, sondern ein wichtiges Stück Kultur, das abends die Marktstätte belebe. Und die Auslastung von 15 Prozent sei für ein Kino sogar ein recht guter Schnitt und kein Zeichen für mangelnden Zuspruch. Hand aufs Herz: Als Kusche forderte, die gesamte Innenstadt zu sichern, rieb sich der Zuhörer verblüfft die Ohren. Konkret hatte sie ausschließlich das Scala erwähnt, andere praktische Ziele des Bebauungsplanes nannte sie nicht. Das große Ganze geriet ihr eher zum Mäntelchen für eine Lex Scala, nach der das Volk vielzüngig schreit.
Gegen den Totalkommerz
Der Verwaltung wiederum hatte Holger Reile (LLK) einiges vorzuwerfen. Vor allem störte ihn, dass die Stadtverwaltung nicht sofort, als sie vor einem Jahr vom möglichen Ende des Scalas erfuhr, Kontakt zu allen Beteiligten aufnahm. Außerdem hätte die Stadt, so Reile, auch darüber nachdenken müssen, das Gebäude an der Marktstätte 22 ihrerseits zu erwerben und dort ein sozio-kulturelles Zentrum im Herzen der Stadt zu gründen. Er dachte dabei wohl an ein Gebäude, in dem Flüchtlingsinitiativen, Café Mondial und viele andere soziale und karitative Einrichtungen und Beratungsstellen ein Heim fänden. Reile hatte am Morgen zudem ein Unternehmerfrühstück besucht, das ihm trotz seiner geliebten Weißwürstchen sauer aufstieß: Dort sei gefordert worden, die Stadt den Investoren auf dem Silbertablett auszuliefern, auf dass diese sie wie eine Zitrone auspressen könnten. Einer solchen Politik der Kommerzialisierung städtischen Lebensraumes erteilte er eine klare Absage. (Sein Redebeitrag folgt übrigens zeitnah auf seemoz.)
Braucht Konstanz das Scala?
Die Gegner des FGL-Antrages führte Matthias Heider (CDU) an. Für ihn ist das kulturelle Angebot der Stadt gut, zumal ein Teil des bisherigen Scala-Programms künftig im Cinestar laufen soll. Außerdem gebe es noch das Zebra-Kino, das die Stadt jährlich mit 25 000 Euro unterstütze, und wer das Scala fortführen wolle, könne dies auch an anderer Stelle tun. Für ihn ist die Marktstätte ein Kerngebiet, in dem Einzelhandel gewollt ist, und außerdem sei die Nutzung des Anwesens Marktstätte 22 Sache privater Verträge. Wenn der Immobilieninhaber mit einem Kinobetreiber einen Vertrag abschließen wolle, könne er das jederzeit tun, die Stadt solle sich da jedenfalls raushalten. Man kennt das seit Jahrtausenden: Die Christen kennen nur einen Gott, das Privateigentum nämlich.
Prof. Dr. Mathias Preussner, der im Auftrag der Stadt ein Rechtsgutachten geliefert hat, und Bürgermeister Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn wiesen noch mal auf ihre juristische Sicht der Dinge hin und versicherten ihre Neutralität. Denkwürdig ist der Satz Preussners „Kulturpolitik lässt sich nicht über das Baurecht betreiben“. Er versicherte, er habe auch nach juristischen Handhaben für die Rettung des Scalas gesucht, allein, er habe keine gefunden. Eine rechtliche Handhabe, Kultur zu erhalten, sei vielleicht in Bayreuth rund um das Festspielhaus gegeben, nicht aber auf der Konstanzer Marktstätte.
Ergebnis – 5:7:1
Die (namentliche) Abstimmung im Ausschuss fiel beinahe wie zu erwarten aus: Für Bebauungsplan plus Veränderungssperre und damit die vermeintliche „Rettung“ des Scalas stimmten fünf Rätinnen und Räte: Gisela Kusche, Anne Mühlhäußer, Stephan Kühnle (alle FGL) sowie die Vertreter von LLK und JFK. Die anderen sieben von CDU, FWK sowie Jürgen Ruff von der SPD stimmten dagegen, allein Zahide Sarikas (SPD) enthielt sich. Der Antrag war damit abgelehnt.
Aber das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.
O. Pugliese
Pardon, der Groschen klemmte:
Die Meldung einer Sperrklausel für 30 Jahre zielt naturgemäß auf den neu aufgetauchten, erfolgreichen auswärtigen Kinounternehmer, der sich für den Standort an der Marktstätte 22 interessiert und am Runden Tisch übermorgen teilnehmen soll.
Dass es sich bei der Sperrklausel um eine Ad-hoc-Erfindung handelt, beweist das Timing. Hätte die Windelpartei es für möglich gehalten, dass solch eine Person sich materialisiert, wäre ihr diese Blendgranate viel früher eingefallen.
So was wie der Gesang des Amselmannes also, der Futterkonkurrenz aus dem Revier scheuchen soll; nur weniger wohltönend.
Von den Meistern Jacob Burckhardt, Edward Gibbon, Ferdinand Gregorovius & Co. habe ich dereinst gelernt, wie es unter Menschen zugeht. Nun zwinkern sie mir aus dem Regal zu: Da die Nachricht von einer 30-jährigen Kinoverhinderungsklausel für die Marktstätte 22 erst so spät und gerade jetzt, vor der Entscheidung des Gemeinderates, lanciert wird, dürfte es sich um eine Ente handeln, um eine Seifenblase zwecks Abschreckung und Einschüchterung unschlüssiger Ratsmitglieder und um die Bürgerinitiative zu entmutigen. (5222 UnterstützerInnen-Unterschriften auf Papier liegen inzwischen vor, zzgl. der über 2000 online gesammelten.)
