Schöner Wohnen bei Familie Nissenbaum

Spätestens im Herbst wird die aktuelle Wohnraumnot in Konstanz wieder die Schlagzeilen bestimmen. Wohin mit den StudentInnen, die dann nach halbwegs günstigen Unterkünften suchen? Wohin mit jenen, die mit einem Umzug nach Konstanz liebäugeln, aber sich die hohen Mietpreise nicht leisten können? Es ist ja nicht so, dass es keinen Wohnraum gibt – doch manche Haus- oder Wohnungsbesitzer lassen ihn lieber vergammeln, meist aus Spekulationsgründen.

Runde Tische scheinen zunehmend in Mode zu kommen. Gerade so, als wolle man die heimische Möbelindustrie beglücken. Ob bei der Diskussion um ein Glas- oder Alkoholverbot am Seeufer oder eben beim Thema Wohnungsnot: Ein Runder Tisch gehört mittlerweile zur Grundausstattung bei Problembefriedungen aller Art. Zu einer Verbesserung der Wohnsituation hat er bislang nicht beigetragen.

Eine Villa rottet vor sich hin

Neuhauserstraße 19. Keine schlechte Wohngegend. Das Seeufer liegt um die Ecke, das Quartier zählt zu den besten und begehrtesten Wohngegenden in der Stadt. Hier steht seit Jahrzehnten eine prächtige Villa leer, die der Familie Nissenbaum gehört. Die Fenster sind teilweise mit Billigholz zugenagelt, die Zäune weggebrochen, der große Garten verwildert. Ein seemoz-Besichtigungstermin treibt misstrauische Anwohner vor die Türe. Warum man das Haus fotografiere, wird gefragt. Ja, die Besitzer, so die zögerliche Auskunft, ließen das Gebäude systematisch verrotten, mehr möchte man allerdings nicht sagen, sonst habe man „schnell einen Prozess am Hals“.

Ein architektonisches Kleinod

Das 1910 im Auftrag des Fabrikdirektors Eugen Blank von den bekannten Architekten Friedrich Bauer und Hans Dahme gebaute Haus gilt als Kulturdenkmal. Vor allem Friedrich Bauers Name steht für mehrere herrliche Villen in der Gegend. Bis vor etwa 30 Jahren, so die ehemalige FGL-Stadträtin Inge Egler, habe in der Neuhauserstraße noch eine alleinstehende, alte Dame gewohnt. Mehrmals, so die rüstige Altstadträtin Egler, „habe ich während der letzten Jahre die Stadt darauf aufmerksam gemacht, dass hier ein schönes Gebäude verkommt und man dagegen etwas unternehmen sollte“. Doch immer habe man ihr erklärt, dass da nichts zu machen sei.

Die vergessene Kommission

Vor Jahren schon, damals hieß der Baubürgermeister noch Volker Fouquet, gründete sich eine Kommission, die sich vorgenommen hat, den jeweiligen Zustand der Villa in der Neuhauserstraße 19 regelmäßig zu überprüfen. Doch irgendwann, so FWG-Stadtrat Alexander Stiegeler, der den Verfall des Gebäudes ebenfalls mit Sorge betrachtet, sei diese Initiative wohl eingeschlafen. Auch Frank Mienhardt von der Unteren Denkmalschutzbehörde kann sich nicht erinnern, dass es in jüngster Zeit eine Besichtigung gegeben hätte. Aber des öfteren  habe man den Besitzer auffordern müssen, im Winter zumindest die Fenster zu schließen, um größere Schäden im Inneren des Anwesens zu vermeiden.

Warten bis zum Abriss

Es ist wohl nur eine Frage von wenigen Jahren, bis die Villa nicht mehr zu retten ist. Das dürfte ganz im Sinne des Besitzers sein, der anscheinend nur darauf wartet, bis ein Abriss des Kulturdenkmals unumgänglich sein wird. Alleine der Grundstückswert in dieser Lage dürfte bei einer Million Euro liegen. Als das Zweckentfremdungsverbot noch galt, war es möglich, derlei Spekulationstreiben einen Riegel vorzuschieben. Vermieter konnten dazu gezwungen werden, leerstehenden Wohnraum wieder zu vermieten. Was also tun? Mag ja sein, dass sich Wohnraumsuchende bald der Sache annehmen und die Immobilie instandbesetzen. Runde Tische gibt’s genug.

Autor: Holger Reile