Singens Bürgerentscheid geht uns alle an
Ein Monat wichtiger Wahlentscheidungen: Kaum hat Konstanz seinen neuen OB gewählt, steht am kommenden Sonntag in Singen ein Bürgerentscheid an – kommt es zum Zusammenschluss der Krankenhäuser von Konstanz, Singen, Radolfzell und Engen im Verbund des Landkreises? 33 000 Wahlberechtigte sollen diese Frage entscheiden. Und mindestens ein Viertel von ihnen muss an der Abstimmung teilnehmen, damit das immer noch gültige Quorum erfüllt wird. Eine Entscheidung, die alle im Landkreis angeht.
Die Nerven liegen blank, bis zum letzten Tag wird um Stimmen gerungen: Gestern Abend erst riefen die Befürworter der Klinikfusion im Saal der Dietrich Bonhöffer Gemeinde die Entscheidungsträger zusammen, die allen noch Unentschiedenen artig Rede und Antwort standen. Peter Fischer, Geschaftsfuhrer HBH-Klinik-Verbund, Berthold Restle, Landratsamt, Claus Boldt, Bürgermeister Stadt Konstanz, Oliver Ehret, Oberbürgermeister Stadt Singen und Rainer Ott, Geschaftsführer Klinikum Konstanz, beantworteten Fragen wie: Was bringt der Gesundheitsverbund im Kreis? Nur Vorteile. Welche Auswirkungen hat er für unsere medizinische Versorgung? Die wird verbessert. Was passiert, wenn wir nichts tun? Dann droht die Privatisierung. Alles auch nachzulesen auf der eigens installierten homepage www.gesundheit-sued.de
Kundgebung der Gewerkschaft
Auch die Krankenhaus-Beschäftigten, mit ihren Betriebsräten und Gewerkschaften schon immer Verfechter des Zusammenschlusses, trommeln in den letzten Tagen noch mal gehörig: Am morgigen Donnerstag finden Betriebsversammlungen statt, auf denen der neu abgeschlossene Tarifvertrag zur Personalüberleitung erläutert wird. Darin wird eine Arbeitsplatz-Garantie für mindestens fünf Jahre fest geschrieben und zum Beispiel die Betriebsräte-Struktur im Klinikverbund geregelt; auch einen übergeordneten Betriebsrat für den gesamten Verbund soll es geben.
Ebenfalls am Donnerstag laden dann die Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund zu einem Pressegespräch ein. Es darf vermutet werden, dass auch dort für die Fusion geworben wird. Zumal ver.di noch einen drauf setzt: Für 12 Uhr ruft sie „alle Beschäftigten, Auszubildende und Praktikanten der Hegau-Bodensee-Hochrhein Kliniken“ zu einer Kundgebung am Haupteingang des Klinikums auf. Die Stoßrichtung ist klar, denn im Aufruf heißt es: „Die Gegner dieses Zusammenschlusses haben die Bürger und Mitarbeiter als Spielball benutzt und einen Bürgerentscheid am 22. Juli durchgesetzt. Dieser Gesundheitsverbund schafft Sicherheiten im medizinischen Bereich und garantiert fünf Jahre lang den Erhalt unserer Arbeitsplätze“.
Gespenst der Privatisierung
Doch viel Neues wird auf diesen Veranstaltungen kaum zu erfahren sein, denn die Argumente sind seit Wochen ausgetauscht: Der Zusammenschluss verhindere ein „Wettrüsten“ zwischen Singen und Konstanz, sowie für beide Kliniken das Risiko der Privatisierung, sagen die Befürworter. Das Klinikum Singen werde übervorteilt, sagen die Kritiker. Als Pro-Argument wird weiter genannt: Alle Gemeinden im Kreis übernehmen über den Landkreis Verantwortung für alle Krankenhäuser. Das Regierungspräsidium hat Singen eine Rücklage für die Risiken aus der Zusatzversorgungskasse ZVK in Höhe von jährlich 2,2 Mio Euro über 10 Jahre ab 2013 auferlegt, falls kein Gesundheitsverbund zustande kommt. Dieses Geld würde dann für andere Investitionen in Singen fehlen. Gegenargument: Singens Einfluss im neuen Verbund werde zu gering angesetzt.
Außerdem erwarten die Befürworter hohe Synergieeffekte in Verwaltung, Einkauf (Apotheke) und im technischen Bereich. Das Einsparpotential liege bei 1,8 Mio. Euro jährlich und das hieße: Mehr Geld für Medizintechnik, Gebäude und Personal.
Stimmberechtigten ausmachen (Erfolgs- oder Zustimmungsquorum). Bei Stimmengleichheit gilt ein Bürgerentscheid als abgelehnt
Welche Befürchtungen, welche Erwartungen sich letztlich bewahrheiten werden, müssen die nächsten fünf Jahre erweisen. Doch eines steht für Befürworter und Kritiker gleichermaßen fest: Für sich alleine wird kein Krankenhaus zukünftig überleben können, ohne Kooperation geht gar nichts. Und am Ende könnte die Privatisierung drohen – mit Folgen, die man in Überlingen oder Rottweil derzeit beobachten kann: Arbeitsverdichtung, Arbeitsplatzabbau, Tarifflucht (und damit Verschlechterung der Patientenversorgung) und vor allem: Aufgabe der kommunalpolitischen Verantwortung für das Gesundheitswesen. Denn Gemeinde- oder Kreisräte haben in einem privaten Krankenhaus-Konzern nichts zu sagen. Und Bürger schon gar nicht.
Autor: hpk
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Die Singener Schlammschlacht ist eröffnet
Am 22. Juli fällt die Entscheidung
Wer verhindern will, dass im Landkreis Konstanz die Privatinvestoren in der Kliniklandschaft das Sagen bekommen und Profit statt ausreichende medizinische Versorgung in den Vordergerund stellen, kommt nicht umhin, die Krankenhausfusion zu befürworten.
Eine wohnortnahe und einigermaßen würdige Betreuung kann nur beibehalten werden, wenn nicht neoliberale Unternehmensspielchen die Oberhand gewinnen. In einem derart sensiblen Thema wie dem Gesundheitssystem darf es keine Abwägungen geben: Vor der Wirtschaft kommt der Mensch!