Riexinger wirbt für bessere Arbeitsplätze
Der Auftritt von Bernd Riexinger in Singen war eigentlich als Wahlkampf-Auftakt gedacht. Immerhin tritt der Co-Bundesvorsitzende der Partei Die Linke bei den Landtagswahlen nächstes Frühjahr in Baden-Württemberg als Spitzenkandidat an. Doch die aktuelle Griechenland-Krise überschattete auch die Riexinger-Veranstaltungen in Singen und Konstanz.
Im Rahmen seiner Sommertour 2015 besuchte Riexinger (s. Fotos) am Dienstag die beiden Wahlkreise Singen und Konstanz. Neben einem Pressegespräch beim Südkurier in Konstanz und einer Gewerkschafter-Diskussion bei der IG Metall in Singen stand am Abend eine öffentliche Veranstaltung an. Doch jedes Mal schwappte die Griechenland-Problematik in die Diskussion und ließ kaum Platz für Wahlkampf-Themen. Dennoch beschränken wir unsere Berichterstattung nun auf Probleme unseres Landes – zu Griechenland findet sich genügend an anderer seemoz-Stelle.
Gegen Werkverträge und Befristungen
Im Gespräch mit Vertrauensleuten und Betriebsräten großer und mittlerer Unternehmen im Landkreis bestätigte sich die Notwendigkeit der Kampagne „Das muss drin sein“: Leiharbeit, befristete Einstellungen und Werkverträge sind auch in der Metall- und Elektroindustrie ein Riesenproblem. Der 2. Bevollmächtigte der IGM-Verwaltungsstelle, Raoul Ulbrich, kritisierte neben der ausufernden Leiharbeit insbesondere die Praxis der Unternehmen, zunehmend mit dem Abschluss von Werkverträgen zu operieren: Selbst Ingenieure verdienten dann im Vergleich mit Stammmitarbeitern um bis zu 30 Prozent weniger. Betriebsräte und Vertrauensleute unter anderem von Siemens, Georg Fischer und Allweiler beklagten den Druck, der durch Befristung und Leiharbeit auch auf die Stammbelegschaften ausgeübt werde. Gegenwehr sei unter diesen Bedingungen nur schwer zu organisieren.
Der Linke-Vorsitzende verwies darauf, dass der neoliberale Umbau der Gesellschaft dazu geführt habe, dass viele Menschen in prekäre Arbeits- und damit Lebensverhältnisse abgedrängt wurden. Das Beschäftigungswunder, von dem Merkel schwärme, sei damit erkauft, dass mehr als 20 Prozent der Bevölkerung dauerhaft unter Bedingungen leben müsse, die sie von einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausschließe. Riexinger warb deshalb dafür, dass sich die Gewerkschaften wieder verstärkt in die politischen Auseinandersetzungen um die Gestaltung der Arbeits- und Lebensbedingungen einmischen. Mit ihrer Kampagne „Das muss drin sein“ will die Linke einen Beitrag dazu leisten.
Arbeit muss besser verteilt werden
Auch in der Abendveranstaltung machte Riexinger die prekären Arbeitsverhältnisse zum Thema: „Es gibt bei uns nicht mehr Arbeitsstunden, aber viel mehr Arbeitsplätze“, was beweise, dass das Gerede von der Vollbeschäftigung nur den Anstieg unbefriedigender Arbeitsverhältnisse („75 Prozent mehr prekäre Arbeitsplätze in 13 Jahren“) verschleiere. Vielmehr gebe es eine „strukturelle Unterbeschäftigung“, wenn man Befristungen, die Mini- und Midi-Jobs mit einbeziehe.
Da nur noch 51 Prozent aller Betriebe unter Tarifvertrag stehen, nehme auch die Möglichkeit zur Gegenwehr von Betriebsräten und Gewerkschaften ab. Um so wichtiger, so Riexinger, seien deshalb die Zielsetzungen der Kampagne „Das muss drin sein“: Gegen Leiharbeit und für eine Mindestsicherung, für eine gerechtere Verteilung der Arbeit und für eine bessere Personal-Ausstattung bei den Pfelegeberufen.
Kritik an Wohnungs- und Bildungspolitik
In der anschließenden Diskussion ging es um die Wohnungs- und die Bildungspolitik sowie um eine gepfefferte Kritik an der grün-roten Landesregierung. So werde die gute Idee der Gemeinschaftsschule durch die Konzeptionslosigkeit aus Stuttgart nur noch auf den Schultern der LehrerInnen ausgetragen – „die mehrheitlich grünen WählerInnen aus dem Schulbetrieb werden das Herrn Kretschmann heimzahlen“.
Und auch die Unfähigkeit der grün-roten Regierung, durch Umschichtungen genügend Mittel für bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, geriet in die Kritik. „Aus all‘ diesen Gründen“, so Bernd Riexinger, „braucht es eine schlagkräftige Opposition in Stuttgart“. Er zeigte sich überzeugt, dass Die Linke, die in Meinungsumfragen derzeit bei fünf Prozent liegt, diese Rolle im nächsten Landtag spielen kann.
hpk/jüg