Schatten über dem Abschied vom Gemeinderat
Nur bei Beerdigungsfeiern wird so viel geschwindelt wie auf Abschiedsfeiern. So geschehen auch am Montagabend, als der Konstanzer Gemeinderat seine ausgeschiedenen oder nicht mehr gewählten Mitglieder verabschiedete. Von den Konflikten, die vorab zu Abwahlen oder Parteiübertritten führten, war auf dieser salbungsvollen Feier keine Rede. Zum eitlen Sonnenschein verpasst zumindest seemoz den leider üblichen wie notwendigen Schatten
Die Regularien zunächst als Chronisten-Pflicht: Alexander Fecker, seit 1984 im Rat, erhielt den Ehrenring der Stadt Konstanz sowie die Ehrenurkunde und das Verdienstabzeichen des Städtetags in Gold für über 30-jährige Tätigkeit als Gemeinderat. Fecker war 14 Jahre (1997-2011) lang Fraktionsvorsitzender der CDU.
Über 34 Jahre saß auch Werner Allweiss (s. Teaserfoto) im Rat, der auf die Verleihung des Ehrenrings wegen seiner grundsätzlicher Ablehnung gegenüber Orden und Ehrenzeichen verzichtete. Allweiss war Gründungsmitglied des Kreis- und Ortsverbandes der Grünen und 1980 erster grüner Gemeinderat.
Für 20 Jahre Ratszugehörigkeit erhielten Sonja Hotz (SPD) und Andreas Ellegast (CDU) jeweils das Verdienstabzeichen des Städtetags Baden-Württemberg in Silber. Neben Fecker, Alllweiss, Hotz und Ellegast gehören künftig auch Bernd Sonneck (SPD, seit Oktober 2013 im Rat), Claudia Zunker (zuerst FuF, dann UFG seit Nov. 2011), Tatjana Wolf (FDP, seit 2009), Vera Hemm (LLK, seit 2005), Regine Rebmann (zuerst FDP, dann FWK seit 2004), Eberhard Roth (zuerst CDU, dann seit 2005 UFG), Alexander Stiegeler (FWK, seit 2004), Roland Wallisch (FGL, seit 2004) und Jürgen Wiedemann (erst NLK, dann UFG, seit 1994 mit Unterbrechung von 99-04) nicht mehr dem Konstanzer Gemeinderat an.
„Ab sofort wird nur noch gelogen“
Der Oberbürgermeister hatte ausnahmsweise die Bürgermeisterkette umgelegt – galt es doch, ehrenvolle Worte zu ehrenvollen Abschieden zu sprechen; das schnöde, immer gleiche Weingeschenk der Spitalstiftung ist wohl leidiger Tradition geschuldet. Doch zu den gestanzten OB-Hymnen gesellten sich zu allem Überfluss auch Dankesreden von Gemeinderatskollegen, die oberflächlicher und verschwollener nicht sein konnten: So huldigte der Fraktionskonvertit Peter Müller-Neff (erst CDU, dann FGL) seinem FGL-Fraktionskollegen Werner Allweiss mit nichtssagenden Anekdoten – kein Wort über die Zwistigkeiten in der FGL-Fraktion, die fast zur Spaltung geführt hätten. Allweiss antwortete immerhin mit einem deutlichen Appell an den Gemeinderat: „Verabschieden Sie sich von Vorurteilen“.
