Sicher feiern in Konstanz – ist das möglich?

Bereits seit längerer Zeit wird über unterschiedlichste Wege zunehmend Kritik am Konstanzer Nachtleben laut. Es wird diskriminierendes und übergriffiges Verhalten publik gemacht, das Feiernden sowohl von Securities als auch von anderen Gäst*innen und Veranstalter*innen entgegengebracht wird. Das Mahagoni Kollektiv aus Konstanz zielt darauf ab, dem eine Alternative entgegenzustellen. Im Interview erzählen Awareness-Beauftragte Samira Jani (sie/ihr) sowie Vorstandsmitglieder Nico Reich (er/ihm) und Paul Leib (er/ihm) von ihren Erfahrungen wie Zielen als Ehrenamtliche in der Veranstaltungsbranche.

Dieser Artikel thematisiert diskriminierendes Verhalten im Nachtleben gegenüber unterschiedlichen Personengruppen, teilweise auch mit expliziten Schilderungen.

Neben dem Mahagoni Kollektiv weisen auch zahlreiche andere Organisationen auf sexistisches, queerfeindliches, rassistisches, ableistisches1 und anderweitig diskriminierendes Verhalten in Konstanzer Clubs hin. Dabei werden besonders häufig das Grey, das Berrys und die Kantine, aber auch das Poly Areal, der Kulturladen (kurz Kula), der Horst Klub in Kreuzlingen und das Contrast genannt.

Unter dem Slogan „Rassismus vor den Club-Türen in Konstanz?“ zeigten die Jungsozialist*innen (Jusos) Konstanz sowie die Grüne Jugend Konstanz vergangenen Sommer rassistische Übergriffe auf Feiernde von Seiten der Türstehenden auf. Im Rahmen einer Aktion des Feministischen Antifaschistischen Kollektivs (FAK) aus Konstanz beschäftigten diese sich zudem spezifisch mit Übergriffen gegenüber Frauen und queeren Menschen in Konstanzer Clubs. In einer Stellungnahme berichtet die Initiative von zahlreichen Übergriffen, die ihnen auf einen Instagram-Aufruf hin zugesendet worden seien. Sie schließt mit folgendem Fazit: „[Wir] erhielten explizite Schilderungen von Fehlverhalten der Security, womit sich entsprechende Gerüchte bestätigten. Außerdem ergänzten sich [unsere] eigenen Erfahrungen um die von weiteren Betroffenen und ihren Gefühlen, in Konstanz nicht ohne Sorgen feiern gehen zu können.“

Auch alle drei Mitglieder des Mahagoni Kollektivs können von diskriminierenden Erfahrungen gegenüber ihnen selbst oder Freund*innen berichten. So erzählt Paul: „Ich habe mich, zum Beispiel, vor ein paar Jahren um eine Austauschstudentin aus dem Iran gekümmert. Dann sind wir ins Grey gegangen und sie wurde an der Tür zunächst abgewiesen aufgrund ihrer Herkunft und dann erst nach einiger Diskussion doch noch in den Club gelassen. Das sind so unschöne Situationen, die nicht sein müssen und dürfen.“ Zu weiteren Vorfällen gehören beispielsweise sexualisierte wie rassistische Gewalt, das Rausschmeißen von homosexuellen Paaren aus Clubs, weil diese sich küssten, oder das Einsetzen von K.O.-Tropfen. Samira ergänzt: „Es gibt auch viele sexistisch beworbene Veranstaltungen. Gerade im Berrys liest man das und denkt, das ist Satire. Auch sehr viel Pinkwashing4, gerade um die Zeit des Christopher Street Days. Das ist echt sehr traurig und schade.“

Warum gibt es so viel Diskriminierung in Clubs?

Bei all diesen Berichten handelt es sich keinesfalls um Einzelfälle. Diskriminierendes Verhalten an Clubtüren, aber auch im Innenbereich von Clubs, gehört zum Alltag für ohnehin schon marginalisierte Personengruppen wie beispielsweise Personen of Color, Menschen mit Behinderung, Finta*2 oder Menschen mit queerer3 Sexualität. Das sieht auch Samira so: „Es gibt viele Clubs, wo man immer wieder etwas von sehr diskriminierender Türpolitik mitbekommt, aber auch von Diskriminierung in der Veranstaltungsstätte. Das ist sehr sichtbar.“

Die Gründe für die zahlreichen Diskriminierungsvorfälle in Konstanzer Clubs dürften dabei vielseitig sein. Samira erläutert: „Ich denke, da fehlt es auf jeden Fall an Bewusstsein. Die Menschen sind nicht sensibilisiert und es fehlt die Aufklärung darüber. Ich glaube auch, dass das ein Zusammenspiel von Stereotypen, veralteten sozialen Normen und patriarchalen Strukturen ist. Auf einen Nenner kann man all die Komponenten nicht bringen, sondern das ist ein Zusammenwirken aus dem Ganzen.“ Konkret sind sich Paul, Nico und Samira einig darin, dass die Ausbildung der Türstehenden eine große Rolle spielt, da darin Sensibilisierung und Aufklärung für Diskriminierung und Marginalisierung häufig nicht thematisiert werden.

