Seeligers schwieriger Spagat

Starten die Grünen in Konstanz mit Seeliger einen neuen Aufbruch? Oder steht ihre OB-Kandidatur für eine Rückbesinnung auf längst vergessene Positionen der Grünen? Fest steht: Mit Sabine Seeliger kehrt eine Grüne auf die politische Bühne zurück, die mit der „Nicht-Öffentlichkeit“ in der Stadtpolitik aufräumen will. Und damit spricht sie der grünen Basis aus dem Herzen, wie ihr beeindruckender Wahlsieg bei der Nominierung zeigt.

Mit 28 von 42 Stimmen hat die Freie Grüne Liste (FGL) Sabine Seeliger als Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl am 1. Juli nominiert. Ihre Mitbewerberin Christiane Kreitmeier kam auf 14 Stimmen (seemoz berichtete). Die langjährige FGL-Stadträtin wurde damit offensichtlich auch abgestraft für von ihr mitgetragene Abstimmungen der FGL-Fraktion – zur Sprache kam die mehrfache Zustimmung zum Katamaran und die Entscheidung für ein Glasverbot. Beides findet bei der FGL-Basis offenkundig keine große Zustimmung.

Pluspunkt: Ehrlichkeit

Bei der Diskussion um den Katamaran offenbarte sich übrigens einer der Pluspunkte für die Politik- Wieder-Einsteigerin Seeliger (seit 04 nicht mehr im Gemeinderat, seit 09 nicht mehr im Kreistag): Ihre Aufrichtigkeit. Unumwunden gab sie zu, bei der ersten Abstimmung dem Katamaran-Start zugestimmt zu haben, ebenso ehrlich aber gab sie auch ihre gegenwärtige Ablehnung zu Protokoll. Ob solche Ehrlichkeit allein für den von ihr geforderten „neuen Politikstil“ ausreicht, bleibt abzuwarten.

Ihr Plädoyer für mehr „Bürgernähe und Transparenz“ immerhin kam durchaus glaubwürdig rüber, als sie ankündigte, neue Möglichkeiten der neuen Medien stärker zu nutzen. So regte sie an, via Internet die Diskussion mit den Bürgern zu suchen: Wenn sich auf einem Forum genügend Bürgerstimmen für ein Thema fänden, sollte diese Frage auch Gegenstand der Stadtpolitik werden.

Auch zur Energiewende gerade bei städtischen Liegenschaften präsentierte die promovierte Biologin, die zeitlebens im Energiesektor arbeitete, neue Ideen. Und natürlich beim „Leidensthema“ Verkehr: Mehr Vernetzung aller Verkehrsmitel, mehr P+R, mehr Carsharing, Ausbau des ÖPNV, aber keine „Denkverbote“. Nach ihrer Einschätzung habe das Auto ohnehin an Anziehungskraft gerade bei der Jugend verloren („denen ist ein neues iphone wichtiger als ein neues Auto“) – auf solche Veränderungen müsse die städtische Verkehrspolitik reagieren.

Minuspunkt: Soziales

Die Themen Sozialpolitik – da fiel Seeliger gerade mal die familiengerechte Ausstattung der Arbeitsplätze bei der Stadtverwaltung ein – und Wohnungspolitik kamen insgesamt in der Nominierungsrunde der Grünen zu kurz. Kein Wort beider Kandidatinnen zur studentischen Wohnraumnot, kaum ein Wort zum sozialen Wohnungsbau, der Wohnraum gerade für Geringverdiener schaffen sollte. Aktuelle städtische Probleme, wie z.B. der umstrittene Bau eines Studentenwohnheimes in der Chérisy, wurden nicht einmal angeschnitten.

Aufhorchen ließ die Diskussion, als es um Fragen ging, die in die Amtszeit des neuen OBs fallen. Die angedachten Aktionen der Konzilfeierlichkeiten 2014-18 hält Seeliger für „überschätzt“ und warnt vor „Peinlichkeiten“; ein Glasverbot derzeitiger Ausprägung würde es mit ihr wohl auch nicht geben, denn sie warnt „vor pauschalen Verboten“, eine Klinikfusion im kommunaler Verantwortung befürwortet auch sie.

Was bleibt nach dieser Nominierungsrunde im Seerhein-Restaurant? Eine attraktive Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl mit einigen Schwachstellen, aber immerhin mit heimischen Wurzeln. Wenn man sich erinnert: Der einstmals grüne Horst Frank wurde 1996 von einem damals noch konservativeren Wahlvolk vor allem deshalb gewählt, weil er Konstanzer war. Auswärtige KandidatInnen hatten es hierzulande schon immer schwer. Keine schlechten Aussichten also für Sabine Seeliger.

Autor: hpk

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