Schnell mal 17 Millionen für ein Kongresshaus
Auf eine „ausgeprägte Mehrheit“ hofft Uli Burchardt, wenn der Konstanzer Gemeinderat gleich zu Beginn seiner Donnerstag-Sitzung über den „Erwerb des Anwesens „Reichenaustr. 21“ einschließlich des aufstehenden Gebäudes Projekt Centrotherm Gebäude“ entscheiden soll. Die aber ist dem OB keineswegs sicher, denn immerhin geht es um eine Gesamtinvestition von 17,3 Millionen Euro für ein neues Tagungszentrum
Die Lieblingsidee von Oberbürgermeister Burchardt nimmt Gestalt an. Kaum war die Tinte unter den Verträgen trocken, informierten OB und IHK-Geschäftsführer Marx gestern die Öffentlichkeit (s. Foto): Am 1. Januar 2016 soll das Veranstaltungshaus in der Reichenaustraße seinen Betrieb aufnehmen – bis dahin wollen alle Umbauten und Einrichtungen fertiggestellt sein.
Ehrgeiziger Zeitplan
Hochdruck und Hetze, mit denen das sündhaft teure Projekt bislang betrieben wurden, sollen also zum Normalzustand werden. Denn in den verbleibenden knapp 20 Monaten wollen Umbauten innen (Büros für die IHK in den beiden oberen Stockwerken, zwei Säle für bis zu 1000 Personen sowie etliche Seminarräume) wie außen (ein zweiter, pompöser Eingang soll errichtet und die Fassade zur Seeseite teilweise eingerückt werden) fertig sein, eine Betriebsgesellschaft ihre Arbeit aufgenommen und die ersten Veranstaltungen gebucht haben sowie Infrastrukturmaßnahmen (Busanbindung, Renovierung des Nachbargeländes) unter Dach und Fach sein. Ein wahrlich ehrgeiziger Zeitplan. Und kostenträchtig obendrein.
Denn außer dem Kaufpreis (30 Prozent gleich 4,3 Millionen Euro als Anteil der Stadt) soll der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung dieser Legislatur am kommenden Donnerstag auch die Umbaukosten (9,2 Millionen Euro) und Einrichtungskosten (3,8 Mio.) genehmigen. Macht zusammen 17,3 Millionen, die unter gehörigem Zeitdruck von den StadträtInnen mal flott bewilligt werden sollen – die Vorlagen (allein der auswärtig erstellte Businessplan umfasst 120 Seiten) werden den Gemeinderatsmitgliedern erst an diesem Wochenende zugestellt.
Wohlgemerkt: Drei Tage, bevor ein neuer Gemeinderat mit womöglich kritischeren Volksvertretern gewählt wird, soll dieses Vorhaben durchgeboxt werden. Nicht auszuschließen auch, dass sich die Kosten, wie bei solchen Großprojekten fast schon üblich, noch beträchtlich erhöhen könnten. In Konstanz hat man Erfahrung mit solchen Kostenüberschreitungen. Fest steht schon jetzt aber, dass sich die Investitionskosten nicht werden erwirtschaften lassen.
Optimistische Kalkulation
Denn Projektleiter Friedhelm Schaal (s. Foto) geht von nur 280 000 Euro jährlichen Pachteinnahmen, der Businessplan des externen Gutachters von bestenfalls 400 000 durchschnittlichem Jahresgewinn aus. Der Betrieb des Veranstaltungshauses unter dem Dach einer städtischen GmbH, die zu diesem Zweck erst noch gegründet wird, für die aber schon 2014 zusätzlich 150 000 Euro benötigt werden, soll ab dem dritten Betriebsjahr „schwarze Zahlen“ schreiben. Auch diese Kalkulation erscheint reichlich optimistisch, geht sie doch von einer optimalen Belegung aus (selbst der Businessplan prognostiziert eine nur 50prozentige Auslastung der großen Säle). Vergleiche mit vergleichbaren Häusern in Singen oder Friedrichshafen aber lassen den Verdacht aufkommen, dass hier ein gewaltiger Zuschussbetrieb für den Konstanzer Steuerzahler entstehen könnte.
Das hält die „Macher“ Schaal, Marx und Burchardt nicht davon ab, ihr Projekt weiter in höchsten Tönen zu lobpreisen: Von einer „einzigartigen Chance für die weitere Entwicklung der Stadt Konstanz“ spricht der Oberbürgermeister, von einer „problemlosen Nachfrage ungeahnter Zielgruppen“ tönt Wirtschaftsförderer Schaal, und IHK-Hauptgeschäftsführer Marx weiß: „Die längere, aber intensivere Planung hat dem Projekt gut getan“.
