Rüstungsforschung an der Uni Konstanz
Zu den am besten gehüteten Geheimnissen bundesdeutscher Politik zählen Forschungsaufträge des Verteidigungsministeriums. Insgesamt flossen dafür zwischen 2010 und 2014 mehr als 390 Millionen Euro aus dem Verteidigungshaushalt an Hochschulen und an außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Darunter auch an die Uni Konstanz. Und das trotz einer schon seit 1991 gültigen Zivilklausel. Aber das kümmert auf dem Gießberg kaum jemanden
Nach Informationen von NDR Info und der „Süddeutschen Zeitung“ vom letzten Wochenende hätte sich damit – verglichen mit dem wesentlich längeren Zeitraum 2000 bis 2010, für den zuletzt vertrauliche Zahlen vorlagen – das jährliche Auftragsvolumen für Rüstungsforschung mehr als verdoppelt. Die Bundesregierung hat Teile ihrer im Rahmen der Linkspartei gegebenen Auskünfte unter Geheimschutz gestellt und das unter anderem mit Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland begründet.
Die Geheimniskrämerei geht soweit, dass selbst Nicole Gohlke, MdB Die Linke, auf deren Kleiner Anfrage die aktuellen Angaben beruhen, nichts über Drittmittel, konkrete Projekte und betroffene Lehrstühle verlauten lassen darf.
Dilemma-Diskussion und Senfgas
Zu den Nutznießern zählt auch die Universität Konstanz. Uni-Pressesprecherin Julia Wandt weiß zwar von einem Auftrag des Verteidigungsministeriums über 65 000 Euro, „der aber die Zivilklausel nicht tangiert – eher im Gegenteil“. Dabei ging es um die Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion (KMDD) von Professor Georg Lind, mit der Konflikte entschärft werden sollen.
Doch Lind erhielt die Forschungsaufwendung bereits im Jahre 2008, also außerhalb des jetzt untersuchten Zeitraums von 2010 bis 2014. Schon konkreter wird ein Kommentar-Autor auf tagesschau de, der von „Forschungen für ein Gegenmittel gegen Senfgas/Senfgasderivate“ wissen will.
Diese Informationen sind zwischenzeitlich von der Uni Konstanz bestätigt: Danach wurde von Prof. Dr. Bükle im Auftrag des bundeswehreigenen Sanitätsamtes die Wirkungsweise eines Medikaments gegen Senfgas untersucht – erfolglos, denn es stellten sich böse Nebenwirkungen bei dieser Arznei heraus. Alexander Bükle ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Forschungen vor allem zivilen Charakter (Senfgasfunde in der Ostsee aus dem 2. Weltkrieg) hatten. Allerdings gäbe es auch Terrorgruppen, die mit Giftgas-Einsatz drohen, oder Staaten, die Vereinbarungen, auf Senfgas-Einsätze zu verzichten, nicht unterschrieben haben. Deren Drohpotential könnte durch ein entsprechendes Gegengift deutlich abgesenkt werden.
Dennoch: Solche Forschung würde die Zivilklausel, mit der sich die Uni Konstanz bereits 1991 auf eine friedliche Forschung verpflichtet hat, berühren. Wie auch die zahlreichen Kooperationen der Uni Konstanz mit dem Rüstungskonzern aus Friedrichshafen ‚Airbus Defence and Space‘, vormals EADS, vormals Cassidian, über die seemoz mehrfach berichtet hat.
41 Hochschulen beteiligt
Mit einem Anteil von insgesamt mehr als 5,8 Millionen Euro erhielt die Gottfried Wilhelm Leibniz Universität in Hannover seit 2010 am meisten Geld aus dem Verteidigungsetat, gefolgt von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit mehr als drei Millionen Euro und der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg mit mehr als 2,2 Millionen Euro. Bundesweit bekamen seit 2010 insgesamt 41 deutsche Hochschulen Zuwendungen des Verteidigungsministeriums. An außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gingen 588 Aufträge im Wert von mehr als 360 Millionen Euro.
Auf Nachfrage teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums mit, dass man auch zukünftig militärisch relevante Forschungsaufträge nicht öffentlich machen will. Eine Veröffentlichung würde die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik gefährden. Dem fühlen sich offenkundig auch die Universität Konstanz und Bundestagsabgeordnete der Linken verpflichtet.
Dennoch übt die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Nicole Gohlke, an dieser Auffassung scharfe Kritik: „In jedem Fall muss gewährleistet werden, dass darüber debattiert werden kann. Das setzt natürlich Transparenz voraus, zumal die Bundesregierung angekündigt hat, dass sie im Bereich des Rüstungsexports mehr Transparenz an den Tag legen will. Das wollen wir auch für den Bereich Rüstungsforschung.“[modal id=“19250“ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk, mit Material von tagesschau.de und „Süddeutsche Zeitung“
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