Rielasingen-Worblingen: Wer organisiert den Widerstand gegen die Gemeinschaftsschule?

seemoz-VPM-Efler+ReileGemeinschaftsschulen sind landesweit auf dem Vormarsch, das fortschrittliche Schulmodell setzt sich allmählich durch. Nicht so in Rielasingen-Worblingen. Dort gibt es Widerstand gegen die neue Schulform. Im Spätsommer steht ein Bürgerentscheid an. Ehemalige Mitglieder und SympathisantInnen der Psychosekte VPM („Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis“) ziehen dabei im Hintergrund geschickt die Strippen

Am 4. Juni hatte der Gemeinderat beschlossen, beim Kultusministerium die Umwandlung der Ten-Brink-Schule in eine Gemeinschaftsschule zu beantragen. Einige BürgerInnen wollten das nicht hinnehmen und sammelten 1611 Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Somit kommt es nach der Sommerpause zu einem Bürgerentscheid.

Wer steckt dahinter?

Nach der Gemeinderatsentscheidung wurde an alle Haushalte eine professionell gemachte „Zeitung zum Bürgerentscheid“ verteilt, in der das Konzept der Gemeinschaftsschule als „Mogelpackung“ bezeichnet wurde. Die Gemeinschaftsschule sei „weder besonders sozial gerecht noch besonders leistungsstark, und sie trägt auch nicht zu mehr Demokratie bei“, steht da zu lesen. Wer sich allerdings die Zeitung genauer vornimmt, wird stutzig: Dort tauchen Namen auf, die überwiegend mit der 2002 offiziell aufgelösten Psychosekte VPM in direkter Verbindung standen.

So wundert es nicht, dass in einem Beitrag der Rielasinger Buchhändlerin Klaudia Kruck-Schaer der verblichene VPM in höchsten Tönen als Organisation gepriesen wird, für die „der Schutz des menschlichen Lebens (…) absoluten Vorrang“ gehabt habe, der aber ständig diffamiert worden sei.  Kruck-Schaer war, wie auch ihr Mann Tankred Schaer, mit dem sie zusammen den Buchladen betreibt, in früheren Jahren im Vorstand des hannoverschen VPM-Ablegers „GFPM“. Die Schaers sind in Rielasingen-Worblingen nicht die einzigen, die dem einstigen VPM-Umfeld zuzurechnen sind und nun mit aller Macht versuchen, die geplante Gemeinschaftsschule zu Fall zu bringen.

Was war der VPM?

Der VPM wurde 1986 von der im Mai diesen Jahres verstorbenen Annemarie Buchholz-Kaiser gegründet. Sie trimmte ihre rund 2000 AnhängerInnen, die vor allem aus der Schweiz, Österreich und Deutschland kamen, von einer linksanarchistischen Weltanschauung auf wertkonservative und rechtspopulistische Positionen um. Der VPM wandte sich vor allem an Multiplikatoren, an Psychologen, Lehrer und Ärzte. Buchholz-Kaiser war die absolute Chefin, die keinen Widerspruch duldete.

Nach Ansicht des Journalisten und Sektenkenners Hugo Stamm aus Zürich entwickelte sich die Gruppe zu einer „Großsekte“ für AkademikerInnen, in der sich alle gegenseitig therapierten und in der ein „Klima der Unterdrückung und Angst“ herrschte. Bald geriet der VPM überregional in die Schlagzeilen und beschäftigte über lange Jahre auch die Gerichte und sogar den Deutschen Bundestag.

Der VPM ging mit rechtslastigen Parolen zur Aids- und Drogenpolitik auf Seelenfang. Im Schulterschluss mit oft weit rechts stehenden Organisationen zog er vor allem gegen „Neue Linke“ und „Medienfaschismus“ zu Felde. Der VPM führte mehrere hundert Prozesse gegen seine Kritiker, verlor aber die meisten, was dazu führte, dass die Gruppe in finanzielle Nöte geriet. 2002 wurde der Verein offiziell aufgelöst und auf Anraten von Buchholz-Kaiser zogen viele ihrer AnhängerInnen aufs flache Land.

Schon vor Jahren wunderte man sich im Hinterthurgau, dass plötzlich Akademiker aus Großstädten auftauchten und Häuser kauften, um sich dem biologischen Landbau zu widmen. „Sie erwarteten“, so Hugo Stamm in einem Hintergrundbericht über den VPM, „den großen globalen Kollaps und hatten Angst vor vergifteten Lebensmitteln“. Andere engagieren sich seit ihrer Flucht aus den Metropolen in Initiativen gegen angebliche Handystrahlungen, für Naturschutz oder gegen Gentechnik. Wieder andere mischen in der Kommunalpolitik mit, um Einfluss zu gewinnen. In Rielasingen-Worblingen ist ihnen das teilweise schon gelungen.

Fragen sollten sich dort die durchweg honorigen BürgerInnen und Alteingesessenen, die der Gemeinschaftsschule aus zum Teil nachvollziehbaren Gründen ebenfalls kritisch gegenüber stehen, ob sie von alten VPM-Kadern nicht vor einen Karren gespannt und  instrumentalisiert werden. seemoz wird weiter berichten.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: H.Reile