Schwarze Komödie ums Dellenhau

Gegen den geplanten Kiesabbau im Dellenhau bildet sich eine immer breitere Ablehnungs-Front. Nicht nur von Umweltverbänden, sondern auch parteiübergreifend wird versucht, diese Missachtung nachhaltiger Umweltpolitik zu verhindern. Auch Bürger­initiativen haben sich dagegen formiert, insoweit herrscht allgemeine Einigkeit. Dennoch ist vor einigen, allzu wendigen PolitikerInnen zu warnen, die eine schwarze Komödie aufführen.

Die Auftritte und das Gebaren einiger Singener GemeinderätInnen von CDU (Veronika Netzhammer) und Neuer Linie (Marion Czajor und Dieter Rühland) nehmen indes Züge einer – nennen wir es mal so – „schwarzen Komödie“ an. Wie seemoz bereits berichtete, steht für die Anhänger der schwarzen und neoliberalen Parteien der Schuldige für den geplanten Umweltfrevel fest: die GRÜNEN im Allgemeinen und der frühere Agrarminister Alexander Bonde im Besonderen. Dies war beherrschendes (nicht auf der Tagesordnung angesetztes) Thema bei der Gemeinderatssitzung vergangener Woche. Und die dort vorgetragenen Argumente fanden ihre Wiederholung beim Besuch und Vortrag von Finanzministerin Edith Sitzmann (GRÜNE).

Das Trio Netzhammer/Czajor/Rühland war mit vor Ort. In der an den Vortrag der Ministerin anschließenden Fragerunde (die eigentlich zu Themen der Finanzpolitik gedacht war) ergriff auch die CDU-Fraktionsvorsitzende das Wort und wollte es nicht mehr hergeben. Gute acht Minuten dauerte ihre pathetische Darstellung der Initiative ihrer christlichen Partei zur Rettung des Dellenhau und der Erhaltung unserer demokratischen Grundwerte (MdB Andreas Jung und der jetzt zuständige Landesminister Peter Hauk sollen es richten). Auf den Hinweis auf die begrenzte Zeit und dass es noch andere Wortmeldungen gebe, reagierte sie mit wortreichem Protest (von wegen Recht auf Gehörtwerden, GRÜNER Bürgernähe …), um endlich (!) zur eigentlichen Frage zu kommen, wie es einen „Vertrag“ ohne Ausschreibung geben könne.

Rainer Luick klärt auf

Als anschließend Rainer Luick (Professor für Natur- und Umweltschutz, GRÜNER) den überraschten Zuhörern die erst am Tag zuvor im Planungsausschuss des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee getroffene geschlossene Zustimmung seitens CDU, FDP und Freien Wählern zur Umwidmung des Sicherungsgebiets Dellenhau in ein Vorranggebiet zum Kiesabbau mitteilte (einstimmig dagegen votierten die GRÜNEN und SPD), schwieg indes unsere gute Fee des Dellenhau-Waldes vielsagend, der dieser Beschluss sehr wohl bekannt war. Den schwarz-gelben Entscheidern in den anderen Hegau-Gemeinden sind die Sorgen und Ablehnungsgründe ihrer hiesigen „Abweichler“ demnach schlicht wurscht.

Und dazu schweigt auch unsere lokale Printpresse. Schelte aus der Feder von Singens SK-Lokalchef Torsten Lucht geht dagegen an Martin Schmeding (Bundestagskandidat der GRÜNEN), weil er es wagte, den Theaterdonner der CDU-Frau zu unterbrechen. Nein, das war keine Majestätsbeleidigung. Das ist gute Pflicht eines jeden Moderators von Frage- und Diskussionsrunden. Und dass die ehemalige Landtagsabgeordnete (1996-2011) und seit 1990 amtierende Gemeinde- und Kreisrätin, Mitglied diverser wichtiger Gremien (wie sie immer wieder gern betont), nicht schon deshalb mitverantwortlich gemacht werden könne, weil sie selbst in „grauer Vorzeit an anderer Stelle dem Kiesabbau zugestimmt habe“ – so Lucht in seinem Kommentar – ist gelinde gesagt eine Verniedlichung der Realität.

Kies wird im Hegau seit langen Zeiten abgebaut und auch in die Schweiz exportiert, dass dies nun plötzlich und unerwartet ausgerechnet die CDU echauffiert, ist ein schlechter Witz. Das sollte selbst unsere Heimatpostille merken. Und dass eine landeseigene Tochtergesellschaft, die ForstBW bzw. deren Präsident (Meinrad Joos, CDU), eigenständig Geschäfte abschließen darf, ohne das Einverständnis des übergeordneten Regierungspräsidiums oder gar des an oberster Stelle stehenden Ministeriums einholen zu müssen, dürfte einer so erfahrenen Politikerin auch nicht unbekannt sein – deshalb wurden ja Gesellschaften in dieser Form ermöglicht (vgl. Singens GVV!).

