Schlimme Siemens-Strategie

Viele Siemens-Beschäftigte in der Konstanzer Bücklestraße sitzen ohne Arbeit da: Zwei Großaufträge gingen jüngst verloren und man fragt sich, welche Strategie die Münchner Konzernzentrale fährt. Denn nach Meinung vieler Insider hätten bei anderer Kalkulation die Aufträge nach Konstanz geholt werden können. Will die Konzernzentrale die Konstanzer Tochtergesellschaft aushungern?

Die Geschäftseinbrüche treffen das Kerngeschäft der Konstanzer Siemens-Sparte Postautomatisierung (LAS): Es geht um Briefsortierautomaten bei der österreichischen Staatspost und bei der Post von Singapur, für die in Konstanz nicht nur die Maschinen, sondern fortlaufend auch die Software erstellt wurde. Beide Kunden sind nun zu LAS-Konkurrenten in Frankreich und Japan abgewandert.

Die ausländische Konkurrenz hat zwar mit ähnlichen Beschäftigungsproblemen zu kämpfen wie die Konstanzer Siemens-Sparte, dennoch wurden dort wohl günstigere Kostenvoranschläge angeboten, so dass eine Abwanderung der Kunden die betriebswirtschaftlich logische Folge war. Offensichtlich räumten die Manager in Japan (da spielt auch der derzeit günstige Yen-Kurs eine Rolle) und Frankreich der Weiterbeschäftigung ihrer Mitarbeiter größere Priorität ein als dem Profit. Und da liegt wohl auch der Unterschied zu den Siemens-Verantwortlichen, die immer noch auch der notleidenden LAS satte Margen vorschreiben, die wiederum Angebote aus Konstanz nicht mehr konkurrenzfähig werden lassen.

„Man kann ja auch“, so ein Konstanzer Projektleiter, der nicht genannt sein will, „strategisch Aufträge annehmen. Also im ersten Schritt ein Minus einfahren, wenn dann im zweiten und dritten Auftrag ein sattes Plus folgt“. Doch davon will in der Münchner Zentrale niemand etwas wissen.

Welcher Plan steckt hinter solcher Strategie? Sollen die Siemens-Beschäftigten am Bodensee durch Arbeitsentzug mürbe gemacht werden? Sollen sie zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes genötigt werden, wenn Entlassungen des verbrieften Kündigungsschutzes wegen nicht möglich sind? Und überhaupt: Warum hört man nichts von Kaufinteressenten, wenn doch der Verkauf schon seit Anfang des Jahres beschlossene Politik ist? Fragen, auf die Betriebsräte keine Antwort wissen, und auf die das Management jede Antwort verweigert.

Antworten wird es wohl auch auf der Betriebsversammlung in einer Woche nicht geben. Die Beschäftigten in der Bücklestraße – und die Öffentlichkeit – sollen weiter im Unklaren gelassen werden. Denn, so hört man aus Mitarbeiterkreisen, auch Abfindungsangebote, auch solche zur Altersteilzeit, sind derzeit Mangelware bei Siemens. Die Beschäftigten sollen tatsächlich durch Arbeitsentzug ausgehungert werden – eine schlimme, eine perfide Strategie.

Autor: hpk

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