Klimadebatte: Sind wir noch zu retten?

Erderwärmung, Klimawandel, Klima­kata­strophe, Klimanotstand, Klimakollaps, Erderhitzung … Überall auf Kongressen, Konferenzen, Tagungen, Rats-Sitzungen, Meetings und fast überall, wo Menschen zusammenkommen, um Entscheidungen und Beschlüsse zu fassen, ist die Diskussion um die zutreffende Bezeichnung des derzeitigen Zustandes bzw. des gegenwärtig erreichten Punktes in der Klimaentwicklung entbrannt. Doch was folgt daraus an konkreten Handlungen?

Es geht nicht voran und keiner kann was dafür

Ist diese Debatte wieder nur ein Ablenkungsmanöver, um ganz wie bisher weiter Betroffenheit zu demonstrieren und sich vorgeblich um eine klare Orientierung zu bemühen? Ohne sichere Kenntnis der Position könne man schließlich auch nicht den richtigen Kurs bestimmen. Oder sucht man nach der richtigen Handlungs-Strategie, weil man vom plötzlichen Protest der FfF-Generation und deren Hartnäckigkeit kalt erwischt worden ist?

Zugleich sind PolitikerInnen vom Bund bis in die Kommunen und auch (Interessens)-VertreterInnen von Industrie und Wirtschaft, landauf, landab redlich bemüht, zu erklären, was doch schon alles getan worden sei oder zumindest geplant oder wenigstens angedacht sei, (irgendwann) getan zu werden. An Rechtfertigungen, weshalb es mit der Energiewende und dem Klimaschutz trotz aller Absichtserklärungen so schleppend bis gar nicht vorangehe, mangelt es dabei nicht: weil … alles so kompliziert, rechtlich nicht umsetzbar, den BürgerInnen nicht zu vermitteln sei … Eine besonders originelle Antwort hat jüngst dazu die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger den Singener Friday for Future-SchülerInnen gegeben: Das Problem sei die AfD, die als größte Oppositionspartei den Klimawandel gar nicht als von Menschen mitverursacht anerkenne (). Zugegeben, um die Zusammenarbeit mit „diesen Alternativen“ ist keine VertreterIn einer demokratischen Partei zu beneiden, aber nun der AfD eine wesentliche Schuld an seit Jahrzehnten mangelnden effektiven Maßnahmen zum Klimaschutz zu geben, verkennt die historischen Tatsachen. Lange bevor es hierzulande eine AfD gab, warnten renommierte Wissenschaftler mit konkreten Analysen und Entwicklungsmodellen, was mit unserem blauem Planeten passieren werde, wenn es mit klimaschädigenden Entwicklungen wie CO2-Emissionen, Ressourcen-Ausbeutung und Flächenschwund so weitergehe wie seit Mitte des 20. Jahrhunderts.

Was bisher (nicht) geschah

UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992: Eine UN Klima-Rahmen-Konvention und eine UN Biodiversitäts-Konvention werden beschlossen: Alle Mitgliedstaaten der UN-Umweltkonferenz haben damals anerkannt, dass es gravierende Umweltprobleme mit dramatischen Folgen für die Menschheit geben werde, wenn nicht umgehend politische und wirtschaftliche Korrekturmaßnahmen umgesetzt würden. Fakt ist, dass der Anstieg der CO2-Emissionen ungebremst bis heute weitergeht, ebenso das Artensterben aufgrund von Pestizideinsatz, Flächenschwund und Klimaveränderung.

Kyoto-Protokoll 1997: Erster weltweit völkerrechtlich verbindlicher Vertrag zur Begrenzung des Klimawandels und damit verbindliche Verpflichtung aller beteiligten Staaten, den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu senken, Ratifizierung 2005. Im Rahmen seiner zweiten Verpflichtungsperiode (2013–2020) hatten sich alle 28 EU-Staaten verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen um 20 Prozent zu vermindern, die Nutzung erneuerbarer Energien auf 20 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs zu steigern sowie die Energieeffizienz um 20 Prozent zu steigern. Fakt ist, dass nur wenige EU-Mitgliedsstaaten diese vereinbarten Ziele erreichen werden. Deutschland kein einziges davon – trotz der im Jahr 2000 mit dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) eingeleiteten sogenannten „Energiewende“. 2030 heißt bekanntlich das neue Zwischenziel.

