Rückzieher der Bahn? Zunächst nur in Lindau
Kleinere Brötchen backt die Bahn. Zumindest in Lindau signalisiert der skandalumtoste Staatskonzern ein Einlenken: Der Bahnhof könnte auf der Insel bleiben, eine Verlegung auf das Festland hat nicht mehr oberste Priorität. Doch Charly Schweizer, Sprecher einer Aktionsgemeinschaft, die seit 13 Jahren gegen die Pläne der Bahn streitet, warnt nach diesem Etappensieg vor übertriebenen Optimismus: „So ein ‚Rückfallplan‘ hat auch seine Tücken“. Die Entscheidung fällt Ende des Jahres.
Der Hauptbahnhof kann möglicherweise auf der Insel bleiben, die Bahn besteht nicht mehr auf der Verlegung aufs Festland. Diesen überraschenden Plan hat die Bahn in Lindau auf einer Stadtratsitzung in dieser Woche bekannt gegeben. Ein Bahnsprecher erklärte, der Bahnhofsneubau im Ortsteil Reutin werde nur im Einvernehmen mit der Stadt Lindau gebaut. Sollte das nicht gelingen, werde der Hauptbahnhof auf der Insel bleiben. Die bisherigen Pläne der Bahn sahen einen Neubau auf dem Festland vor (seemoz berichtete mehrfach).
Für die vermeintliche Verkürzung der Reisezeit im Fernverkehr um nur wenige Minuten sollte, so die bisherigen Bahn-Pläne, der 100 Jahre alter Bahnhof in Lindau geopfert werden. Die Parallelen zu ‚Stuttgart 21‘ sind auffällig: Hier wie dort sind für die Umbau-Pläne der Bahn mehrere Hunderte von Millionen Euro an Investitionssumme erforderlich, die anderswo fehlen werden. Aber hier wie dort scheinen Modernisierung und Zeitersparnis nur ein Scheinargument zu sein: „Hoteliers und Immobilienhaie stehen Schlange, um sich die Sahnestücke auf der Lindauer Insel unter den Nagel zu reißen“, meint Aktionssprecher Schweizer.
„Die Kehrtwende der Bahn“, so Schweizer, „könnte auch ein taktisches Manöver sein“. Bislang waren die Fronten klar, aber die Meinung in der Lindauer Bevölkerung geteilt: CSU und Freie Wähler im Stadtrat, die Deutsche Bahn und die Bayerische Staatsregierung unterstützten die Umbaupläne – die Grüne Liste Lindau, DGB, SPD, der Verkehrsclub Deutschland und Die Linke, sie alle unterstützen die Aktionsgemeinschaft, waren dagegen. „Womöglich ist das nur ein Versuch, die Befürworter zu neuen Aktionen anzustacheln“, mutmaßt Charly Schweizer. „Vielleicht will die Bahn nur ins zweite Glied treten, um den anderen die Werbearbeit zu überlassen“.
Allerdings wird klar, dass die Bayerische Eisenbahngesellschaft, dem Münchner Verkehrsministerium unterstellt und für den Regionalverkehr zuständig, der immerhin 96 Prozent der Bahnverbindungen in Lindau ausmacht, behutsam von den Plänen der Deutschen Bahn abrückt. Der Schulterschluss zwischen dem Staat als Mehrheitseigner und dem Staatskonzern Bahn zeigt Risse. Zumindest in Bayern.
Nach dem überraschenden Rückzieher der Bahn sind derzeit alle Beschlüsse des Lindauer Stadtrats ausgesetzt; die Sommerpause werden Befürworter und Gegner des Bahnprojekts für heftige Werbearbeit nutzen; im September ist eine Bürgerversammlung vorgesehen; mit einer endgültigen Entscheidung ist im November zu rechnen. „Unser Kampf für den Bahnhof auf der Insel ist längst nicht gewonnen“, ahnt Charly Schweizer. „Wer weiß, was der Rückfallplan der Bahn – der heißt wirklich so – noch alles beinhaltet“.
Autor: hpk
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