RIS auf seemoz, iPad statt Papier, Amtsblatt statt Südkurier
Einigen seemoz-LeserInnen ist es bereits aufgefallen: Auf unserer Startseite über der Werbeleiste am rechten Bildrand haben wir ein Banner platziert, dessen Inhalt interessierte BürgerInnen mit zum Teil wichtigen Informationen versorgt. RIS (Ratsinformationssystem) nennt es sich und liefert umfangreiche Hinweise, was in den kommunalpolitischen Gremien diskutiert und entschieden wird. Man muss es nur anklicken.
Das bürgernahe Angebot, sich über RIS sachkundig zu machen, besteht schon seit Jahren. Wer die Website der Stadt Konstanz ansteuert (www.konstanz.de), kann über das RIS-Banner die einzelnen Sitzungstermine und Tagesordnungspunkte aller Ausschüsse und des Gemeinderates abrufen. Da darf man ruhig mal eine Lanze für die Verwaltung brechen, die sich um Transparenz bemüht. Erstaunlich ist dennoch, wie wenige BürgerInnen diese Möglichkeit nutzen und noch erstaunlicher ist, dass viele gar nicht wissen, dass es diese unkomplizierte Informationsbeschaffung überhaupt gibt.
seemoz hat deshalb beschlossen, das RIS-Banner auf seine Seite zu hieven. Und zwar erstmal für lau, denn es liegt uns fern, die städtischen Finanzen mit einer monatlichen Mehrausgabe von rund 50 Euro zu belasten. Wer partout keine Lust hat, auf die Seite der Stadt zu gehen, kann sich nun auch auf seemoz mit Hilfe von RIS umfassend kundig machen. Ein Click auf die Seite zeigt aber auch, dass es noch ein wenig hapert mit der Benutzerfreundlichkeit. Man muss schon etwas Geduld aufbringen, bis man sich zurecht findet. Einsehbar sind alle Unterlagen zu öffentlichen Sitzungen, die in der Regel eine Woche zuvor ins Netz gestellt werden.
Schwieriger wird es schon, wenn jemand wissen will, wer was bei bereits stattgefundenen Terminen gesagt hat und wie schlussendlich abgestimmt wurde. Hierzu bietet sich die Suchfunktion an. Aber unter dem Stichwort „Protokolle“ ist nichts zu finden. Schlauer wird nur, wer das Kästchen „Niederschriften“ anklickt und über die Suchfunktion den Begriff „Stiftungsrat“ eingibt.
Bei der Navigation, aber das weiß man in der Verwaltung, besteht noch Nachbesserungsbedarf. Auch ein frischeres Design täte der ziemlich altbackenen und lieblos daher kommenden Seite gut. Dennoch bitten wir um regen Gebrauch unseres Angebotes zur besseren kommunalpolitischen Orientierung.
Wie aus dem Hauptamt zu erfahren war, soll auf RIS in Bälde auch interaktive Kommunikation möglich sein. Will heißen: Informationshungrige User könnten sich in naher Zukunft über eine Kommentarleiste zu einzelnen Punkten äußern und auch sachdienliche Ideen und Vorschläge unterbreiten.
Eine aktuelle Meldung zum Thema: Die Stadt Konstanz belegte kürzlich in der Finalrunde um den „Green Best Practice Award 2012“ in der Kategorie „Einsatz von IT-Systemen zur Optimierung von Prozessen“ den zweiten Platz. Ein Verdienst von Hauptamtsleiter Roland Bunten und seiner MitarbeiterInnen, denen daran gelegen ist, die Kommunikation zwischen Verwaltung und BürgerInnen ständig zu verbessern und Kommunalpolitik transparenter und effizienter zu gestalten. Auch auf die Mitglieder des Gemeinderates dürften bald grundlegende Neuerungen zukommen.