Zusätzliche Wunschträume
Dabei ist längst noch nicht alles unter Dach und Fach: Noch steht die Zustimmung des Konstanzer Gemeinderates in seiner letzten Sitzung (Donnerstag, 16 Uhr, Ratssaal, und die SPD hat eine bislang verweigerte Akteneinsicht gefordert) ebenso aus wie eine Beschlussfassung der IHK-Vollversammlung (nach den Pfingstferien), erst noch soll ein Planungsbeirat gegründet werden (konstituierende Sitzung: 3.7. 2014) und die Betriebsgesellschaft nebst Aufsichtsrat installiert werden. Dann erst ist der Bauantrag dran, dann erst kann der Bau beginnen (geplant: Anfang 2015), später dann die Industrie- und Handelskammer um- und einziehen (geplant: Mitte 2015). Die Eröffnung des Hauses ist für den 1.1. 2016 vorgesehen.
Und das ist noch nicht alles: Immer noch träumt Uli Burchardt – und sein Wirtschaftsförderer Schaal ohnehin – von einem Konzerthaus auf dem Nachbargelände. Denn Burchardt weiß, dass die Wünsche der einstigen KKH-Befürworter noch längst nicht befriedigt sind, fehlen denen doch weiterhin ein Konzertsaal für die Philharmonie sowie repräsentative Riesensäle für die Weltkongresse. Doch Burchardt weiß auch, dass solche Wunschträume nur eine Chance haben, wenn das Centrotherm-Center nicht zum Millionengrab wird. Und er weiß auch, dass ohne einen Bürgerentscheid gar nichts geht.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: hpk
Siehe auch:
Centrotherm: Nichts Genaues weiß man nicht
Die Angst des OB Burchardt vor dem Wähler
Die Entscheidung über den Erwerb des Centrothem-Anwesens ist als „singuläre Massnahme“ sinnlos. Es macht nur dann Sinn, wenn das direkt angrenzende Grundstück ebenfalls erworben und dort ein Konzerthaus errichtet wird. Im Paket wird es eine runde Massnahme zur Stärkung des (auch kulturellen) Oberzentrums. — Aber: Das wird schätzungsweise (siehe Kostenkalkulation von früher für Klein-Venedig) nochmals ungefähr 50 Mill. Euro kosten. Dann noch 17,3 Mill dazu, dann sind wir im realistischen Kostenrahmen. So bewegen wir uns auf 70 Mill. Euro zu. Wollen wir das, können wir uns das leisten ?? — Ich kann dem Gemeinderat nur empfehlen, erstens das komplette „Projekt“ zu planen, zweitens jetzt nicht abzustimmen, sondern dies dem neu gewählten Gemeinderat zu überlassen und drittens möglichst früh einen Bürgerentscheid einzuplanen, um sicher zu sein, dass die Mehrheit der Konstanzer bei diesem „Kostenberg“ einverstanden ist. Alles andere ist falsches Timing, grosses Rum-Getue des OB`s und unseriöses Getöse. — Ich hoffe sehr, OB Burchardt kommt vor dem Wahlsonntag nicht durch.
@Wer?Wolf!
Die IHK finanziert ihre Projekte auch, in dem sie teure Seminare anbietet, deren Ergebnis für den/die Teilnehmer/innen ebenso sinnfrei wie nutzlos ist. So wie etwa kürzlich ein 10-tägiger Indoor(!)-Kurs zum „zertifizierten Reiseleiter“ für schlappe 1.250,- Euro und ebensolchem Erkenntnisgewinn…
Und: ein „Oberzentrum“ wie Konstanz berät sich doch nicht mit so einem Provinznest wie Radolfzell!!! Wo kommen wir da hin!?
So schnell geht wohl sonst nirgendwo in Konstanz und sprich gegen die sonst üblichen Gangart der Verwaltung, wenn Bürger ihre Kleinprojekte zügig bearbeitet haben wollen. Es mag wohl legitim sein, das Großprojekt 3 Tage vor der Gemeinderatswahl noch mit alten Gemeinderats-Mehrheiten durchzupauken, aber alles was legitim ist, würde sich vor allem in dieser „Bürgerverarsche“ moralisch anrüchig darstellen und gegen jedes allgemeinen demokratischen Sinnverhalten als geschmacklos empfunden werden.