Ähnliche Redehülsen vom CDU-Fraktionsgranden Wolfgang Müller-Fehrenbach, der seinem Kollegen Fecker zum Abschied zwar „schmerzliche Erfahrungen mit der Demokratie“ bescheinigte (dazu SPD-Stadtrat Weber laut und vernehmlich: „Ab sofort wird nur noch gelogen“), aber kein Wort darüber verlor, dass es die CDU-Fraktion war, die ihren Senior auf einen aussichtslosen Platz auf der Kandidatenliste verbannte und damit seine Wiederwahl verhinderte. Aber pardon: Bei seiner Abschiedsrede machte Fecker deutlich, dass er sich und anderen mit einer weiteren Amtszeit keinen Gefallen getan hätte. Und kein Wort über den Wahlbetrug von Klaus-Peter Kossmehl, der wenige Wochen nach der Wahl die Fraktion und seine Partei wechselte:
Autor: hpk
Moment Mal: Wahlbetrug bleibt Wahlbetrug
Kaum hatte Klaus-Peter Kossmehl erneut ein Mandat für die CDU errungen, lief er zu den Freien Wählern (FWK) über. Das empfinden viele Konstanzer BürgerInnen als grobe Wählertäuschung. Kossmehl ist nicht der erste, der die Seiten wechselte, aber sein schamloses Vorgehen in ganz kurzer Zeit trägt dazu bei, das Ansehen des Gemeinderats zu schädigen und der breiten Politikverdrossenheit neuen Schub zu verleihen.
Zur Ratssitzung am vergangenen Montag erschien Kossmehl im Schlepptau von Jürgen Faden (FWK), trottete grußlos an seinen ehemaligen CDU-Kollegen vorbei Richtung FWK-Fraktion und machte es sich feixend neben seinem neuen Kollegen Anselm Venedey gemütlich (s. Foto). Der Fliesenlegermeister denkt wohl, sein „spontaner Wechsel“ zu den Freien Wählern interessiere die Öffentlichkeit bald nicht mehr. Da täuscht er sich. Und er glaubt wohl auch, eine Kommunalwahl sei eine reine Personenwahl. Auch das ein Behelfsargument, denn seine Stimmen kamen fast ausschließlich von treuen CDU-WählerInnen.
Parteienwechsel gab es immer schon: Peter Müller-Neff, einst CDU-Rat, ist nun bei der FGL. Regine Rebmann und Dieter Fulde wechselten vor Jahren von der FDP zur FWK, Frieder Schindele trug sein für die Neue Linie Konstanz (NLK) errungenes Mandat gegen Ende seiner Amtszeit zur SPD, Eberhard Roth verließ die CDU und gründete die UFG. Was diese Abtrünnigen aber von Kossmehl unterscheidet: Sie hielten eine Schamfrist ein. Überläufer Kossmehl hingegen lieferte ein dreistes Bubenstück ab, das man so schnell nicht vergessen wird.
Über die Gründe seines Wechsels will Kossmehl nichts verraten. Angeblich habe man „Stillschweigen“ vereinbart. Mit ein Grund aber soll gewesen sein, dass er seinen lukrativen Verwaltungsratssitz bei der Sparkasse Bodensee an seinen CDU-„Parteifreund“ Roger Tscheulin verloren hat. Es wäre übrigens längst an der Zeit, dass alle RätInnen ihre Zusatzeinkünfte öffentlich bekannt machen und damit das herstellen, was sie alle gerne im Bauchladen vor sich her tragen: Transparenz.
Die Freien Wähler haben sich bei der Causa Kossmehl ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert. Da hilft es auch nichts, wenn ihr Säulenheiliger Ewald Weisschedel scheinheilig erklärt, Kossmehl habe sich eben bei der CDU nicht mehr wohl gefühlt. Die Freien Wähler, deren schlichter Wahlkampfslogan „Frei statt Partei“ noch in den Ohren klingt, müssen sich schon fragen lassen, ob sie sich mittlerweile als Auffangbecken für vagabundierende Pöstchenschieber verstehen. Auch sie haben der Demokratie damit einen schlechten Dienst erwiesen.
Stünde Klaus-Peter Kossmehl für Anstand und politische Glaubwürdigkeit, dann würde er noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Gemeinderats sein Mandat an die CDU zurückgeben. Doch diese ehrenwerten Charaktereigenschaften sind dem Fliesenleger allem Anschein nach gänzlich fremd.