An diesem Punkt setzt auch das FAK an und schreibt: „Da [in den zugesendeten Erfahrungsberichten] auch immer wieder Security-Mitarbeitende zur Sprache kamen, sollte hier ein weiteres Augenmerk gelegt werden: Welche Firmen wurden von den Clubs engagiert und welche Veränderungen sind hier erforderlich, um ein richtiges Eingreifen der Security zu gewährleisten, aber auch zu verhindern, dass sie selbst Täter[*innen] von beispielsweise sexistischen Übergriffen werden.“ So betont das Kollektiv die Verantwortung der Club-Betreibenden, auf Kritik einzugehen und Konzepte zu erarbeiten, um sichere Räume für alle zu gewährleisten.

Samira geht noch einen Schritt weiter: „Klar, einmal kommt es darauf an, ob die Clubbetreibenden [der Diskriminierung] entgegenwirken. Aber wenn das nicht der Fall ist, dann ist das Security-Personal auf seine Ausbildung angewiesen. Wenn darin aber keine Schulungen passieren, dann wird das auch nicht nach vorne an die Tür getragen.“

Wie wird dem entgegengewirkt?

Aus all diesen Wortbeiträgen wird deutlich, dass die Gründe für die Häufung von diskriminierenden Übergriffen in der Konstanzer Clubszene vielschichtig sind und nur schwer separiert werden können. Während die strukturellen Hintergründe wie Normen und patriarchale Strukturen nur schwer von heute auf morgen abgeschafft werden können – so schön das auch wäre –, gibt es dennoch einige Möglichkeiten, gegen diese Übergriffe anzuwirken.

So entstehen in unterschiedlichen Veranstaltungsstätten derzeit Awareness-Teams, also Gruppen von Personen, die Konzepte erarbeiten, um Veranstaltungen für alle Menschen möglichst sicher zu gestalten und diese dann auch vor Ort umsetzen. Damit soll gezeigt werden, dass an diesen Orten kein Platz für diskriminierendes Verhalten gegenüber jeglichen Personengruppen ist. Zu diesen Veranstalter*innen gehören das Labor, der Horst Klub, das Contrast und auch das Mahagoni Kollektiv. Aus der Stellungnahme des FAKs geht außerdem hervor, dass auch das Studierendenparlament der Universität Konstanz Verträge mit dem Grey gekündigt hat und dass die Hochschulgruppe Links-Grüne-Liste (LGL) derzeit ein Awareness-Konzept für Partys von der Universität erarbeitet.

Was macht das Mahagoni Kollektiv denn nun anders?

Das Mahagoni Kollektiv an sich ist ein gemeinnütziger Verein in Konstanz, der Menschen durch Musik, Kunst und Kultur zusammenbringen möchte. „Wir wollen im Wesentlichen einen Raum schaffen, in dem Freude geteilt werden kann. Einen Raum, der inklusiv ist und Gemeinschaft, Musik und Kultur fördert“, so Samira. Das Kollektiv sei offen für alle Menschen, egal ob als Gäst*innen oder aktive wie passive Mitglieder. Nico ergänzt: „Das Erlebnis vom Event fängt für uns bei der Clubtür an und hört bei der eigenen Haustür auf. Diesen Raum und diese Zeitspanne sicher zu gestalten und das Maximum rauszuholen – das sind die Sachen, für die wir brennen.“

Um dies umzusetzen, stellt das Kollektiv auf seinen Veranstaltungen eigene Sicherheitsteams sowie Awareness-Teams, die beide auch in ständigem Kontakt miteinander stehen und zusammenarbeiten. Genau dieser Punkt stellt aber auch eine der größten Herausforderungen dar: „Das ist eine große Problematik, weil wir am Anfang mit externen Firmen zusammenarbeiten mussten, was die Sicherheit angeht, und die haben die Awareness-Teams gar nicht akzeptiert. Dann konnten wir auch keine stellen.“ Zum Awareness-Konzept des Mahagoni Kollektivs gehört auch, dass Plakate in den Veranstaltungsstätten verteilt werden, die auf Codewörter und Wege, das Team zu erreichen, aufmerksam machen sowie grenzüberschreitendes Verhalten klar als solches benennen. So gebe es beispielsweise eine Handynummer, die angerufen oder per Whatsapp angeschrieben werden könne, und über die dann direkt Hilfeschritte eingeleitet würden. Außerdem seien Schulungen für das Awareness-Team geplant, zum Beispiel bei Nachtsam.

