Siemens-Areal: Chance leichtfertig vergeben

Die Stadt möchte ihr Vorkaufsrecht für das Siemensareal nicht wahrnehmen, entschied eine überwältigende Mehrheit des Gemeinde­rates. Die Linke Liste plädierte als einzige dafür, das Gelände zu erwerben und es mit anderen Partnern selbst zu entwickeln. In der ver­spä­te­ten Berichterstattung des Südkurier war über die Begründung der LLK nichts zu lesen, sie wurde einfach verschwiegen. Zumindest die seemoz- LeserInnen sollen wissen, welche Argumente vorgetragen wurden.

„Ihre salbungsvollen Vorreden, vordergründig lauteren Absichten und Erläuterungen in Ehren: Unserer Meinung nach wäre es durchaus vertretbar, dass die Stadt das Areal erwirbt und dort überwiegend und nicht nur in einem mageren Umfang sozialen Wohnungsbau vorantreibt. Leider aber sieht es so aus, dass sich dieses Gremium mehrheitlich dafür entscheiden wird, das Vorkaufsrecht nicht in Anspruch zu nehmen. Das halten wir für einen Fehler. Auch wenn der Kaufpreis hoch ist, er sollte es uns wert sein, wenn wir Ernst genommen werden wollen bei unserer Absicht, Konstanz nicht nur als Spielwiese für Besserverdienende auszuweisen.

Oft schon war bei umstrittenen Projekten wie dem Konzerthaus und anderen Vorhaben die Rede von einer „großen“ oder sogar einer „Jahrhundertchance“. Mit Übertreibungen sollte man vorsichtig umgehen, aber im Fall des rund 70 000 Quadratmeter großen Gebiets an der Bücklestraße wäre diese Bezeichnung durchaus angebracht, wenn man dementsprechend handeln würde.

Könnte heißen: Die Stadt erwirbt das Gelände, holt sich Partner wie die Wobak und auch einige andere mit ins Boot und sorgt dafür, dass ein neues Viertel gebaut wird, in dem Wohnraum auch für jene zur Verfügung steht, die angesichts der grassierenden Wohnungsnot keinen Platz mehr finden in unserer Stadt. Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit – in Eigenregie – alternative Wohnmodelle unterschiedlichster Art in Gang zu setzen und ein kleines Quartier zu schaffen, in dem die soziale Komponente vor der Profit- und Gewinnmaximierung steht. Hier wäre unserer Meinung nach auch der passende Standort für das Projekt „Zukunftsstadt Konstanz“ und nicht, wie vorgesehen, auf den ökologisch sensiblen Christiani-Wiesen. Das wäre in der Tat eine große Chance, die aber offensichtlich an der Schreibtischkante der Verwaltung abzutropfen droht und dabei den Rat – so wie es aussieht – mehrheitlich auf seine Seite ziehen wird.

Kolleginnen und Kollegen – Man macht es sich lieber einfach und überlässt das Projekt einem privaten Investor, frei nach dem Motto: Der wird es schon für uns richten. Über einen sogenannten „Letter of Intent“ gaukelt man der Öffentlichkeit vor, die Stadt habe bei allen Entscheidungen direkten Einfluss auf die Entwicklung dieses Gebiets und könne im Ernstfall jederzeit gegensteuern. Aber so simpel ist das keineswegs. Denn dieser Letter of Intent – das ist der Vorlage deutlich zu entnehmen – ist lediglich eine Absichtserklärung, der zu entnehmen ist, dass man bei der Neugestaltung des Siemens-Areals konstruktiv mit dem Investor zusammenarbeiten wolle. Das liest sich erstmal gut, hat aber unserer Ansicht nach nur eine lockere juristische Bindung, die uns keineswegs überzeugt. Denn im Zweifel – wenn sich beispielsweise eine neue Finanzkrise ihren unheilvollen Weg bahnt – sind löbliche Absichten nicht mehr das Papier wert, auf das sie geschrieben wurden.

Kurz und schlecht: Die Linke Liste wird der Vorlage nicht zustimmen. Wir beantragen hiermit, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht wahr nimmt und sehen mit Interesse der Abstimmung entgegen.“

Holger Reile

Holger Reiles Beitrag ab Minute 2:20