Pariser Klimaschutzkonferenz 2015: 195 Länder haben sich erstmals auf ein allgemeines, rechtsverbindliches und weltweites Klimaschutzübereinkommen geeinigt und einem globalen Aktionsplan, der den Anstieg der Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen und auf eine nahezu vollständige Dekarbonisierung bis 2050 hinauslaufen soll, zugestimmt. Dezidiert wurde auch festgehalten, dass Kommunen und Städte, Regionen, Behörden auf regionaler und kommunaler Ebene, ebenso wie Zivilgesellschaft und private Wirtschaft ihre Anstrengungen bei der Bekämpfung des Klimawandels erhöhen und geeignete Maßnahmen zur Emissionsminderung zu unterstützen sollen. Fakt ist: Die CO2-Emissionen steigen noch immer, der Anteil der erneuerbaren Energien ist zu gering, unser Energiehunger wird dagegen umso größer.

Baden-Württemberg und die Energiewende

Deutschlands Vorreiterrolle in der Energiewende ist also längst passé. Und das ab 2011 grün-rot und ab 2016 grün-schwarz regierte Baden-Württemberg lag 2018 (nach Daten des eigenen Umweltministeriums) mit einem Anteil von ca. 13,5 Prozent der erneuerbaren Energien auf Basis des Primärenergieverbrauchs noch unter dem Bundesdurchschnittswert von ca. 14 Prozent. Alle selbst gesteckten Handlungsziele bis 2020 werden krachend verfehlt werden. Hier ein paar Zahlen: Kraftstoffe sollten zu 16 Prozent aus erneuerbaren Energien erzeugt werden, erreicht wurden 4,6 Prozent; bei Wärme sind es 16,2 statt 21 Prozent; bei Strom 26,7 statt 36 Prozent und die Windkraft hat einen mickrigen Anteil von 3,7 Prozent statt der geplanten 10 Prozent. Alles in allem wurden (laut Berechnungen des Statistischen Landesamts, Stand 2019) im Zeitraum von 1990 bis 2018 gerade mal 11 Prozent CO2 eingespart, Zwischenziel für 2020 waren aber 25 Prozent.

Der Landkreis Konstanz und die Energiewende

Und der Landkreis Konstanz hat sogar die Chance, bei diesem Debakel landesweit den letzten Platz zu belegen, denn bezogen auf den Primärenergieverbrauch haben die erneuerbaren Energien lediglich einen Anteil von ca. 7 bis 8 Prozent am Gesamtenergiebedarf, gerade einmal die Hälfte des bundesdeutschen Durchschnittswertes. Beim kreisweiten (deutlich zu hohen) Gesamtenergiekonsum hat Wärme einen Anteil von 50 Prozent, elektrische Energie und Mobilität schlagen mit je 25 Prozent zu Buche.

Der geringe Anteil von 7 bis 8 Prozent der bislang vorhandenen erneuerbaren Energien im Landkreis Konstanz verteilt sich wiederum prozentual wie folgt: Biomasse: 72 Prozent – Solarenergie (Solarthermie und Photovoltaik): 12,4 Prozent – Wasserkraft: 9,3 Prozent – Geothermie: weniger als 0,5 Prozent  – Windenergie: weniger als 0,2 Prozent.

Die Analysen der HTWG Konstanz (Monitor Energiewende 2017) und der KlimaAgentur zur aktuellen Nutzung erneuerbarer Energien und zu technisch wie wirtschaftlich sinnvoll nutzbaren erneuerbaren Energiepotenzialen im Landkreis zeigen weitere folgende interessante Ergebnisse: Wasserkraft: keine weiteren Potentiale – Windenergie: nur 5 Prozent der Potentiale werden genutzt – Bioenergie: weitere 60 Prozent sind erschließbar  – Solarthermie: weniger als 2 Prozent der Potentiale werden bislang genutzt – Photovoltaik: 90 Prozent der Potentiale sind noch nicht bewirtschaftet. Ergo: Es werden gerade einmal 15 Prozent der theoretisch vorhandenen Gesamtpotentiale für erneuerbare Energien genutzt.

Biogas, Windkraft, Wasserkraft, Atomkraft

Ein weiterer Bau von Biogasanlagen wäre zwar grundsätzlich möglich, sei aber nicht sinnvoll, so das Ergebnis der Analysen. Dies, weil bereits rund 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Landkreis mit dem Anbau von Energiepflanzen belegt sind und zahlreiche Konflikte bestehen. Wichtigster Kritikpunkt ist aber die mit Abstand schlechteste Flächeneffizienz von Biogas als erneuerbare Energie (Faktor 60 schlechter als Freiland-Photovoltaik, Faktor 300 schlechter als Windkraft); Biogas ist zudem die inzwischen teuerste Form der regenerativen Stromerzeugung.

