Schöngefärbte Preiserhöhung in der Uni-Mensa
Fröhliche MitarbeiterInnen, bunte Köstlichkeiten und ein Chef, der sich nicht scheut, selbst in der Küche zu stehen. Geht man nach den bunten Werbeflyern und der lokalen Tageszeitung, herrscht beim Studierendenwerk Seezeit beste Stimmung. Mächtig stolz ist der Betreiber mehrerer Universitäts- und Hochschulmensen derzeit vor allem auf die kürzlich erfolgte Umstellung des Essensangebots.
Lässt man die PR mal für einen Moment beiseite und schaut etwas genauer hin, wird jedoch schnell deutlich, dass sich der Ruf des Studierendenwerks derzeit auf einem Tiefpunkt befindet – intern wie extern. Auf Unterstützung durch die Universitätsleitung muss es offenbar dennoch nicht verzichten.
Seit dem 12. März ist der Kantinenbetreiber selbst das Topthema beim Mittagessen an der Universität. Unter dem Slogan „Der neue Genuss“ wurden alte Produktlinien ersetzt, viele Gerichte mit neuen Namen deklariert und die Möglichkeit der individuellen Menü-Zusammenstellung stark eingeschränkt. Konnte man bis dahin selbst die Beilagen portionieren oder auch Nachschlag bekommen, werden die Komponenten des Mittagessens nun in Einheitsgrößen ausgehändigt, die sich am durchschnittlichen Tagesbedarf eines Erwachsenen orientieren.
Dass Studierende, die einen Großteil der Kundschaft ausmachen, sich in Fragen der Ernährung nicht unbedingt in den Bevölkerungsdurchschnitt einreihen lassen, scheint nicht weiter in die Überlegungen miteinbezogen worden zu sein. Wer mehr Hunger habe, könne – so tröstet das neue Konzept – schließlich einfach eine weitere Beilage erwerben. Aus Sicht vieler Studierender, die faktisch unter der Armutsgrenze leben, eine schöngefärbte Preiserhöhung. Kein Wunder also, dass sich die meisten einfach nur verarscht vorkommen.
Verschlimmert wird dieser Umstand noch dadurch, dass trotz verbriefter Mitspracherechte weder die Universität noch die Studierenden in die Änderungen einbezogen wurden. Auch im Nachgang reagierte Seezeit auf Vorschläge der Studierendenvertretung und des Personalrats bisher ablehnend oder lediglich mit Lippenbekenntnissen. Ein solch ignorantes Verhalten ist nicht hinnehmbar, wird die Einrichtung doch von Studierenden über Solidarbeiträge entscheidend mitfinanziert.
Optimierungswut des Studierendenwerks
Der Plan, die Affäre auszusitzen, könnte allerdings nicht so glatt aufgehen, wie Seezeit sich das wünscht. Dass nun seit rund zwei Monaten die Stimmung konstant schlecht ist, lässt sich nämlich nicht lediglich auf die Neuerungen im gastronomischen Bereich zurückführen. Seit längerem bereits stehen kreative Verkaufsstrategien und unzureichende Angebote für VegetarierInnen oder Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten in der Kritik. Sowohl bei Studierenden als auch bei MitarbeiterInnen und zum Teil auch in der ProfessorInnenschaft. Beim Gang durch die Mensareihen fällt inzwischen die wachsende Zahl an Tupperdosen auf – mit von Zuhause mitgebrachten Köstlichkeiten.
Doch nicht nur die Gäste leiden unter der Optimierungswut des Studierendenwerks. Auch für die Seezeit-MitarbeiterInnen ist die Situation keineswegs der versprochene „Genuss“. Viele fühlen sich bei den Umstellungen übergangen, obwohl sie teilweise durchaus produktive Vorschläge beizutragen haben. Im Gegenteil, sie sind diejenigen, die den Frust der Gäste an erster Stelle spüren. Intern droht gleichzeitig Ärger, wenn mal 50 Gramm mehr als die neue Standardportion auf einen Teller geschöpft wird, weil wirklich jedeR erkennt, dass ein halbvolles kleines Schälchen Salat einfach mickrig ist. Die Leitungsebene von Seezeit nimmt im Moment weder die Gäste noch die eigenen MitarbeiterInnen ernst, sondern poliert mit einem neuen Konzept die Bilanz auf.
Keine Angst vor Konkurrenz
Die Inszenierung des Studierendenwerks löst sich seit längerem sowohl vom Anspruch der Gäste als auch von der eigenen Realität. Wer sich vom Grundversorger zum Feinkost-Restaurant mausern will, dürfte eigentlich weder „Indisches Rinderragout“ verkaufen noch angefaulte Äpfel als „Frischobst“ deklarieren. Zudem sollte sich ein vom Landeshochschulgesetz zur Gemeinnützigkeit verpflichtetes Unternehmen fragen, ob es damit seine Gäste noch ernst nimmt.
Große Sorgen muss sich die Geschäftsführung bei Seezeit jedoch nicht machen, denn an der Universität braucht das Studierendenwerk Konkurrenz nicht fürchten: Die einzige Alternative ist derzeit ein mittelmäßiger Asia-Imbiss, dessen Pachtverhältnis die Universitätsleitung, dem Flurfunk zufolge, auflösen möchte – zugunsten von Seezeit. Es wird von einem Abschiedsgeschenk gemunkelt, das der scheidende Rektor dem Mensabetreiber machen will. Ein unmoralisches Geschenk, welches das Monopol zementieren und ein Ende der letzten verbliebenen, kleinen Wahlmöglichkeit bedeuten würde. Die Zahl der Tupperdosen und der Unzufriedenen dürfte damit weiter steigen.
Daniel Färber & Daniel Schröder (Foto: Seezeit)