So ist Konstanz: Vonovia ab- statt aufgehängt
Warum sind die Plakate, die MieterInnen der Vonovia in der Schwaketenstraße aufgehängt hatten, so plötzlich wieder verschwunden, wollte Anke Schwede (LLK) von der Verwaltung wissen. Immerhin ging es um Slogans wie „Mieter bezahlen, Aktionäre strahlen. Wir wehren uns!“ und ähnliche humanitäre Anliegen im Kampf gegen einen extrem raffgierigen Konzern. Aber wie es in Deutschland auch 100 Jahre nach der Revolution von 1918 noch so ist, findet der Protest nur im (Rats-) Saal statt.
Die pfiffig gestalteten Plakate verschwanden einige Tage nach ihrer Hängung wieder, und dies auf Weisung des Bürgeramtes, wie allgemein vermutet wurde. Ein Verdacht, der nahelag, denn die Stadtobrigkeit hatte ja auch bereits die pure Nennung des Namens „Vonovia“ aus dem Podcast der Gemeinderatssitzung herausgeschnitten und so einige Gemeinderätinnen und -räte zensiert, unter anderen Holger Reile (LLK).
Anja Risse, Leiterin des Bürgeramtes, erklärte, die Sondernutzungssatzung erlaube das Aufhängen solcher Plakate nicht. Auf Anke Schwedes Nachfrage, auf welche Rechtsgrundlage sie sich denn berufe, erklärte Risse, es handele sich um die (kein Witz!) „Satzung über den Gemeingebrauch und über Sondernutzungen an öffentlichen Straßen und in den Fußgängerzonen der Stadt Konstanz und Richtlinien über die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für gewerbliche Nutzungen auf öffentlichen Verkehrsflächen in Konstanz (Gestaltungsrichtlinien)“.
Dort heißt es:
§ 9 Plakatierung
(1) Plakatierungen im öffentlichen Verkehrsraum sind genehmigungspflichtig.
(2) Zur Wahrung des Stadtbildes nach dem Gestaltungskonzept der Stadt Konstanz wird im Rahmen eines Werbenutzungsvertrages nur einem Drittunternehmen das Recht eingeräumt, im Stadtgebiet gelegene öffentliche Verkehrsflächen zum Bau und Betrieb von Werbeeinrichtungen (z.B. Bushaltestellen, Litfaß-Säulen) zu benutzen.
(3) Das Plakatieren kann außerdem abweichend von Absatz 1 im übrigen Stadtgebiet, insbesondere für folgende Zwecke genehmigt werden:
a) Für in Konstanz stattfindende nicht gewerbliche Veranstaltungen, insbesondere aus Kultur und Sport. Ausnahmen sind bei gewerblichen Veranstaltern/Veranstaltungen möglich, wenn diese durch die öffentliche Hand gefördert werden.
b) Für Brauchtums- und Traditionsveranstaltungen sowie Volksfeste in Konstanz oder den unmittelbar angrenzenden Gemeinden Kreuzlingen, Tägerwilen, Reichenau und Allensbach sowie in Meersburg und Überlingen für Institutionen, die in Konstanz ihren Sitz haben.
c) Für Informationsveranstaltungen.
d) Anlässlich von stattfindenden Wahlen und politischen Veranstaltungen.
e) Ausnahmsweise am festen Standort an der Unteren Laube (in Höhe Schulhof Humboldt-Gymnasium) für überregionale Messen, Märkte oder Veranstaltungen.
(4) Die Anzahl der zuzulassenden Plakate und Dauer wird von der Stadt Konstanz begrenzt.
(5) Eine Erlaubnis für sonstiges Plakatieren allgemeiner Art wird nicht erteilt.
Heidenei, unter diesen Bedingungen wird das in Deutschland mit der Revolution nun wirklich nichts mehr. Aber immerhin herrscht Waffengleichheit: Auch die Vonovia darf demnach keine Plakate aufhängen. Und so bleiben uns denn Kunstwerke wie „Unsere MieterInnen sind nur zu geizig, ehrliche deutsche Mieten zu zahlen“ oder „Frau Müller lässt sich von dem Mob in ihrem Treppenhaus doch nicht sagen, wieviel Miete sie zahlen darf!“ erspart.
Corina Jäger von der MieterInitiative Konstanz-Schwaketen übergab Oberbürgermeister Uli Burchardt in der Bürgerfragestunde der letzten Gemeinderatssitzung eine Mängelliste. Nach ihren Angaben baut die Vonovia im Schwaketengebiet bereits um, nachdem sie auf keinerlei Einwände der MieterInnen eingegangen sei. Eine ältere Frau habe vom Baulärm und Stress bereits einen Hörsturz und zwei Nervenzusammenbrüche erlitten, offenkundig setze das Unternehmen auf den Tod älterer und finanziell schwächerer MieterInnen, berichtete eine andere Anwohnerin aus dem Publikum uns Pressemenschen unter vier Augen.
Corina Jäger erzählte auch, dass eine Beobachtung durch die Mieter massenhaft Rechtsverstöße seitens der Vonovia ergeben habe und übergab der Stadt eine entsprechende Liste. Sie forderte die Verwaltung auf, endlich Recht und Bauvorschriften auch gegen die Vonovia durchzusetzen und wünschte sich von der Stadt, den MieterInnen bei dieser „unendlichen Geschichte“ beizustehen. Oberbürgermeister Uli Burchardt sagte ihr die Mitwirkung der Stadt im Kampf gegen etwaige Rechtsbrüche zu.
Was daraus wird? Nun ja, das Paradies der mietenden Massen war Deutschland noch nie, und besser wird’s nimmer unter der Knute des auf Profitmaximierung versessenen Großkapitals. Dagegen helfen keine Petitionen an den Oberbürgermeister, dagegen hilft auch nicht die Gewerbeaufsicht.
O. Pugliese (Fotos: Winfried Kropp)