Und der Ausbau der Windkraft ist auf Jahre hinaus zum Stillstand gekommen: gerade mal drei von insgesamt 20 möglichen Windenergieanlagen sind realisiert worden. Jüngste Beispiele sind das Aus für die geplanten Windkrafträder am Kirnberg bei Steißlingen und der vorläufige Stopp für den Windpark Länge im benachbarten Schwarzwald-Baar-Kreis. Und gerade bei der Windkraft wird deutlich, wie zahlreiche Partikularinteressen von Lobbygruppen, Ressortbedenken und grundsätzliche parteipolitische Oppositionen (nicht nur seitens der AfD, sondern auch der Mehrzahl der Mitglieder konservativ-neoliberaler Fraktionen) die Realisierung erneuerbarer Energien ausbremsen, blockieren oder grundsätzlich verhindern können.

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Wasserkraft sei die größte Energiequelle hier im Landkreis, ist eines der beliebtesten Argumente der Windkraftkritiker. Und diese liefere uns das Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen AG (EKS). Nur: von den 95 Millionen Kilowattstunden (kWh), welche die EKS 2017 selbst produzierte, stammten gerade mal 47 Millionen KWh aus der Wasserkraft (weitere 21 Millionen aus Photovoltaik, 18 Millionen aus Bio- und Klärgas, 9 Millionen aus Windenergie) und weitere 444 Millionen kWh werden von dem Energiedienstleistungskonzern AXPO Holding AG dazugekauft, der an folgenden Kernkraftwerken beteiligt ist: 100 Prozent KKW Beznau, 37,5 Prozent KKW Gösgen, 52,7 Prozent KKW Leibstadt)! 115 Millionen kWh des insgesamt 1,7 Milliarden kWh im Kreis Konstanz verbrauchten Stroms wurden von der EKS bezogen, also lediglich 7 Prozent, des gesamten Strombedarfs, zudem ist der Anteil aus erneuerbarer Energien, vor allem der Wasserkraft, darin wesentlich kleiner als der von Atomstrom aus den Kernkraftwerken, deren Abschaltung auch von deutscher Seite seit langem gefordert wird. Bei der Windenergie könnten uns unsere Schweizer Nachbarn aber bald überholen: die neuesten Windmesserergebnisse für den Standort Chroobach am Schienerberg sind sogar deutlich besser als erwartet. Daher hat der Kanton Schaffhausen diesen Standort in seinen Kantonalen Richtplan „Windenergie“ aufgenommen und fast zeitgleich hat der Kanton Thurgau die Festsetzung des Standorts Salen-Reutenen in seinem Richtplan beschlossen. Genehmigt und gebaut sind die Anlagen damit noch lange nicht. Die auf deutscher Seite formulierten Proteste und Einwendungen – auch vom Landratsamt Konstanz und von etlichen Gemeinden der Höri und des Hegau – wurden bei der Entscheidung nicht berücksichtigt. Ob die Einsicht, wie paradox es ist, von den Schweizer Nachbarn den Atomausstieg zu fordern und gleichzeitig deren Windkraftanlagen verhindern zu wollen, sich allmählich auch in konservativen Köpfen durchsetzt, bleibt abzuwarten.