Insgesamt sei die Awareness-Arbeit eine sehr selbstreflektive Arbeit. So berichten alle drei, dass sie ständig Gespräche führten, sich selbst und ihr Konzept hinterfragten und immer weiter an sich arbeiteten, um irgendwann möglichst allen eine sichere Veranstaltung bieten zu können. Nico betont dazu: „Ich glaube aber auch, dass es eine sehr positive Auswirkung hat, allgemein nur Präsenz zu zeigen.“ Das spiegelt sich auch in den Reaktionen der Gäst*innen auf das Awareness-Team wider. Zwar sei dieses bislang noch kaum bei übergriffigen Situationen alarmiert worden, dafür seien aber viele Menschen auf die Awareness-Beauftragten zugekommen und hätten positives Feedback gegeben oder Unterstützung angeboten. „Das war voll das schöne Gefühl“, erzählt Samira glücklich.

Ein Positivbeispiel im Pool des diskriminierenden Konstanzer Nachtlebens

Eine Schwierigkeit für das Awareness-Team sei es aber, Leute zu finden. „Im Nachtleben zu arbeiten, ist sowieso schon schwer, aber dann ist es auch nochmal eine besondere Art von Aufmerksamkeit, die du in die Nacht legen musst“, so Samira. Gleichzeitig beschreibt Nico das Kollektiv als eine Gruppe von Freund*innen, die ein gemeinsames Projekt umsetzten und sich gegenseitig bei allem unterstützen würden. Nico, Paul und Samira blicken alle drei zuversichtlich in die Zukunft. „Ich weiß noch, bei einem Interview Ende letzten Sommers haben wir gesagt, dass wir von einer Räumlichkeit träumen würden […] und schaut mal, im nächsten Interview sitzen wir drin. Das ist crazy“, so Nico. „Ich bin gespannt, wo dieses Projekt unter Freund*innen hinführt“, schließt Paul.

Durch seine selbst-reflektive Arbeit stellt das Mahagoni Kollektiv ein Positivbeispiel für das ansonsten stark exklusive Nachtleben in Konstanz da und ermöglicht immer mehr Menschen einen sicheren Zugang zu Veranstaltungen in der Konstanzer Clubszene. Und genau so muss es auch sein: Die massive Diskriminierung in der Konstanzer Clubszene seitens Securities, Gäst*innen und Veranstaltenden kann und darf nicht geleugnet werden. Momentan können nur bestimmte Personengruppen sicher in Konstanz feiern. Das zu verändern, mag Zeit brauchen, es ist sicher nicht einfach und erfordert einen ständigen Umgang mit Kritik – aber das ist es wert!

Autor*in: Connie Lutz
Bildrechte: UNFOGYOU

Bildbeschreibung für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen: Das Bild zeigt 2 DJs von hinten, die an einem Mischpult leicht erhöht über einer Menge tanzender Menschen stehen. Das Scheinwerferlicht wirft helle Lichtstreifen. Insgesamt zeigt das Bild eine Partyszene auf einer Mahagoni Veranstaltung im Kula.

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Im Text werden einige Begrifflichkeiten erwähnt, die möglicherweise noch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. An dieser Stelle dazu einige Erklärungen:

1 Ableistisch: Unter „ableistischem Verhalten“ beziehungsweise „Ableismus“ wird diskriminierendes Verhalten gegenüber Menschen mit Behinderung verstanden, das aufgrund genau dieser Behinderung gegen diese gerichtet wird.

2 Finta*: Der Begriff „Finta*“ ist ein Sammelbegriff für Frauen, Inter, nicht-binäre, trans* und ageschlechtliche Personen. Er wird häufig verwendet, um auszudrücken, wer in bestimmten Räumen willkommen ist. Die einzelnen Akronym-Bestandteile werden beispielsweise hier erklärt.

3 Queer: Unter diesen Begriff queer fallen alle Menschen, die sich von cis-Geschlechtlichkeit, also der Identifikation mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht und/oder Heterosexualität, also einer Sexualität, die zwischen cis-Mann und cis-Frau besteht, abgrenzen.

4 Pinkwashing: „Pinkwashing“ beschreibt das Labeln beispielsweise von Produkten, Marken oder Logos mit LGBTQIA+ Symboliken, um möglichst reichweitenstark viel Profit zu erzeugen – und nicht etwa aus gelebter Solidarität mit queeren Menschen.