Auch falls es die Vertragsklausel tatsächlich auf Papier geben sollte, dürfte sie nicht auf dem Beet von Hrn. Rabe, sondern auf dem des Hrn. Wössner gewachsen sein; Hr. Rabe wird sich bereitwillig haben einspannen lassen, mögliche Konkurrenz für sein Lago-Großkino im Keime zu ersticken. — Wie schade, dass Hrn. Wössners Phantasie sich darauf beschränkt, psychologische und juristische Barrikaden um sein Geschäftsprojekt zu bauen.
Auch falls es eine Kinoverhinderungsklausel tatsächlich auf Papier geben sollte, ginge sie ins Leere, wenn der Gemeinderat sich am kommenden Donnerstag ermannen würde, zwecks Erarbeitung eines Bebauungsplanes Marktstätte (und vielleicht gar eines „Leitbildes für Konstanz“) eine Veränderungssperre zu erlassen.
Die heutige Notiz im Südkurier hat mich sprachlos sein lassen.
Natürlich hat man uns von der BI die Verträge nie gezeigt, aber wenn es stimmt, dass eine 30 jährige Konkurrenzklausel Bestandteil des Vertrages ist, wäre ist es einmal die Frage, ob die rechtmäßig ist, wenn sie aber drin steht, dann haben die Eigentümer Hillenbrand und Co und Herr Rabe uns die Unwahrheit gesagt über Monate hinweg.
Ich finde die Sache wird immer schamloser, sie wird überzogen von Drohungen und Dreck. Und man wird müde daran, dass andere keine Scham kennen: „Wer die Wahrheit nicht kennt, der ist bloß ein Dummkopf. Wer sie aber kennt und die eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“ Sagt der alte Herr Brecht. Und wer in Konstanz mit dem Satz eine Veränderungssperre sei kein Mittel der Kulturpolitik reüssieren kann, der kennt die Wahrheit, die findet man, wenn man schlicht googelt unter den Stichworten Kulturpolitik und Veränderungssperre und man findet in der BRD mindesten 87 gelungene Beispiele, dass das geht, von Dresden bis Augsburg. Die Sozialdemokratie in Ba Wü hat genau deshalb verloren, weil sie so ist wie die neue Konstanzer SPD Linie: Augen zu und durch, mitten in die Niederlage.
‚Was macht Herr Rabe‘?!
Das frage ich mich schon seit das CineStar in Konstanz eröffnet wurde?
Denn nach der Eröffnung verlor das Scala nach und nach so viele Zuschauer, dass nach Angaben von Herrn Rabe zuletzt die Miete nicht mehr aufzubringen war.
Nur – warum?!
Beide Kinos – CineStar und Scala gehören Herrn Rabe und mit seiner Programmgestaltung hatte er es immer in der Hand welchen Standort –
welches Kinos oder welche Kino Sääle er füllen wollte. Und wären im Kino an der Markstätte seine bevorzugten Kino Sääle gewesen –
und hätte er dort – z.B mit Premieren aller Oscar nominierten Filme Deutschlands erfolgreichstes ‚Programmkino‘ entstehen lassen – wäre vielleicht die Miete für das CineStar knapper geworden?
Und dann lese ich auch noch in einer kurzen Notiz im Südkurier, dass ein sogenannter ‚Aufhebungsvertrag‘ vorsieht, dass es im Haus an der Marktstätte 22 nach dem Auszug des Scala 30 Jahre lang keinen Kinobetrieb mehr geben darf – und ich glaube ich weiß jetzt was Herr Rabe gemacht hat.‘
Die Sache „Scala“ war gelaufen bevor sie richtig begann! Nun kommen noch die Nachgefechte. Jede einigermaßen kulturell denkende Person kann sich jetzt plötzlich eine zielgerichtete Planung vorstellen, wie die Kernstadt auch in ihrer kulturellen und nicht nur kommerziellen Struktur auszusehen hätte. Dass das nur mit einem in den Räten breit abgestützten Bebauungsplan möglich wäre, ist Fakt. Doch diesen Plan gibt es nicht – bestenfalls: Noch nicht.
Die „Initiative“ stürzte sich euphorisch in das solitäre Abenteuer „Scala“. Das ist sogar irgendwie verständlich, aber reichte eben nicht aus. Wenn man so will, lief diese „Immobiliengeschichte“ an der Marktstätte ordnungsgemäß ab, auch wenn sie sich den Bedürfnissen der „Initiative“ kontraproduktiv entgegen stellte.
Und nun soll plötzlich die ganze Innenstadt rasch zu quasi einer „kulturellen Entwicklungszone“ mutieren. So schnell schiessen auch Badener nicht. Dieser Kerngedanke zur kulturellen Belebung der Innenstadt braucht unendlich viel Zeit und viel Überzeugung.
Und was ist mit Herrn Rabe? Er hat doch nun seine anerkennenswerten kulturellen „Scala- Ziele“ vorerst mit dem CineStar vergesellschaftet – oder dies nach seiner Aussage tun müssen, da sich die kommerziellen Bedingungen an der Markstätte gegen ihn entwickelt hätten. Geht es weiterhin um „Kino in Konstanz“ im Kontext zur kulturellen Erhaltung und weiterer Entfaltung im Rahmen einer Innenstadtstruktur nach entsprechenden Rahmenbedingungen, die erst zu „liefern“ sind, wäre Herr Rabe als eminent erfahrener und bepreister Kinoerfahrener nach wie vor der kompetente Bezugspunkt. Und die „Initiative der 6000“ könnte sich am Unternehmen „Erhalt und Erweiterung der kulturellen, auch abendlichen Innenstadtszene Konstanz“ kräftig beteiligen. Der Schlüssel liegt jedoch vorerst bei den Räten.