Suffizienz – „ja aber …“, „vielleicht …“, „lieber nein danke …“

Die größte SchülerInnenbewegung der Geschichte – weltweit – fordert es unmissverständlich: Es muss gehandelt werden, und zwar sofort. Sie haben eine „Klimawahl“ bewirkt, und wenn die nun angestoßenen Debatten auch nur ansatzweise ernst gemeint sind, müssen den theoretischen (für sich allein noch unverbindlichen) Worten wirksame Taten folgen. Gebraucht wird Effizienz bei der Nutzung von Energie, vorhandene Potentiale für ökonomisch sinnvolle und ökologisch verträgliche erneuerbare Energien müssen schnellstmöglich genutzt werden, aber wichtiger und noch effizienter wäre es, Energie gar nicht erst zu verbrauchen. Doch auf Suffizienz angesprochen, wird erwidert: „Gern doch, aber warum ich und nicht auch die anderen …; auf die geplante Flugreise verzichten – aber, ich war noch nie auf den Malediven …; meinen SUV lasse ich mir nicht verbieten, Pferd und Segelboot – damit es ein klimafreundlicher Urlaub wird – müssen schließlich transportiert werden …; geil, die neue Shoppingmall mit den vielen Klamotten, und alle so superbillig – andere kaufen jährlich alle 24 Kollektionen, da bleibt mir doch gar keine Wahl, wenn ich wenigstens einigermaßen mithalten will …“ Doch auch hier machen die FfF-Jugendlichen zumindest Hoffnung, dass ein Umdenken möglich sein könnte: Degrowth statt Massenkonsum, Umverteilung und soziale Gerechtigkeit statt Ressourcenverbrauch und -vernichtung sind Teil der zu erreichenden Suffizienz und die jungen Leute fordern dies ein – jetzt. „System change, not climate change“ ist bei fast jeder Demo auf ihren Plakaten zu lesen.

Think globally, act locally

Wie soll es nun im Kreis Konstanz weitergehen? Der neue Landrat Zeno Danner hat die Klima- und Energieproblematik als eines seiner ersten Handlungsfelder benannt. Die Fraktion der Grünen will in der Sitzung des Kreistages am 15. Juli einen konkreten Antrag, basierend auf einem faktenreichen Positionspapier, einbringen, mit dem Ziel, auch für den Kreis Konstanz als einem der letzten in Baden-Württemberg ein integriertes Energie- und Klimaschutzkonzeptes zu entwickeln, das alle Gemeinden mit einschließen soll.

Wenn der Wille da ist, könnte auch was bewegt werden … zwei AfD-Kreisräte werden dies ganz bestimmt nicht verhindern können. Und die Fridays-for-Future-AktivistInnen werden mit ihrem Protest hoffentlich nicht nachlassen …

Erderhitzung und Klimakollaps

… denn das Horrorszenario ist bekannt: Mit jedem Tag, der ungenutzt vergeht, sinken die Chancen, zumindest die schlimmsten Auswirkungen der Erderhitzung noch einzudämmen: Seit 1980 beträgt der Eismasseverlust in der Antarktis 2.500 Gigatonnen. Die Situation sei dort bereits irreversibel außer Kontrolle, so die jüngsten Alarmmeldungen von Wissenschaftlern. Extremwetterlagen mit zerstörerischen Unwettern und Hitze- und Dürresommer wie 2018 werden keine Ausnahme bleiben. Schon 2002, 2003, 2010, 2016 waren die Jahre mit den heißesten Sommern in Europa seit 1500. Und die bereits im vergangenen Juni erreichten Rekordtemperaturen unter anderem auch in Spanien, Frankreich, Österreich, der Schweiz sind ein weiterer Beweis dafür. „Klimawandel“ ist längst ein Euphemismus. „Klimakatastrophe“ oder „Klimazusammenbruch“ aufgrund der „Erderhitzung“ (auch „Erderwärmung“ ist schon zu schwach) trifft das, was hier und heute bereits stattfindet, und dies ist nicht erst das Problem künftiger Generationen.

„Hitzerekorde auf der ganzen Welt treten heute fünfmal häufiger auf als bei einem stabilen Klima“, so Stefan Rahmstorf, Co-Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam bei der „kleinen“ UN Klimakonferenz in Bonn Ende Juni, die bei einer Außentemperatur von 37 Grad Celsius stattfand. Viel Wasser zu trinken und sich angemessen zu kleiden, riet die UNO den rund 200 Teilnehmern. Krawatten- und Jackett-Zwang für Männer waren aufgehoben. Und während der Sicherheitsdienst sich draußen mit Regenschirmen vor der Hitze schützte, wurde drinnen diskutiert, ob der Begriff „Klimanotstand“ nicht zu drastisch sei, ob hier nicht etwa Assoziationen zu den Notstandsgesetzen von 1968 geweckt würden (so Bundesumweltministerin Svenja Schulze, SPD), ob die englischsprachige Formulierung „climate emergency“ nicht zutreffender sei („Wenn die Sprache sich aufheizt“ taz, 26. Juni 2019).

