Polizeikennzeichnung dringend notwendig

Am heutigen Samstag gibt es ab 15 Uhr die nächste S21-Großkundgebung im Stuttgarter Schloßgarten (Livestream auf seemoz nicht verpassen). Wieder ist mit Zehntausenden von Demonstranten und Hunderten von Polizisten zu rechnen – hoffentlich diesmal ohne kriegerische Auseinandersetzung. Denn der blutige Polizeieinsatz vom 30.9. führte nicht nur zu zahlreichen Verletzungen, sondern auch zu über 400 Strafanzeigen. Mit dem Nachteil, dass die angezeigten Polizisten kaum mehr identifizierbar sind. Das soll sich ändern, fordert die Humanistische Union

Bei der Räumung des Stuttgarter Schlossgartens durch die Polizei waren über 100 Demonstranten durch den Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray verletzt worden. „Die Übergriffe einzelner Polizisten können voraussichtlich wieder nicht aufgeklärt werden“, beklagt Helga Lenz, Mitglied des Bundesvorstandes der Humanistischen Union. „Sei es, weil die Beamten durch Schutzkleidung oder Masken vermummt, also nicht identifizierbar waren, oder weil sich ihre Kollegen aus falsch verstandenem Corpsgeist oder Angst vor persönlichen Konsequenzen nicht trauen, einen Kollegen anzuzeigen.“

In Deutschland gibt es bis heute keine generelle und für alle Bereiche der Polizeiarbeit verbindliche Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete. Eine solche Kennzeichnung würde aber helfen, Polizisten im Falle rechtswidriger Übergriffe zu identifizieren und zur Verantwortung zu ziehen. Die Polizei ist mit weit reichenden Befugnissen ausgestattet, die für Bürgerinnen und Bürger auch einen Eingriff in ihre Grundrechte bedeuten können, sie unterliegt jedoch nur unzureichenden Kontrollmechanismen. Die Nachprüfbarkeit der Ausübung von Polizeibefugnissen auf ihre Rechtmäßigkeit ist aber notwendige Voraussetzung für einen Rechtsstaat.

„Die Einführung einer adäquaten Kennzeichnungspflicht garantiert die individuelle Zuordnung staatlichen Handelns. Sie ermöglicht die Aufklärung und vermindert widerrechtliches Handeln einzelner Polizisten. Zudem trägt sie zur nachhaltigen Vertrauensbildung zwischen Bürgern und Polizei bei“, erklärt Helga Lenz. „Gerade in Konfliktsituationen wie derzeit in Stuttgart sollte es auch im Interesse der Polizei selbst liegen, den Bürgerinnen und Bürgern nicht als Teil einer anonymen Staatsmacht entgegenzutreten.“

Die Kennzeichnung von Polizei- und Zollbeamten – mit Namen oder zum Beispiel mit eindeutigen Ziffern und Buchstaben – ist ein weiteres Instrument, um Transparenz und Kontrolle der Exekutive zu fördern. So wie auch ein Polizeibeauftragter in Bund und Ländern, dessen Einrichtung die Humanistische Union gleichfalls fordert.

Autorin: Martina Kant (hu/hpd)