Singen vertraut Gemeinderat, Gutachten, ECE-Werbestrategen und stimmt für Konsumtempel
Nun ist es offiziell: Der Gewinner ist die Hamburger „Otto-Group“. 7814 BürgerInnen sprachen sich für das ECE-Center aus, 5506 dagegen. Damit haben die ECE-Center-BefürworterInnen mit 21,57 % sogar das Abstimmungsquorum von 20 Prozent erreicht. Mit Nein stimmten 15,20 % der Wahlberechtigten. Die überwiegende Mehrheit von rund 63 Prozent ging gar nicht erst zur Wahl. Ihnen scheint die Zukunft ihrer Stadt gleichgültig zu sein. Aber damit musste man in Singen leider rechnen.
Jubel im Rathaus bei den Befürwortern des Gemeinderates und den Aktiven der Bürgerinitiative „Lebendiges Singen“, die mit massiver finanzieller und personeller Unterstützung von ECE-Projektierern und Werbestrategen seit Anfang Juli tagtäglich die Trommel für die überdimensionierte Shoppingmall am Bahnhof gerührt haben.
Enttäuschung selbstverständlich auf Seiten der Bürgerinitiative „Für Singen“. Dazu Sprecherin Regina Henke: „Durch unser Engagement konnten wir den Gemeinderat zu einem Bürgerentscheid bewegen. Es war wichtig, die Bürger in die Entscheidung über das Großprojekt einzubeziehen. Der Bürgerentscheid war für uns nicht erfolgreich. Nun liegt die Verantwortung bei der Stadt, dem Gemeinderat und der Mehrheit der abstimmenden Singener, das Beste für Singen zu tun … Die Versprechungen zur Stärkung der ‚Reststadt‘ sollten nicht vergessen werden! Wir werden diese, wenn nötig, einfordern. Wir sind nach wie vor bereit, uns für unsere Stadt zu engagieren und freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle von Singen.“
Doch die Aktiven von „Für Singen“ waren immer auch realistisch genug, damit zu rechnen, dass das Ergebnis zugunsten des Kapital-Riesen ausfallen würde. Man hätte schon geborener, unerschütterlicher Optimist sein müssen, um fest davon überzeugt zu sein, die Entscheidung des Gemeinderats für den Konsumtempel kippen zu können.
Das Wahlergebnis macht deutlich, dass vielen SingenerInnen die Aussicht auf „Event-Shopping“ und „Fastfood“ als Zukunftskonzept reicht. Sie mögen sich nun als die GewinnerInnen feiern. Für das bloße Versprechen eines „Lebendigen Singen“ auf Massen von bunten Luftballons, T’Shirts, farbigen Sonnen-Brillen sowie rund 100 verschenkten Liegestühlen geben sie sogar eine Straße und ein städtische Grundstück her.
Die Verlierer sind zunächst alle jene, die „Event-Shopping“ nicht zu ihrem wichtigsten Lebensinhalt machen (lassen) wollen, es sind aber vor allem jene, die weltweit die Folgen dieser Lebens- und Gesellschaftshaltung mit dem Verlust ihrer Lebenschancen bezahlen müssen. Dank der Gleichgültigkeit und/oder bewusster Entscheidungen wie der heute in Singen.
Erinnert man sich an die Statements im Gemeinderat, erscheint mindestens fraglich, ob es OB und Gemeinderat auch ohne die von der Initiative „Für Singen“ angestoßene Diskussion in der Stadt für notwendig gehalten hätten, die BürgerInnen mitentscheiden zu lassen. Insofern hat diese Initiative sicher gewirkt. Immerhin: 7813 Ja-Stimmen : 5.502 Nein-Stimmen spiegeln nicht die 26 : 3-Entscheidung des Gemeinderates für das ECE-Center wider. Die Entscheidung ist demokratisch, wie es wie weitergeht, wird sich zeigen.
Ein sichtlich erleichterter Oberbürgermeister Häusler erklärte nach dem Bürgerentscheid, dass die Bürgerschaft die Entscheidung des Gemeinderates bestätigt habe. „Wir werden auf diesem Weg weiterarbeiten“. Befürworter und Kritiker sollten das Ergebnis akzeptieren und für die „Einkaufsstadt, Industrie- und Kulturstadt“ zusammenarbeiten und keine Gräben offen lassen.
Uta C. Preimesser
Dieses Wahlergebnis ist ein trauriges für Singen und auch ein trauriges für die Initiative „Für Singen“. Aber die 5.500 Bürgerinnen und Bürger, die gegen das ECE gestimmt haben, sind (etwas optimistisch betrachtet) auch ein Anfang für eine weitere kritische Betrachtung der Singener Stadtpolitik. Gegen die skrupellosen Pläne der Stadtverwaltung, die von einem nahezu gleichgeschalteten Gemeinderat mehrheitlich hemmungslos durchgewunken wurden.
In diesem (Wahl-)Kampf, „David gegen Goliath“, betrachte ich das Ergebnis der ECE-GegnerInnen durchaus als einen Achtungserfolg!
Und das zeigt: es gibt auch in Singen (ganz klar und warum auch nicht …) ein gehöriges kritisches Potential an Menschen, die mit der dirigierten Stadtpolitik nicht einverstanden sind.
Und diese Singener Bürgerinnen und Bürger sollten in Anbetracht des Wahlergebnisses jetzt nicht zu sehr frustriert sein!
Es lohnt sich immer, für seine Stadt, für seine Interessen einzutreten, nicht locker zu lassen und zu versuchen künftig noch mehr Bürgerinnen und Bürger anzusprechen, zu erreichen und einzubeziehen. Nur das ist gelebte, praktizierte Demokratie!
OB Häusler und der Stadtverwaltung (auch die Gemeinderäte sollten sich Gedanken machen) ist anzuraten auf die Initiative „Für Singen“ zuzugehen, um gemeinsam nach Kompromissen zu suchen!
Die krasse Entscheidung über das ECE spaltet die kommunalpolitisch interessierte Bürgerschaft der Stadt Singen.
Daraus folgt?
Eine Einigung, die nur eine bedeutsame Verkleinerung des Center-Koloss beinhalten kann, könnte eventuell zu einer Befriedung des Konflikts führen.
Und daran sollte der amtierende OB doch interessiert sein ?!