Schnellfeuerwaffen in Stockacher Schule entdeckt

Nur wenige Tage nach dem Massaker an einer Schule im US-amerikanischen Parkland wurden am letzten Freitag im Stockacher Berufsschulzentrum (BSZ) diverse halb- und vollautomatische Schnellfeuerwaffen (Handfeuerwaffen, Sturmgewehre, sowie Zusatzausrüstung) gefunden. Einige Jugendliche stellten sich sogar öffentlich posierend damit zur Schau, andere zeigten Interesse an verschiedenen Waffenarten. Die Rede ist vom „Karrieretag Stockach.“

Darüber hinaus gab es auch noch Gelegenheit, dass junge Leute an Spielkonsolen ihre Skills ausprobieren konnten. Die ebenfalls anwesende Polizei und der Zoll hielten es jedoch nicht für erforderlich, in das Geschehen einzugreifen.

Wie unterschiedlich wir doch mit unserer selektiven Wahrnehmung umgehen. Zum einen Betroffenheit, Entsetzen und der innigste Wunsch, das, was da gerade noch in Florida geschehen ist, soll doch hoffentlich nie hier bei uns passieren,. Übrigens das 18. „School Shooting“ allein in 2018. Aber das Jahr ist ja noch jung, da geht schon noch was an High Score in High Schools.

Zum anderen ist es anscheinend absolut in Ordnung, wenn in einem Schulgebäude hier vor unserer Haustüre die Waffen- und Rüstungslobby sich ein (in doppeltem Sinne) Stelldichein beim Karrieretag des Stockacher Berufsschulzentrums gibt. Diehl defence, Rheinmetall soldier electronics, Airbus defence and space, Bundeswehr, usw. (sorry, wenn ich welche in der langen Ausstellerliste übersehen haben sollte. Die zuständigen Personaler können sich ja gerne in den Kommentaren unten der Marktchancengleichheit halber selbst noch nachträglich ergänzen).

Spannend auch übrigens meine eigene (vollkommen subjektive und in keiner Art und Weise verallgemeinernd und wenn dann lediglich ironisch gemeinte) Wahrnehmung: Wie kann ich als Besucher auf Anhieb erkennen, wer von den Ausstellern nun in Rüstungsgeschäfte involviert ist und wer nicht? Mit was verbinde ich als Besucher Namen wie constellium, Allsafe Jungfalk, TRW automotive? Nicht, dass diese Firmen was mit Waffen zu tun hätten (oder doch?), aber allein schon seinen eigenen Messestand neben einem der Kriegsverdiener zu haben, kann doch möglicherweise irgendwie auf mein eigenes Firmenimage abfärben. Nur mal so als Tipp an die verantwortlichen Marketingleute für den Ort der Buchung des nächsten Messestandes. („Hey Standnachbar, verhilfst Du Geflüchteten zu einer Ausbildung hier bei uns, oder lässt Du im Mittelmeer auf Sie schießen?“)

Wie auch immer, die anwesende Lokal- und Lokälchenprominenz aus Kommune, Unternehmertum, Bildung und sonstigem schien beim gemeinsamen pressetauglichen Flanieren über den Ausstellungscampus davon in keinster Weise irritiert. Das scheint wohl einfach dazu zu gehören. Es waren ja auch genug Komplementäraussteller anwesend, die die Folgen vom heroischen Soldatendasein ggf. mitgestalten können: Diverse Pflegedienste für die physisch und psychisch geschädigten Heimkehrer; Gartengestalter und soziale Dienste für die dann passende Reha-Versorgung.

Wenn ich mir vorstelle, dass meine Kinder mal über eine Ausbildungsmesse laufen und mit tonnenweise Give Aways (vielleicht mal ’nen putzigen Bleistiftspitzer in Patronenform?) zugeschüttet werden, nach Hause kommen und mir erzählen, sie wollen bei dem ein oder anderen Rüstungsunternehmen ihren beruflichen Weg machen, weil das so saucool ist und man außerdem noch so scheißviel Kohle hinterhergeworfen bekommt, dann kommt mir heute schon das kalte Kotzen.

Wie wäre es – nur am angenommen – wenn eine Bildungseinrichtung, eine Kommune, ein Veranstalter oder wer auch immer Richtlinien festlegen würde, welche Aussteller sich an so einem Tag präsentieren dürfen und welche nicht? Oder es wenigstens mal laut ansprechen würden, dass das unter Umständen so gar nicht hinnehmbar sein könnte? Würde es nicht von Haltung, Anstand und Verantwortung (und echt großen cojones) zeugen, wenn man sich auf diesen absehbar sich vehement entrüstenden (irgendwie lustiges Wort in diesem Zusammenhang) folgenden Disput einlassen würde? Selbst am Waffenfirmenballungszentrum Bodensee. Mal kurz drauf geschissen auf die vielen ach so tollen Arbeitsplätze, den Deutschen Rang 3 weltweit beim Waffenexport und dass alle 14 Minuten ein Mensch durch eine Deutsche Waffe stirbt (Quelle: Terres des Hommes).

Einfach Kurz mal drüber nachgedacht, was Ghouta, Parkland und Kabul auch mit Stockach (dieser Städtename ist übrigens frei austauschbar gegen andere Orte hier am See) zu tun haben könnten? Wär’ das nicht mal ein Alleinstellungsmerkmal und eine Schlagzeile wert? Und wenn das aus welchen Gründen auch immer (Gewerbesteuereinnahmen, lokaler großer Arbeitgeber, gemeinsamer Saunaclubbesuch, etc.) nicht gehen sollte, dann doch bitte wenigstens beim nächsten Mal ein Schild aufhängen am Eingang: „Wir weisen unsere Besucher darauf hin, dass sich in diesem Schulgebäude Waffen befinden.“

PS: Ob das anwesende Lehrpersonal auch Waffen getragen hat, konnte ich leider nicht erkennen. Was mich aber kein Deut weniger beunruhigte. Denn, wie heißt es so schön in einer sich gerade im Netz verbreitenden Botschaft: „Wer gerade darüber nachdenkt, Lehrer zu bewaffnen, der hat wohl noch nie einen Lehrer gesehen, der versucht hat, einen Videorekorder zu bedienen.“

Ralph Schiel