Schonfrist für die Schwarzpappel bis zum 16. Januar
Er hätte längst schon gefällt sein sollen, der sogenannte Turnschuhbaum am Winterersteig. Die mächtige Pappel am Seerheinufer direkt vor dem HTWG-Neubau, die Witzbolde schon vor Jahren mit Turnschuhen geschmückt hatten, steht auf einer Liste von 56 Bäumen, die in diesen Tagen von den Technischen Betrieben (TBK) im Konstanzer Stadtgebiet gefällt werden sollen. Dafür aber hat Fabian Dietrich kein Verständnis – der Schweizer Baumexperte gestern beim Lokaltermin: „Die Pappel ist top vital“.
Die Baumfäll-Aktion der Stadtverwaltung hatte die „Bürgerinitiative Pappelallee“ auf den Plan gerufen, die schon vor drei Jahren gegen den Raubbau an den Tägermoos-Pappeln protestiert hatte. Die rührige Ini-Sprecherin Christel Thorbecke hatte jetzt nicht nur ihre MitstreiterInnen von damals mobilisiert, sondern auch FGL-Stadträtin Gisela Kusche, die immerhin eine Schonfrist für den Turnschuhbaum durchsetzte: Bis zur neuerlichen Diskussion im TUA bleibt der Baum unangetastet – der Technische und Umweltausschuss tagt am 16. Januar, zwei Tage vor dem Konstanzer Gemeinderat, und hat das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt.
Lokaltermin am Winterersteig
Immerhin gut 40 Baumfreunde, darunter verschiedene FGL-StadträtInnen, waren dann auch gestern zum Lokaltermin an den Winterersteig geeilt, um die Überprüfung des Baumes durch den Schweizer Experten (er war auf Einladung der Initiative schon vor drei Jahren im Tägermoos tätig) zu verfolgen. Fabian Dietrichs Urteil stand nach einer halben Stunde fest: Die Schwarzpappel mit einem Stammumfang von über sechs Metern sei „top vital“. Für eine Fällung dieses schützenswerten Baumes (Schwarzpappeln stehen auf der „roten Liste“ des Bundesamtes für Naturschutz) habe er „überhaupt kein Verständnis“, zumal die Pappel eine nur geringe Höhe im Verhältnis zu ihrer Breite aufweise. Allenfalls einzelne Stützmaßnahmen für einzelne Äste seien denkbar, erklärte der Baumexperte aus Bern.
Weitere Aktionen geplant
Diese gewiss nicht überraschende Expertise verleitet die Baumfreunde der Bürgerinitiative zu weiteren Aktionen. Noch vor der parlamentarischen Diskussion im TUA laden Christel Thorbecke und ihre MitstreiterInnen zu einer „Performance rund um den Baum“ ein: Ein Theaterstück soll es geben, sicherlich werden auch Reden geschwungen und Schulkinder sollen singen, sogar von einer „Baumbesetzung“ wird gemunkelt. Zoff also ist angesagt rund um den Turnschuhbaum, doch die Zeit wird knapp: Die Schonfrist für die Schwarzpappel läuft am Dienstag kommender Woche ab.
hpk
„Ein Aufschrei reicht“ – unter dieser kernigen Titelzeile befaßte sich ein Kommentar im Südkurier mit dem Streit um die riesige Pappel am Seerhein und der Empfehlung an die Stadtspitze, auch die „Leisen“ zu hören.
Der Ansatz des Kommentars ist lobenswert, jedoch verwässert der hervorragende Ansatz durch die reißerische Mischung aus guter Sachinformation und der Kritik, daß gehört wird, wer am lautesten schreit.
Ein solches Polarisieren und Reduzieren einer Diskussion führt vom eigentlichen Problem weg und bedarf dringend ergänzender Gedankenansätze:
Der laute Aufschrei der Bürger artikuliert sich notwendigerweise, wenn die Stadtspitze entgegen vollmundigen Versprechungen auf die „Leisen“ nicht hört.
Die Worte Ökologie, Nachhaltigkeit und Bürgerbeteiligung gebetsmühlenhaft und publikumswirksam im Mund zu führen, dann aber die Einlösung dieser Versprechen schuldig zu bleiben, schafft eine Unzufriedenheit, die irgendwann zu einem Grummeln wird und irgendwann zu einem Aufschrei, wenn nichts anderes fruchtet.
Der sogenannte „gewöhnliche Bürger“ zeichnet sich dadurch aus, daß er üblicherweise erstaunlich geduldig und leidensfähig scheint gegenüber dem, was die von ihm beauftragten und bezahlten „Autoritäten“ für ihn oder auch gegen ihn tun.
Der „gewöhnliche Bürger“, auch als „civis vulgaris“ bekannt, bekam 2015 von der Stadtspitze bis zum Überdruß die Ohren vollgejammert von „kranken und alten“ Pappeln.