Es ist bei diesem Vorgang festzustellen, dass der OB als Mann aus der Wirtschaft seinen alten Sinnen treu bleibt und es in der Wirtschaft durchaus als Erfolg gilt, so einen Clou gelandet zu haben. Aber hier geht es nicht um wirtschaftliche Interessen in der Privatwirtschaft, hier geht es um uns Bürger und wie mit uns umgegangen wird.
Nun ist die Frage, ob sich unsere noch amtierenden Vertreter auf diesen Clou einlassen und mit ihrem noch 3-Tage-Mandat seine Mandanten, uns Bürger, verärgern und sie damit ihre Wiederwahl aufs Spiel setzen?
Bisher gib es noch nicht einmal eine fachlich fundierte Bedarfsanalyse, mit objektiven Belegen, dass die Stadt zusätzliche Veranstaltungsräume wirklich braucht. Operiert wird mit einem „gefühlten“ Bedarf für dieses Millionenprojekt. Eher soll mit dem gleichen Gemeinderat zum 3. Mal ein Anlauf für ein mögliches Konzerthaus (auf dem benachbarten Grundstück) positiv entschieden werden?
Danke für die gute Berichterstattung zum Thema!
Allerdings bleiben bei mir einige Fragen, die ich aus den mir zugänglichen Informationen noch nicht beantworten konnte:
Wie finanziert die IHK den Kauf?
Hat sie derart hohe Rücklagen aus den Zwangsbeiträgen ihrer Pflichtmitglieder (Unternehmen und kleine Gewerbetreibende) erwirtschaften können?
Oder werden die Zwangsbeiträge in der Zukunft deshalb steigen?
Wird die Immobilie der IHK an der Schützenstraße verkauft oder ist sie bereits verkauft? Vielleicht an die Wobak?
Warum kauft die IHK nicht das gesamte Haus, wenn sie vom Standort am Seerhein überzeugt ist?
Meiner Erfahrung nach sind unterschiedlich genutzte Gebäude, die auch noch in unterschiedlicher Eigentümerschaft sind, immer problematisch (siehe Seerheincenter).
Auch frage ich mich, ob sich OB und Wirtschaftsförderer der Stadt Konstanz bei den Kollegen in Radolfzell erkundigt haben. Dort ist vor vielen Jahren das Milchwerk zum Tagungszentrum umgebaut worden. Trotz kostenreicher mehrfacher Umbauten hat es sich – nach meiner Kenntnis – nie am Markt durchsetzen können und wird dauerhaft ein Subventionsgrab bleiben.
Meiner Meinung nach droht mit Kauf und Umbau durch die Stadt Geld des Steuerzahlers, welches für wichtigere Dinge verwendet werden sollte (Wohnungsbau, Sozialausgaben, Investitionen in die teilweise sehr marode Konstanzer Infrastruktur) verschwendet zu werden.
Ich werde die Gemeinderatswahl nutzen und den Befürwortern des Projektes keine Stimme geben!
Danke für die ausführlichen Informationen, denn wieder einmal fehlt es, aus guten Gründen, an Transparenz in der Öffentlichkeit. Auch dem SK-Artikel waren derart wichtige Einzelheiten nicht zu entnehmen. Es wird jedoch wie immer sein: Jene(Gemeinderäte und Bürger), die dieses Projekt befürworten, werden die unbequemen Fakten, die das ganze Ausmaß des Risikos klar darlegen, nicht wahr haben wollen, die realistischen unter ihnen werden, wie gehabt, als „Zauderer“, „Verhinderer“, „Ewiggestrige“ verunglimpft werden. Negatives wird schöngeredet oder relativiert. Offenbar wird „über -sehen“, dass es hier nicht um den sehnlichst erwünschten Konzertsaal geht, sondern alleine um Veranstaltungsräume, die ganz sicher nicht ganzjährig ausgebucht sein werden. Woher hat OB Uli denn die „fast ausschließlich positive Rückmeldung aus der Bevölkerung“? Bisher waren und sind schließlich keine Einzelheiten zu diesem Risiko-Vorhaben bekannt. Die Eile, mit der eine Entscheidung über diese „historische Chance“ im Gemeinderat durchgejagt und noch vom „alten Stamm“ gefällt werden soll, ist verdächtig und unzumutbar, denn für die Folgen einer eventuellen Entscheidung für das Projekt büßen die möglichen Neuen. Und noch eine Kleinigkeit: sollte das „Car-Emotion“ tatsächlich verwirklicht werden, droht auf jeden Fall Konkurrenz, auch wenn das unsere „Planer vor dem Herrn“ nicht eingestehen werden. Auf Donnerstag darf man gespannt sein…