Singens Stadtspitze streitet um OB-Sessel
Stellvertreter gegen Amtsinhaber, CDU-Mann gegen CDU-Mann, beide noch unter 50, beide dennoch mit beträchtlicher Erfahrung als Kommunalpolitiker: Zur Oberbürgermeisterwahl am 30.6. tritt Bürgermeister Bernd Häusler (linkes Foto) gegen OB Oliver Ehret (rechtes Foto) an. Häusler, der seine Kandidatur gestern bekannt gab, will besonders auf den Problemfeldern „Stadtentwicklung“ und „Soziales“ punkten, wie er im Gespräch mit seemoz bekräftigt
Zwar wird die Bewerbungsliste zur OB-Wahl erst am 20.4. eröffnet und bis zum 3.6. können sich noch Bewerber melden, doch in Singen zweifelt niemand daran, dass sich die Wahl am 30.6. (zweiter Wahlgang am 14.7.) zwischen Ehret (49), der sich 2005 nur knapp im zweiten Wahlgang gegen Verena Göppert durchsetzen konnte, und Häusler (46) entscheiden wird. Zumal Andreas Renner, Ex-OB und derzeit Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes, offensichtlich keine Ambitionen auf das höchste Amt der Stadt Singen zeigt.
Delikate Personalie
Der CDU-Stadtverband wird auf einer Vorstandssitzung heute Abend beraten, wie er sich zu dieser delikaten Personalie verhält: Zwei seiner Mitglieder, obendrein seit 2005 das Führungsduo der Stadt, streiten gegeneinander um den OB-Sessel. Der gebürtige Singener Bernd Häusler ist seit Mitte 2005 erster Beigeordneter von Oberbürgermeister Oliver Ehret und damit sein Stellvertreter; ihm obliegt die Leitung des Fachbereiches 1 ‚Zentrale Aufgaben, Finanzen, Betriebe‘. Und er will die Stadt „aus der Mittelmäßigkeit herausführen“, wie er gegenüber seemoz zu Protokoll gab. Wenn das keine Kampfansage ist…
Stadtentwicklung und Soziales als Schwerpunkte
Vor allem „die Stadtentwicklung verläuft viel zu schleppend, da will ich neue Impulse setzen“, so Häusler. Und die „Sozialpolitik muss ernster genommen und mit mehr Empathie angegangen werden“, sagt Häusler, der in Singen seit Anbeginn seiner politischen Karriere für sein soziales Engagement bekannt ist. Dem Singener Urgestein werden dann auch gute Wahlchancen eingeräumt – er hofft aus Stimmen aus allen Lagern. „Ich trete nicht als Kandidat einer Partei an, sondern als Kandidat aller Singener. Und, ja, ich hoffe deshalb auch auf Stimmen aus anderen bürgerlichen Parteien, aber auch von einstmals grünen oder SPD-Wählern“.
Breite Unterstützung
Eine solche breite Unterstützung aus der Bürgerschaft deutet sich auch in der Zusammensetzung des Unterstützerkreises an, den Häusler um sich scharrt. In ihm sollen, so hört man, politische Kräfte auch außerhalb der CDU mitwirken. Erst Anfang Mai will sich dieser Kreis als Wahlkampfteam mit einem Wahlkampfprogramm präsentieren. Und erst dann sollen politische Schwerpunkte und Wahlaussagen formuliert werden.
Das unerwartete Dilemma der CDU
„Wir werden dieses Programm kontrovers diskutieren“, so Häusler und bekräftigt damit erneut, dass er nicht für seine Partei ins Rennen geht, „sondern als Kandidat aller Singener. Darum wird mein Wahlkampf auch vielfältiger sein“. Was immer das meint – die CDU wird Probleme bekommen. Ihr Dilemma: Wen der beiden Kandidaten soll sie unterstützen? Oder sich ganz aus dem Wahlkampf raushalten? Oder – das wäre mal was Neues – ihren Mitgliedern die freie Entscheidung überlassen? Die heutige Vorstandssitzung des CDU-Stadtverbandes wird erste Aufschlüsse liefern, aber letztlich dürfte eine Mitglieder-Versammlung entscheiden. Und das wird spannend.
„Wir werden das professionell angehen“
Spannend wird auch zu beobachten sein, wie sich das Verhältnis der beiden Kontrahenten in der täglichen Zusammenarbeit der kommenden Wahlkampf-Wochen entwickeln wird. „Das wird nicht einfach“, bekennt Bernd Häusler und hofft, „dass man sich weiterhin die Hand reichen wird. Aber die bisherige gute Kooperation zwischen uns wird auch diese Probe überstehen. Wir werden das professionell angehen“.
Autor: hpk
Postdemokratische Zeiten – Gore Vidal hat es schon vor Jahren formuliert: „Demokratie ist ganz offensichtlich ein Ort, wo unzählige Wahlen abgehalten werden, zu immensen Kosten ohne Themen und mit austauschbaren Kandidaten.“