Sie sind gekommen, um zu bleiben

Am Samstag besetzten AktivistInnen ein leerstehendes Haus in der Markgrafenstraße und wollen es selbstverwalten. Neben einem offenen Café sowie einem Infoladen soll in den oberen Etagen Wohnraum entstehen, der offen für alle ist. Die Nachbarschaft wollen die InstandbesetzerInnen dabei ausdrücklich einbeziehen. Das Ziel ist, ein Zeichen gegen den Mietwahnsinn in Konstanz zu setzen, besonders den Zynismus, dass es Obdachlosigkeit bei gleichzeitigem leerstehendem Wohnraum gibt.

Wie bereits auf seemoz berichtet wurde, besetzten gestern AktivistInnen in der Markgrafenstraße ein seit knapp zehn Jahren leerstehendes Haus. Gegen Mittag versammelten sich weitere AktivistInnen vor Ort, bevor kurz darauf auch die Polizei mit großem Aufgebot kam, um sich ebenfalls ein Bild von der Lage zu machen. Obwohl die PolizistInnen die Situation fotografisch dokumentierten und versuchten, eine zuständige Person ausfindig zu machen, blieben die AktivistInnen ruhig und friedvoll. Man sei nicht darauf aus, Krawall oder Unruhe zu stiften, sondern wolle friedfertig mit der Nachbarschaft leben.

Am Nachmittag wurde ein Programm aufgesetzt, welches mit einem Live-Konzert eingeleitet und später mit einem öffentlichen Plenum beendet wurde. Die zwei Menschen, die für die Live-Musik zuständig waren, zeigten sich solidarisch mit der Besetzung, derweil ihre Songs die antikapitalistische Stimmung untermauerten. Den Dialog mit den NachbarInnen nahmen die AktivistInnen soweit möglich ebenfalls auf, denn es sei das Ziel, diese mit einzubeziehen. In dem besetzten Haus soll mittelfristig ein autonomes Café sowie ein Infoladen entstehen. Alle seien eingeladen, daran mitzuwirken, besonders die NachbarInnen. Ähnlich soll mit den oberen Stockwerken verfahren werden, die als Wohnraum dienen sollen.

Die atmosphärische Stimmung sei positiv, beschrieb gestern ein Beteiligter die Lage. So hätten sich etwa ältere Menschen aus der Nachbarschaft offen für die Aktion gezeigt und spontan Eis und Musik angeboten. Den solidarischen Charakter der Besetzung unterstrich die Vereinbarung, ab 22 Uhr keine laute Musik mehr zu spielen, um die Nachtruhe der Nachbarschaft nicht zu stören.

Mehrere AnwohnerInnen zeigten sich denn auch solidarisch mit der politischen Aktion. Weil die Besetzung äußerst gewaltfrei und friedvoll von statten gegangen war, trotz der permanenten Präsenz der Polizei, wurde auch das Bild eines vermeintlich gewalttätigen „Schwarzen Blocks“ konterkariert, der bedingt durch das bürgerliche Narrativ mit linken AktivistInnen in Verbindung gebracht wird.

Der Eigentümer des Hauses habe seit Jahren kein Interesse daran, irgendetwas zu unternehmen, so einer der BesetzerInnen, dennoch blockiert er Vorhaben von Interessierten, die das Haus kaufen wollten. Dass sich etwas tut, sei auch im Interesse der AnwohnerInnen, sagte er in Hinblick auf den überschwemmten Keller, der auch für die AnwohnerInnen problematisch ist. Anstatt das Haus verfallen zu lassen sei das Ziel nun, es autonom und solidarisch selbst zu organisieren unter Einschluss der NachbarInnen, besonders der Wohnraum in den oberen Etagen sei für alle offen.

Wie die AktivistInnen vorgehen wollen, wenn es zu einer Zwangsräumung oder anderer staatlicher Gewalt kommt, wurde gestern im laufenden Plenum diskutiert. Die Polizei indes betonte, deeskalierend zu sein, stellte jedoch auch klar, dass eine Entscheidung auf höherer Ebene gefällt werden sollte. Dass das Projekt in der Markgrafenstraße kein Dauerzustand sei, sollte allen klar sein, so die BeamtInnen. Davon sind die AktivistInnen freilich nicht überzeugt, denn sie sind gekommen, um zu bleiben.

E. Nowak (Foto: grafi.noblogs.org)


18.07.20 | Leerstehendes Haus in Konstanz besetzt
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