„Sie laufen Gefahr, sich binnen 10 Jahren abzuschaffen“

(red) Heftiger Gegenwind bläst dem Südkurier ins Gesicht, seit die Verlagsleitung der AfD mittels einer Beilage Wahlkampfhilfe leistete. Eine von den Geschäftsführern des Medienhauses als Reaktion veröffentlichte Stellungnahme konnte die Wogen nicht glätten, im Gegenteil. Wird doch darin etwa fälschlich behauptet, die Zeitung sei aus Gründen einer herbeiphantasierten Neutralitätspflicht quasi verpflichtet, auch Wahlwerbung Rechtsextremer zu veröffentlichen. Der dreiste Rechtfertigungsversuch hat unsere Autorin Franziska Spanner bewegt, den Verantwortlichen zu schreiben.

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich muss Ihnen sicher nicht noch einmal ausführlich darlegen, was ich davon halte, dass Sie jedem Konstanzer Haushalt, der entweder SK und/oder Anzeiger hat, Wahlwerbung der AfD haben angedeihen lassen. Meine Vorschreiber*innen haben dies bereits hinlänglich getan.

Erlauben Sie mir nun, „konstruktiv“ im Sinne Ihrer aktuellen Stellungnahme zu werden.

Ein Großteil meines Umfelds (unter 30, Akademiner*innen) liest den Südkurier nicht oder nur, weil es keine andere Möglichkeit gibt, halbwegs umfassende Lokalnachrichten zu erfahren. Mit Aktionen wie der AfD-Wahlwerbung, der Hetzkampagne gegen Luigi Pantisano oder dem Ausschluss Antje Behlers von ihrem ‚elitären‘ Podium zur Landtagswahl punkten Sie bei dieser Zielgruppe, die in einer Universitätsstadt m.E. enorm wichtig ist, kein bisschen.

Ganz im Gegenteil – Sie verleihen Ihrem ohnehin angegrauten Blatt, das man allein ob der zahlreichen Rechtschreibfehler nur schwerlich ernst nehmen kann, den Todesstoß. Sie laufen Gefahr, sich binnen 10 Jahren abzuschaffen.

Von Ihrer Seite heißt es diesbezüglich immer, der Print-Journalismus sei am Aussterben. „Die jungen Leute“ läsen eh nur online und daher gehe Einrichtungen wie der Ihren das Geld aus. Überlegen Sie doch mal, warum das so ist! Das liegt nämlich keinesfalls an der jungen Generation und Ihren Präferenzen für Informationsquellen. Sie klammern sich verzweifelt an Ihre vermeintlich reaktionären 70+ -Abonent*innen, die selbstverständlich wichtig sind, aber schon rein rechnerisch nicht langfristig die Zukunft Ihrer Institution sichern werden.

Mit der Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts und der geschickten journalistischen Verhinderung gesellschaftlicher Veränderung tun Sie noch Ihr Übriges dazu. Dass Sie Ihr Fehlverhalten unter das kuschelige Deckmäntelchen der ‚politischen Neutralität‘ stellen, schlägt dem Fass den Boden aus. Die von Ihnen zunächst ins Feld geführte Behauptung, Sie seien rechtlich zur Neutralität verpflichtet, ist schlicht falsch. Dass Sie sich realiter gegen politische Neutralität entschieden haben, zeigt die Entscheidung hinsichtlich des Landtagswahl-Podiums – ich darf Sie daran erinnern, dass Sie bei der letzten Landtagswahl noch beschlossen, die AfD trotz Nicht-Repräsentation im Landtag einzuladen. Dies deutet vielmehr auf eine politische Präferenz rechtsradikaler Parteien.

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Mein Rat: Anstatt krampfhaft für Abonent*innen zu schreiben, deren Abonnement in absehbarer Zeit endet, machen Sie sich Gedanken darüber wie Sie neue und zukunftsfähige Zielgruppen erreichen. Das wäre mal eine sinnvolle Investition!

Mit antifaschistischen Grüßen,
Franziska Spanner

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