Und auch unser Bundestag mag den „Klimanotstand“ nicht anerkennen: Eine namentliche Abstimmung dazu auf Antrag der Fraktion DIE LINKE ergab nur 138 Ja-Stimmen zu 463 Nein-Stimmen (und 108 nicht abgegebenen Stimmen). Kein Abgeordneter der CDU und der SPD stimmte für die Anerkennung des Klimanotstands, 61mal Ja kam von den Grünen, 58mal von den Linken (und erwartungsgemäß jeweils keine Nein-Stimme) sowie immerhin 18mal von der FDP (das genaue Abstimmungsergebnis hier).

Auch der CDU-Abgeordnete Andreas Jung hält es nicht für nötig, den Klimanotstand zu erklären. Konkrete Maßnahmen seien überzeugender, erklärte er bei einem Treffen mit SchülerInnen des Singener Friedrich-Wöhler-Gymnasiums. Und „CO2  soll einen Preis bekommen“ („Sie eint die Sorge um das Klima“, Südkurier, 10. Juli 2019).

Eine Klima-Apartheid droht

Wenn alles so weitergeht wie bisher, werden laut Expertenstudien bis 2050 in den ärmsten Ländern bis 140 Millionen Menschen obdachlos werden und bis 2100 die Temperaturen auf 50 Grad Celsius steigen. „Wir riskieren ein Szenario mit einer Klima-Apartheid“, in dem die Wohlhabenden dafür bezahlen würden, Überhitzung, Hunger und Konflikten zu entkommen und der Rest der Welt leidend zurückbleibe, so Philip Alston, UN-Sonderberichterstatter zu extremer Armut und Menschenrechten, in seinem Bericht für den UN-Menschenrechtsrat. Selbst wenn die vorgegebenen Klimaziele erreicht werden könnten – würden mehr als 120 Millionen Menschen in die Armut abrutschen. Den derzeitigen Kurs beizubehalten sei ein Rezept für die wirtschaftliche Katastrophe“, warnte Alston. Er kritisiert zudem, dass das Thema Klimawandel für Menschenrechtler bislang nur eine marginale Rolle spiele.

Gegner der Klimarettung

Doch auf dem Weg, bis 2050 einen annähernd kompletten Ausstieg aus der CO2-Emission zu erreichen, gibt es aber gewaltige Hürden. Die Zahl derjenigen, die zwar die Energiewende predigen, aber weiter nur Profitmaximierung, Wirtschaftswachstum, Massenkonsum … wollen, ist groß, und sie sind mächtig.

Und hinzu kommen noch diejenigen, die explizit vom Klimawandel profitieren: Die Bodenschätze unter dem schmelzenden Eis der Arktis sind enorm, der Kampf um deren Gewinnung hat längst begonnen und die Nordmeer-Häfen werden bereits ausgebaut. Die USA haben das Kyoto-Protokoll nie unterschrieben und sind aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen. Neue Braunkohlekraftwerke werden weltweit weiterhin gebaut. Die USA planen unter anderem ihre Plastikproduktion noch um 30 Prozent zu steigern – und 99 Prozent des Plastiks werden aus fossilen Stoffen hergestellt (Plastikatlas 2019).

Und da gibt es noch die seit langem von der EU geplanten Freihandelsabkommen (die übrigens auf der völkerrechtlich verbindlichen Ebene angesiedelt sind, das heißt auf derselben höchsten rechtlichen Ebene wie die gegenwärtigen Klimaabkommen), wie unter anderem TTIP (USA), CETA (Kanada) und das Mercusor-Abkommen (mit Argentinien, Brasilen, Paraguay und Uruguay). Auf Letzteres haben sich die bereits abgewählte EU-Kommission und die vier Mercusor-Staaten noch Ende Juni verständigt. Seine Realisierung würde zur Bildung der größten Freihandelszone der Welt führen, mit allen negativen Folgen für das Klima und den Artenschutz, mit allen positiven Folgen für die Wachstumsziele und die direkten politischen Einflussmöglichkeiten der Großkonzerne, vor allem der europäischen Auto- und Agro-Chemie-Konzerne sowie der südamerikanischen Agrarindustrie. Auch dieses Abkommen könnte noch gestoppt werden, da bei dem gemischten Abkommen alle 28 EU-Staaten zustimmen müssen. Selbst „Klimakanzlerin“ Angelika Merkel wünscht sich aber eine schnelle Umsetzung.

Dies nur einige Horrorszenarien – eine Dystopie, die es zu verhindern gilt.

Uta Preimesser (Foto: P. Wuhrer)