Ächzend schleppen sie ihre manchmal tonnenschweren Unterlagen durch die Gegend und wissen oft gar nicht mehr, wohin mit den Papierbergen, die ihnen für jede Sitzung ausgehändigt werden. Das Hauptamt schielt längst nach Villingen-Schwenningen, denn dort arbeitet der Gemeinderat nach einem fast einstimmigen Beschluss seit Juni mit iPad statt Papier. Ein für Baden-Württemberg beispielhaftes Modell. Allen Mandatsträgern wurde ein Tablet-PC zur Verfügung gestellt und somit können sie während der Sitzungen per WLAN-Anschluss auf Vorlagen, Satzungen, Protokolle oder Haushaltspläne zugreifen. Vorab wurden sie von der Verwaltung geschult und auch ein iPad-Stammtisch erfreut sich steigender Beliebtheit. Mit der Einführung dieser neuen Arbeitsweise senkt die Verwaltung die immens hohen Kosten für Sitzungsdrucksachen und Protokolle. Sie rechnet damit, dass sich die Investitionen in die handlichen und leicht zu bedienenden Geräte bis Ende 2013 amortisiert haben werden. Ein zukunftsweisendes Modell, das sich auch für Konstanz anbietet, meint nicht nur Roland Bunten.
Mit dem Amtsantritt von Uli Burchardt scheint ein neuer Wind durch das ehrwürdige Rathaus zu wehen. Der Neue, ist aus verschiedenen Ecken zu hören, sei ein „ausgesprochener Teamplayer“ und habe trotz eines prallen Terminkalenders meist ein offenes Ohr für seine Mitarbeiter. Viel Wert scheint auch er darauf zu legen, die direkte Kommunikation zwischen Bürgerschaft und Verwaltung zu verbessern. Und man merkt das auch schon: Die Pressestelle der Stadt hat einen Zahn zugelegt und mischt sich immer öfter in kommunalpolitische Debatten ein, die im Netz geführt werden. Man weiß längst: Der Südkurier hat seine Position als allein bestimmender Informations- und Meinungstransporteur eingebüßt und vor allem Jüngere informieren sich fast ausschließlich über lokale und überregionale elektronische Medien. Und man weiß auch: Das Interesse, vor allem an Lokalpolitik, wird nur dann wieder steigen, wenn die Abläufe und Prozesse transparenter und attraktiver nach außen getragen werden.
In diesem Zusammenhang wundert es auch nicht, wenn neuerdings wieder lauter über ein städtisches Amtsblatt (allerdings in Papierform) nachgedacht wird, das alle Konstanzer Haushalte mit den neuesten Informationen versorgt und auch diejenigen berücksichtigt, die sich nicht im Netz bewegen. Den Südkurier wird das nicht freuen, denn alleine über die Verbreitung amtlicher Bekanntmachungen, Ausschreibungen und Anzeigen fließen jährlich mindestens 100 000 Euro in die Verlagskasse. Gelder, die man für ein Amtsblatt und auch die Einbeziehung der Konstanzer Internetpublikationen einsetzen könnte und damit für eine größere Verbreitung sorgen würde. Denn längst nicht alle beziehen die Tageszeitung vor Ort, deren Qualität ständig abnimmt und die aus diesem Grund auch an Auflage verliert.
Doch die Konstanzer Zeitungsmacher haben ganz andere Sorgen. Die Stimmung in den Südkurier-Redaktionsstuben ist nicht die beste, seitdem man weiß, dass im Zuge angekündigter Sparmassnahmen einige Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Das Trommeln aus Augsburg, dort sitzt der neue Südkurier-Eigner, ist nicht zu überhören. Am vergangenen Freitag fand in Konstanz eine Betriebsversammlung statt, auf der die Südkurier-RedakteurInnnen über die aktuelle Situation diskutieren wollten. Was dabei heraus kam und ob die KollegInnen sogar daran denken, ihre Belange ausnahmsweise etwas kämpferischer zu verteidigen und sich nicht wegzuducken, entzieht sich der öffentlichen Wahrnehmung. Denn der Südkurier hat Arbeitskämpfe im eigenen Haus meist rigoros unter den Teppich gekehrt. Jetzt liegt es an den Betroffenen, für Offenheit zu sorgen.
Autor: Holger Reile