„Sauberes Erdgas ist eine schmutzige Lüge“

Die Konstanzer Fridays-for-Future-Aktiven erhöhen nach der erzwungenen Corona-Pause die Schlagzahl. Nur vier Tage nach der ersten größeren Demo in diesem Jahr folgte der nächste Streich: Vor den Toren des Bodenseeforums protestierten die Klimaschützer:innen gegen den Plan für eine zweite Gasleitung, über die drinnen der Stadtwerke-Aufsichtsrat verhandelte. Für Fridays for Future ein verantwortungsloses Vorhaben, lassen sich die selbstgesetzten Klimaziele laut Experten doch nur erreichen, wenn der Gasverbrauch bis 2035 drastisch sinkt.

Warum das auf 20 Millionen veranschlagte Projekt, eine zweite Gasleitung von der Schweiz aus nach Konstanz zu bauen, ein klimapolitischer Knieschuss für Konstanz wäre, legen die Aktivist:innen in einer Mitteilung dar.

Während der Einbau von neuen Ölheizungen immer weiter abnimmt, gilt dies nicht für Gasheizungen. Die Geschichte vom sauberen, effizienten Gas wirkt und sorgt bundesweit für einen Großeinstieg in die Erdgasverbrennung. Für Konstanz mit dem allgemein steigenden Energieverbrauch einer wachsenden Stadt bedeutet der große Trend ins Gas einen steigenden Verbrauch. Diesem wollen die Stadtwerke mit dem Bau einer zweiten Versorgungsleitung nun Rechnung tragen.

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Dem halten die Klimaschützer:innen von Fridays for Future entgegen, dass das von der Stadt selbst beauftragte Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) errechnet habe, dass der Gasverbrauch in Konstanz bis 2035 um 90 Prozent reduziert werden müsse, wenn die Stadt ihre eigenen Klimaziele ernst nimmt. Durch Verluste bei der Förderung und während des Transports ist Erdgas in seiner Klimabilanz nämlich ähnlich schädlich, wie die Verbrennung von Kohle. Entweicht Erdgas, chemisch Methan, auf dem Weg zur Heizung, wirkt es in der Atmosphäre als Treibhausgas etwa 25-mal so stark wie CO2.

Eine sofortige Trendumkehr sei deshalb nötig. Dies könne jedoch nur gelingen, wenn alle Ressourcen in langfristige erneuerbare Wärmelösungen gesteckt würden. Neben dem schnellen Ausbau von Solaranlagen und verstärkter Gebäudedämmung brauche es dazu den großflächigen Wechsel von Heizungen hin zu elektrisch betriebenen Wärmepumpen und erneuerbar beheizten Nahwärmenetzen. Gerade die Stadtwerke als städtisches Versorgungsunternehmen seien hier der Schlüsselakteur, um die Wärmewende voranzutreiben, und daher besonders in der Verantwortung, voranzuschreiten.

Frida Mühlhof von Fridays for Future fasst die Tragweite der jetzt anstehenden Entscheidung für oder gegen einen Gasausstieg zusammen: „Wenn die Stadtwerke beschließen, eine zweite Gasleitung zu bauen, dann steht das im fundamentalen Widerspruch zu dem von der Stadt beschlossenen Ziel bis spätestens 2035 Klimaneutralität zu erreichen. Wir werden unsere Klimaziele nur einhalten, wenn wir zügig auch aus der Erdgasverbrennung aussteigen – dieser Prozess muss sofort beginnen.“

Während es in der Aufsichtsratssitzung nur um die Frage ging, welcher externe Gutachter die Notwendigkeit der neuen Gasleitung noch einmal prüfen solle, ist für Fridays for Future schon jetzt klar: Erdgas ist keine Brückentechnologie, die es auszubauen gilt, sondern ein Klimakiller wie Erdöl, Braun- und Steinkohle. “Es ist absurd, dass wir im Jahr 2021, zwei Jahre nach der Ausrufung des Klimanotstandes ernsthaft darüber diskutieren, ob wir eine zweite Gasleitung nach Konstanz bauen wollen“, so Julian Kratzer von Fridays for Future. „Was hier gerade passiert, ist das Gegenteil von Klimanotstand, es werden Millionen Euro in das Auslaufmodell Erdgas investiert, die wir Verbraucher:innen über die Netzentgelte auch noch bezahlen sollen.“

MM/jüg (Bild: Fridays for Future Konstanz)

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