Ohne Aufschrei etlicher Bürger wären im Tägermoos nicht 41 riesige Pappeln gefallen, sondern 116.
In einem Punkt jedoch erliegt der Redakteur einem völlig falschen Ansatz:
„Es hätte mit Sicherheit noch andere Wege gegeben, als über einen einzelnen Baum… im TUA zu diskutieren“.
Er übersieht hierbei, daß Gefahr im Verzug war: Dieser Baum wäre in der ersten Januarwoche gefallen, wenn nicht ein paar beherzte Bürger eingegriffen hätten, wupp, ab, weg… zu spät.
Jetzt haben dank diesem Weg die städtischen Ohren noch rechtzeitig die Möglichkeit zu hören, was Bürger und externe Baumpfleger denken… wenn sie denn zu hören bereit sein sollten…
Wie vielfach treffend bemerkt, hat diese Riesenpappel entgegen aller städtischer Bedenken dem Sturm Burglind erfolgreich Paroli geboten.
Diese Pappel ist ein mächtiger Baum und damit ein herausragender (!) Stellvertreter für alle andere Bäume auch, die ratzfatz abgesägt wurden und werden, damit sie ja nicht zu Pflegefällen werden.
Insofern geht es mitnichten nur um einen wenngleich riesigen Baum, sondern um einen generell verantwortungsbewußteren Umgang der Stadtspitze mit der Natur.
Ich höre die Stadtspitze und ihre Vertreter zu oft jammern von den Gefahren, die von Bäumen ausgehen, anstatt zu loben, was diese Bäume für die Menschen tun. Diese Pappel wäre auch durch hundert nachgepflanzte Eichen nicht 1:1 zu ersetzen.
SWR Aktuell / Schuhbaum in Konstanz
https://www.swr.de/swraktuell/bw/friedrichshafen/schuhbaum-in-konstanz-schuhe-bringen-glueck/-/id=1542/did=20979758/nid=1542/tbxy2x/index.html
In diesem Beitrag kommen auch Vertreter der TBK zu Wort.
Daß beide Seiten gegensätzliche Interessen haben, ist offensichtlich. Also hängen die TBKler schonmal große Zahlen in den Wind – immer mehr einsparen sollen sie, ihr Dienstherr braucht das Geld woanders.
Daher ist es nicht verwunderlich, daß sie mit einem (bisher nicht verifizierten) Betrag von 25.000.- Euro auf 10 Jahre schonmal vorsichtshalber die Dampfwalze gegen TUA und Gemeinderat aus dem Ärmel ziehen.
Ein externes Vergleichsangebot wird zeigen, ob die Zahl der TBK der Realität standhält.
Tut sie das, wäre zu bedenken, was man stattdessen doch alles Nützliches damit machen könnte:
1x kleines Seilbahn-Gutachten zusätzlich oder
2x Gemeinderatssitzungen im BoFo oder
30% von einem neuen Dienstfahrzeug für Uli oder
0,5% vom schicken Fischgrätbelag auf der Marktstätte oder
20% vom benötigten Startkapital für irgendein neues
Leuchtturmprojekt verbraten…
10% eines neuen Bürgerbeteiligungsprojekts anzahlen, um
anschließend das Ergebnis zu ignorieren…
Ebenso selbstverständlich, wie Konstanzer Kunst und Kultur gepflegt wird, hat auch die Natur ein Recht auf Pflege!
Wenn die Stadtspitze auf diesem Auge blind zu sein scheint, sind ihre Ohren gefordert, wie auch neuerdings vom Südkurier empfohlen.
Franz-Josef Stiele-Werdermann
Letzte Woche bin ich an den Baumstümpfen der abgeholzten Pappeln im Tägermoos vorbeigeradelt. Nochmals mit der Erkenntnis: alle waren gesund!
Die vermutlich einzige Schwachstelle der Bäume war und ist, dass ihre Pflege Geld kostet. Geld, das die Stadt dringender für verpeilte Projekte, wie z.B. das BoFo braucht.
Die Verwaltung und ihr Chef holzen weiter ab!
Vielleicht ist die Neupflanzung eines Bäumchen erstmal billiger oder kann aus einem noch vollen Topf gezahlt werden?
Oder wir sollen uns in der Stadt bei freien Sichtachsen an noch mehr Investitonsarchitektur gewöhnen. Da stört Natur.
In der Stadt, auf umliegenden freien Flächen oder in absoluter Nähe von Naturschutzgebieten wird weiter „verdichtet“. Das einzig bekannte Credo!
Dabei gäbe es, dafür bräuchte es allerdings intelligent-kreative, ökologisch motivierte Entscheidungsträger, die eine menschenwürdige und naturfreundliche, damit zukunftsweisende Stadtplanung initiieren, statt sich BürgerInnenbeteiligung und modischen Marketingsprech auf ihr Fähnchen schreiben!