Sieht so Ihre Aufklärung aus, Herr Kretschmann?

„Sorgen Sie für Aufklärung, Herr Ministerpräsident” – so hatte seemoz am 17.8.2011 einen Bericht überschrieben, in dem von Jochen Kelters Protest in Stuttgart die Rede war. Der Schriftsteller aus Ermatingen erinnerte in seinem Offenen Brief an die Bespitzelungen aus gar nicht so fernen Zeiten der Berufsverbote und forderte Aufklärung von einer Regierung, die Offenheit und Bürgernähe verspricht. Jetzt, nach eineinhalb Jahren (!), kam Antwort. Und die befriedigt Jochen Kelter nicht

„Ich finde nicht, dass man sich mit den Belehrungen über die Pflichten eines Landesbeamten und der Anspielung auf mögliche Überreaktionen der Landesregierungen in den 70er und 80er Jahren zufrieden geben kann“, gibt sich Kelter (s. Foto) enttäuscht. Und tatsächlich wäre von einem Ministerpräsidenten, der einst als Mitglied des Kommunistischen Bunds Westdeutschland (KBW) wohl selber auf der Liste des Verfassungsschutzes stand, eine verständnisvollere, eine sensiblere Antwort wünschenswert gewesen – von wohlmeinenderen Reaktionen wie Wiedergutmachung oder Rehabilitierung ganz zu schweigen.

Stattdessen bürokratisch-staatstragende Sätze wie diese: „Es ist deshalb nachvollziehbar, dass der Staat bei Zweifeln an der Verfassungstreue eines Bewerbers oder einer Bewerberin eine Überprüfung vornimmt, wie er bei Zweifeln an der Verfassungstreue eines Bewerbers oder einer Bewerberin eine disziplinarrechtliche Prüfung einleitet.“ Oder: „Wir müssen uns darauf verlassen können, dass die ‚Staatsdiener‘ … nicht die Grundordnung, für die sie eintreten müssen, in Frage stellen…“. Wohlgemerkt: Es ging bei den damaligen Überprüfungen von Kelter, womöglich auch von Kretschmann und anderen nicht um staatsfeindliche Aktionen, sondern um Aktivitäten im AStA oder in Anti-Vietnam-Komitees.

Ein schwacher Trost kann deshalb auch nur die Ankündigung der Stuttgartern Staatskanzlei sein, man wolle „den 40. Jahrestag des sogenannten Radikalenerlasses zum Anlass nehmen, die Vorgehensweise und den Umgang mit den damaligen Regelungen zur Prüfung der Verfassungstreue von Beamtinnen und Beamten in Baden-Württemberg, und dabei auch die bis 1991 gängige Praxis, anhand der sogenannten Regelabfrage jede Bewerberin und jeden Bewerber durch das Landesamt für Verfassungsschutz überprüfen zu lassen, wissenschaftlich aufzuarbeiten….Bei der Aufarbeitung wollen wir auch die Erfahrungen unmittelbar Betroffener einbeziehen“.

Ob dann auch Jochen Kelters Erfahrungen „einbezogen werden“? Oder anderer Betroffener in der Bodensee-Region? Oder, ganz bescheiden, auch meine (die allerdings wurden in einem anderen Bundesland mit jedoch ähnlich rigiden Mitteln ermittelt)? Man darf gespannt sein auf Phase zwei der Aufklärung à la Kretschmann.

Autor: hpk

Weitere Link:
Jochen Kelter wartet seit Monaten auf Antwort
“Sorgen Sie für Aufklärung, Herr Ministerpräsident”