Ringen um den Erhalt des Streuhau-Biotops

Die Diskussion über die Zukunft des Streuhau-Areals in Radolfzell gewinnt weiter an Fahrt. Ende Juli hatte die Stadtverwaltung zu einem Bürgerinformationsabend ins Milchwerk geladen, mittels einer Bürgerbeteiligungs-App können die RadolfzellerInnen ihre Meinung zu dem geplanten Hotelkomplex mitteilen, GegnerInnen dieser Planung haben eine Online-Petition gestartet, um das Naturschutzgebiet am Bodenseeufer zu erhalten, und erhalten Rückenwind vom OB-Kandidaten Simon Gröger.

Auch neue Bebauungsvariante überzeugt nicht

Seit nun fast zwei Jahrzehnten gibt es Pläne über die bauliche Erschließung und touristische Nutzung des Ufer-Areals zwischen dem Herzen-Areal (Bora-Hotel) und dem Bereich des ehemaligen „Bodenseereiters“. Zuletzt sorgte der von Fridays for Future initiierte „Streik fürs Radolfzeller Stadtklima“ für Aufsehen, und es keimte unter den Demo-TeilnehmerInnen die Hoffnung, dass die Mehrheiten für das aus ihrer Sicht naturzerstörende und klimaschädigende Großprojekt zu bröckeln beginne. Noch vor der Sommerpause wurden im Gemeinderat und anschließend bei einem Bürgerinformationsabend im Radolfzeller Milchwerk die Ergebnisse eines Architektenwettbewerbs – in Auftrag gegeben von Investor Bernd Schuler, zugleich Inhaber des Bora-Hotels – präsentiert. Als Alternative zu bereits existierenden Entwürfen wurde nun eine kompaktere und flächensparende Variante vorgestellt. Bei dieser würde der geplante Hotelneubau nach Osten, näher an das bestehende „Bora“ gerückt. Die 40 als familienfreundliches Feriendorf vorgesehenen Chalets sollen aber weiterhin im sensiblen Natur- und Hochwasserschutzgebiet errichtet werden. Vor allem deshalb gibt es sowohl bei den GemeinderätInnen quer durch die Fraktionen als auch in der Gruppe der BürgerInnen, die das Vorhaben seit Jahren kritisch sehen, Vorbehalte.

Enttäuschender Bürgerinformationsabend

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Laut Stadtverwaltung Radolfzell waren etwa „80 Interessierte aus Radolfzell und den umliegenden Gemeinden“ der Einladung zum Bürgerinformationsabend am 29. Juli ins Milchwerk nachgekommen. – Nicht gerade viele, in Anbetracht der Größe und Bedeutung dieses seit fast zwei Jahrzehnten umstrittenen Bauvorhabens für die Zukunft von Radolfzell. Vorgestellt wurden die aktuellen Entwürfe, zu denen die BürgerInnen anschließend ihre Einschätzung abgeben und die Planungsvarianten mit Punkten bewerten durften. Eine Alternative, welche die Bebauung des Streuhau komplett ausschließt, wurde aber nicht angeboten, was die Mehrheit der TeilnehmerInnen scharf kritisierte und enttäuschte. So jedenfalls zeichnet das BBR (Radolfzeller Bürgerforum Bauen) ein Stimmungsbild des Abends.

Auch die Stadtverwaltung scheint mit der Resonanz auf ihre Infoveranstaltung nicht zufrieden zu sein und führt derzeit, „um ein breites Stimmungsbild aus der Bevölkerung zu erhalten“, eine Bürgerumfrage zum Projekt Hotelerweiterung Herzen – Streuhau durch. „Bisher haben sich leider relativ wenige Radolfzellerinnen und Radolfzeller in den Planungsprozess eingebracht. Uns ist es jedoch wichtig, ein noch breiteres Meinungsbild aus der Bevölkerung zu erhalten. Wir würden uns sehr freuen, wenn möglichst viele an der Bürgerumfrage teilnehmen“, so Oberbürgermeister Martin Staab laut Homepage der Stadt. Diese digitale Bürgerbeteiligung ist noch bis 12. September möglich. An ihr teilnehmen können alle RadolfzellerInnen ab 16 Jahren.

„Hände weg vom Seeufer-Biotop Streuhau“

Aber auch BürgerInnen, die sich die Rettung des Streuhau-Areals als Naturschutzgebiet auf die Fahnen geschrieben haben, sind aktiv geworden und haben eine Online-Petition gestartet, an der jedeR – auch Nicht-RadolfzellerInnen – teilnehmen darf. Diese Petition läuft noch rund drei Wochen. Aktuell verzeichnet sie 1.977 Unterstützende, davon 1.076 in Radolfzell am Bodensee. Gerichtet ist sie an Oberbürgermeister Martin Staab, den Gemeinderat Radolfzell, das Landratsamt Konstanz, das Regierungspräsidium Freiburg und den Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg.

Rückenwind von OB-Kandidat Simon Gröger

Während Oberbürgermeister Martin Staab als Befürworter der Bebauung und touristischen Erschließung des Streuhau gilt, hat sich sein (bislang einziger) Gegenkandidat Simon Gröger bereits dagegen ausgesprochen. Vor allem, dass das geplante Feriendorf inmitten eines Hochwassergebietes (mit prognostizierter Überschwemmungsgefahr alle zehn Jahre) liegen solle, bereite ihm Sorge. Er möchte weitere alternative Planungen, „die eine vollständige Verlagerung der geplanten Bebauung in Richtung östlich des bestehenden Bora Hotels vorsehen“. Mit NABU, BUND, der Fridays-for-Future-Gruppe, dem BBR und dem Investor Bernd Schuler habe er zwischenzeitlich gesprochen und sich einen Überblick verschafft, so Gröger. Damit ist eines der heißesten Themen im Radolfzeller OB-Wahlkampf kontrovers besetzt. Simon Gröger, der von den Fraktionen FGL, SPD und CDU unterstützt wird, arbeitet als Wirtschaftsförderer in Tuttlingen. Derzeit läuft noch die Bewerbungsfrist um den Posten des Stadtoberhauptes. Wahltermin ist der 17. Oktober.

Uta Preimesser (Foto „Seeufer mit Bora-Hotel und Streuhau-Areal“ DH)