Autor: Holger Reile
Werner Allweiss hat auf den Ehrenring verzichtet und befindet sich mit seiner Skepsis gegenüber öffentlichen Auszeichnungen in guter Gesellschaft: Florence Hervé, fortschrittliche Publizistin und Mitherausgeberin des legendären und immer noch existierenden Kalenders „Wir Frauen“, hat die Annahme des Bundesverdienstkreuzes am Bande abgelehnt. Sie schreibt: „Schließlich möchte ich nicht den Eindruck vermitteln, ich hätte meinen Frieden mit dieser Politik geschlossen.“ Lesenswert!
http://www.wirfrauen.de/2014_herve-bundesverdienstkreuz.php
herr kropp,
danke für ihren hinweis, der leider aber verpufft. geht man nach ihrem transparenzbegriff, müssen sich die bürgerInnen erstmal den von ihnen erwähnten beteiligungsbericht vornehmen. die wenigsten werden wissen, dass es ihn überhaupt gibt. haben sie ihn dann vorliegen, gibt es auch nur zum teil veraltete zahlen aus dem jahre 2012. einzig die wobak hat ihre zahlen aktualisiert. wollen interessierte wählerInnen jetzt wissen, was die einzelnen rätInnen monatlich bekommen, müssen sie sich wiederum das ausschussverzeichnis der stadt besorgen, über das zu erfahren ist, wer überhaupt in welchen zusatzgremien sitzt. nach diesem kleinen informationsmarathon kann er/sie dann beginnen auszurechnen, wer wieviel dazuverdient. merken sie, was ich meine? wenn sie als langjähriger mitarbeiter der spd-fraktion glauben, die von ihnen vorgeschlagene informationsbeschaffung sei hilfreich, täuschen sie sich meiner meinung nach. die einfachste lösung, für die wir von der llk auch immer eingetreten sind: alle parteien/gruppierungen listen auf, was ihre rätInnen monatlich zum grundsalär von 370 euro dazu verdienen – und bieten diese informationen, übersichtlich angeordnet, auf ihren jeweiligen webseiten an. bei der llk ist das einfach: pro kopf eben diese 370 euro, dazu, ebenfalls pro kopf, rund 120 euro für eine fraktionsmitarbeiterin oder einen fraktionsmitarbeiter. nun sind sie dran. und wie der kollege pschorr richtigerweise anmerkte: die monatliche zuwendung für die aufsichtsräte bei der sparkasse (einer von der cdu und einer von der fgl) werden verschwiegen. und dieser nebenjob lohnt sich, denn für ziemlich wenig aufwand waren es schon zu DM-Zeiten monatlich 1000 Mark. soviel zu ihrer „transparenz“.
H.Reile
@ Winfried Kropp:
Wenn Sie den Beteiligungsbericht aufmerksam lesen, wird Ihnen auffallen: Die Sparkasse fehlt.
Der Text zum Fraktionwechsel ist gut und zutreffend, aber mit der Bemerkung „schnödes Weingeschenk“ tut man der Spitalkellerei Unrecht, denn die machen gute Arbeit, vielleicht gerade dehalb weil es keine städtische Einrichtung mehr ist.
Besonders die Roten sind empfehlenswert. (;-)
In diversen städtischen Tochtergesellschaften gibt es für die Mitglieder der Aufsichtsgremien Aufwandsentschädigungen. Die Höhe wird schon lange transparent gemacht: Die Beträge stehen alle im Beteiligungsbericht der Stadt und zwar ziemlich weit vorne. Stadtrat Holger Reile hat diesen Bericht in der Vergangenheit wohl nicht sehr aufmerksam gelesen.
zu Südbaden: Wenn´s schon sonst hier in KN nicht viel und angesichts der aktuellen lokalpolitischen Schweinereien gar nix zu lachen gibt: Der Kommentar ist total luschtig, her mit der Biographie!
Um Kosten einzusparen könnte man ja den zu Verabschiedenden die neueste Biographie von Burchhardt überreichen. Titel:
‚ Als ich noch der Oberförster war. Mein langer Weg durchs badische Unterholz‘ .