Roter Teppich für rechtsextreme Lega?
„Wir freuen uns“, heißt es in einer Verlautbarung der städtischen Pressestelle, „auf den Antrittsbesuch von Frau Bürgermeisterin Sara Casanova aus Lodi, die Konstanz mit einer kleinen Delegation vom 11.6. bis 12.6. besuchen wird“. Ist das wirklich Anlass zur Freude, wenn heute eine Vertreterin der rechtsextremen Lega an den Bodensee kommt?
Seit 1986 gibt es eine Städtepartnerschaft zwischen Konstanz und der italienischen Stadt Lodi. Man besucht sich nahezu jährlich gegenseitig und versichert sich gegenseitiger Freundschaft. Vor allem auf kultureller und sportlicher Ebene finden gemeinsame Veranstaltungen statt. Dagegen ist erstmal nichts einzuwenden. Doch Sara Casanova, die neue Bürgermeisterin von Lodi, ist Mitglied der Lega, einer Rechtsaußenpartei, die seit kurzem mit in der Regierung sitzt. Deren Parteichef Matteo Salvini, neuer italienischer Innenminister, gilt als rechtsextremer Hardliner. Er hat die ursprünglich separatistische Lega Nord in eine rechtsnationale und rassistische Partei nach dem Vorbild des französischen Front National umgeformt und den Zusatz „Nord“ gestrichen. Seitdem ist die Lega landesweit auf dem Vormarsch und verzeichnet derzeit einen Stimmenanteil von rund 25 Prozent. Tendenz weiter steigend.
Salvini ist seit Jahren vor allem dafür bekannt, dass er – ähnlich wie die AfD hierzulande – fremdenfeindliche und rassistische Töne anschlägt. Übelste Ausfälle gegen Flüchtlinge und Migranten sind bei ihm an der Tagesordnung. „Für illegale Immigranten“, so Salvini erst kürzlich, „ist der Spaß vorbei“. Mehrmals schon hat er ziemlich deutlich erklärt, dass Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge im Mittelmeer vor dem Ertrinken retten, künftig keine italienischen Häfen mehr anlaufen sollen. Der rechtsradikale Lega-Chef schlug auch eine Rassentrennung von Einwanderern und Italienern in Eisenbahnwagen vor.
Derlei Widerwärtigkeiten sind nicht neu bei der Lega, sie gehören seit Jahren zu ihrem Programm. Salvinis Parteifreund Giancarlo Gentilini, langjähriger Bürgermeister von Treviso, behauptete sogar, wie der Spiegel zu berichten wusste, Migranten brächten Aids und die Krätze ins Land, und meinte damit „Neger“ und „Muselmanen“. Die solle man, so Gentilini, „in Hasenkostüme stecken, dann hätten unsere Jäger was zum Üben“. Anschließend behauptete er auf Nachfrage, das sei natürlich nur ein Scherz gewesen.
Die Lega ist europaweit bestens vernetzt mit Gesinnungsgenossen aus dem nationalistisch-völkischen Lager. Matteo Salvini hatte bereits vor drei Jahren keinerlei Probleme, Vertreter der griechischen Faschistenpartei „Goldene Morgenröte“ nach Rom einzuladen. Ungarns Viktor Orban bezeichnet er als ein Vorbild, die AfD beglückwünschte er zu ihren Wahlerfolgen, mit der rechtspopulistischen FPÖ und anderen Rechtsaußen kooperiert er im Europaparlament.
Im Gegensatz zu ihm ist Lodis neugewählte Bürgermeisterin Sara Casanova (Foto) sicherlich nur ein kleines Provinzlicht im Gehege der Antidemokraten, Hetzer und braunen Brunnenvergifter, die sich in Europa breit machen. Dennoch gibt es keinerlei Gründe, der Lega-Vertreterin bei ihrem Antrittsbesuch in Konstanz den roten Teppich auszurollen. Stattdessen wäre es eher angebracht, Frau Casanova die Konstanzer Erklärung gegen Rassismus auszuhändigen, die der Gemeinderat vor sechs Jahren mit großer Mehrheit verabschiedet hat.
H. Reile (Foto: Lodinoticie.it)
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Konstanzer Erklärung gegen Rassismus
Rund 37 % wählten 1932 die NSDAP, demokratisch.
Kritik als Hetze gleichzusetzen, zeugt von wenig oder falschem Demokratieverständnis.
Und: Mit der Dummheit kämpfen selbst die Götter vergebens.
Nein, ein Anlass für den Roten Teppich ist der Besuch aus Lodi nicht. Aber tatsächlich ist es zunächst ein Grund zur Freude, dass auch unter dem neuen Oberhaupt der italienischen Partnerstadt wieder ein wechselseitiger Besuch des Anderen möglich wird. Denn selbstverständlich ist das in unseren Tagen, in denen die bilateralen Befindlichkeiten in hohem Kurs stehen, keinesfalls.
Nein, Protest wäre an dieser Stelle unangebracht. Viel eher sollten wir mit den Politikern, aber vor allem auch den Menschen in Lodi in Kontakt bleiben. Sie werden nicht umsonst ihr Kreuz bei den Wahlen dort gemacht haben, wo viele von uns nur den Kopf schütteln. Italien befindet sich demokratisch gesehen in einer schweren Krise. Statt in solchen Zeiten von unseren Freunden Abstand zu nehmen, sollten wir die Kräfte stärken, die sich auch weiterhin für eine Politik ohne Ressentiments einsetzen.
Ich denke, ehe wir zu früh urteilen, sollten wir im Austausch bleiben über die Gründe für Lodi, die „Lega“ gewählt zu haben. Als Partner sollte zudem genügend Vertrauen auf beiden Seiten da sein, um auch Irritationen ansprechen zu können. Auch wenn wir einen Entschluss der Bürger unserer Partnerstadt selbstredend anerkennen, so müssen wir ihn noch lange nicht gutheißen.
Im Respekt vor der demokratischen Entscheidung der Bürger Lodis, gleichsam im Wissen darum, dass wohl vielen Deutschen das Votum in unserer Partnerstadt nicht gefallen dürfte, sollte der Besuch der Delegation Anlass sein zum offenen Dialog – auch über Sorgen und Verwunderung. Wie weit wir dabei gehen, das liegt an Courage und politischem Feingefühl gleichermaßen.
Die Diskussion bleibt, wie viel Einmischung uns als Partnerstadt in die innenpolitischen Vorgänge unseres Gegenübers zusteht. Ich meine, als Demokraten sollten wir den unverhohlenen Austausch darüber befördern, was uns befremdet und was uns missfällt – ohne dabei aber die Integrität jeder einzelnen Stimme auf Lodis Wahlzetteln in Frage zu stellen.
Auch im Kleinen kann diplomatisches Geschick gefragt sein. Solches möge man der städtischen Rathausspitze für den zweitägigen Besuch der Partner aus Lodi in Konstanz wünschen. Gerade die kritischen Worte können bereichernd sein für ein partnerschaftliches Miteinander von zwei Städten, deren lange Verbundenheit durchaus Ehrlichkeit verträgt. Und vielleicht bringt gerade sie auch manche Klarheit zutage.
Lieber Herr Reile,
in erster Linie ist Frau Casanova die demokratisch gewählte Bürgermeisterin unserer Partnerstadt. Ihre Hetze ist vollkommen daneben.