Dekret von oben

Drehen wir die Zeit um genau ein Jahr zurück: Nicht der Dellenhau, sondern die Shoppingmall war seinerzeit das große Thema. Und stellen wir uns jetzt einfach mal vor, das Regierungspräsidium oder gar ein Minister (GRÜN vorzugsweise) hätte den Konsum-Wahnsinn einfach so aus ökonomischen, ökologischen, verkehrstechnischen und sozialen Gründen gestoppt? Ein Aufschrei wäre durch die Stadt gegangen (ja schon klar, nicht nur seitens CDU und FDP, auch SPD und so manche GRÜNE hätten mit lamentiert) und die allseits gefürchtete „Ökodiktatur“ wäre mal wieder heraufbeschworen worden. Auf das Recht kommunaler Selbstverwaltung hätte man gepocht, und „von oben“ hätte sich da gefälligst niemand einzumischen …

Auch das Wehklagen der CDU zum Rohstoff-Export in die Schweiz mutet äußerst befremdlich an, zählt diese Partei doch zu den allerbesten Freunden und glühenden Verfechtern aller Freihandelsabkommen (nicht nur CETA und TTIP). Deren Vorteile liegen bekanntlich nicht nur darin, subventionierte Waren in andere, ärmere Länder zu exportieren und damit vielfach deren Binnenwirtschaft zu zerstören, sondern vor allem, deren Vorkommen an Rohstoffen auszubeuten, indem diese einfach zu Handelswaren erklärt werden und so von reichen Industrieländern zu billigen „Weltmarktpreisen“ importiert werden können.

Die in den betroffenen Ländern verursachten irreparablen Umweltschäden interessieren die PolitkerInnen der christlich-demokratischen Partei bislang herzlich wenig, im Hegau so wenig wie bundesweit. Pech aber, wenn man nun selbst auf der Seite der geschädigten Verlierer stehen soll statt wie gewohnt auf der Gewinnerseite und merken muss, dass ein Umweltskandal vor der eigenen Haustüre geplant ist (noch dazu mit Zustimmung von Kollegen der eigenen Partei!).

Die schwarze Partei als Schutzpatronin der Natur?

Andreas Jung, der smarte Bundestagsabgeordnete des Kreises Konstanz, soll nun also beim jetzigen CDU-Agrarminister im Landtag richten, was die GRÜNEN versaubeutelt hätten. Passt doch bestens in Zeiten des Bundestagswahlkampfes, wo man das eigene, für ewige Zeiten sicher geglaubte Landtagsmandat 2016 an die GRÜNE Partei verloren hat. Passt auch, weil MdB Jung sich nur zu gern als Schwarzer mit Öko-Touch gibt. Versprach er doch hier sein Nein zu Fracking, um dann in Berlin brav mit seiner Partei dafür zu stimmen. Irgendwie absurdes Theater …

Kommt dieses Stück „Ablenkungsmanöver“ vielleicht nur deshalb zur Aufführung, weil Singen vor Jahren beschlossen hat, keine weiteren Flächen in Überlingen a.R. zur Verfügung zu stellen, wohl wissend, dass die im Teilregionalplan „Oberflächennahe Rohstoffe“ des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee vorgesehenen und genehmigten Abbauflächen und -volumen noch nicht ausgeschöpft waren? Hielt man die Möglichkeit, den weiteren Kiesabbau auf Singener Gemarkung aus privatrechtlichen Gründen scheitern zu lassen, für einen besonders cleveren Schachzug, nur um jetzt festzustellen, dass die andere Seite heute ebenso clever kontert?

Da möchte man rufen: „Wacht auf“ … nein jetzt nicht „alle Verdammten dieser Erde“, und bitte auch nicht ihr keltischen Geister in eurem Dellenhauer Hügelgrab … aber alle BürgerInnen der betroffenen Hegau-Gemeinden. Bleibt bei Eurem Widerstand und erhöht Euren politischen Druck gegen einen Kiesabbau im Dellenhau. Aber lasst Euch dabei nicht von einigen besonders lautstarken Wortführern der hiesigen, seit jeher alle wichtigen kommunalen und regionalen Gremien dominierenden C-Partei ver…gesäßen.

Oder stellt euch vor, Häuptling Winnetou (ein echter Roter!) würde durch unseren wunderschönen Hegau reiten und vom Hohentwiel im Abendlicht auf den Dellenhau blicken. Auf die Frage nach der Zukunft dieses wertvollen Naherholungsgebietes kämen über seine Lippen die weisen Worte: „Nehmt Euch in Acht – Schwarze Partei spricht mit gespaltener Zunge.“

Fritz Murr
(pardon, liebe Hegauer, als Zugezogener habe ich mehr Karl May als Scheffel gelesen)