So wird die Welt ein Stückchen bunter

In der Spiegelhalle läuft gerade Sergej Gößners Stück „Der fabelhafte Die“, eine Auftragsarbeit des Theaters Konstanz, für die es in dieser Woche noch Karten im Freiverkauf gibt. Veronika Fischer hat mit dem Autor über die Entstehung des Werkes und seinen Hintersinn, über Reime und einen Zirkuswagen gesprochen.

Sergej, du hast das Stück „Der fabelhafte Die“ geschrieben, das derzeit am Theater Konstanz inszeniert wird. Wie würdest du denn das Stück in einem Satz zusammenfassen? Worum geht es da?

Also ganz plump gesagt: Habe den Mut du selbst zu sein! Das ist wohl die Grundmessage. Und das ist auch, was die Figuren im Stück erleben. Es ist ein bisschen komplex, weil es eine sehr verwobene Geschichte ist und die verschiedenen Ebenen sehr schnell wechseln. Wenn man es liest, ist es ein bisschen wild und vielleicht nicht ganz so einfach zu verstehen. Aber in der Inszenierung in Konstanz kam sehr gut rüber, was ich mir dabei gedacht hatte.

Das Stück ist ja fast komplett in Reimform geschrieben. Ist das dein erstes Stück dieser Art?

Ja! Zwischenzeitlich habe ich mir beim Schreiben auch gedacht, ich hätte ein Monster erschaffen. Das war gar nicht so einfach, das durchzuziehen. Ich habe es auch ein paar meiner Freund*innen zu lesen gegeben, während ich noch geschrieben habe und das Feedback war recht unterschiedlich. Es war schon ein gewisses Risiko im Spiel, aber es hat funktioniert und jetzt ist im Text ein Flow, der mir richtig gut gefällt!

Mich hat es ja ein bisschen an Ringelnatz erinnert vom Stil her. Hast du viel Lyrik gelesen, um dich da einzufinden?

Nein, es ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich reime. Ich habe schon ein paar Gedichte in meinen anderen Stücken. Teilweise auch aus meiner Jugendzeit, unfassbar schmalzig und kitschig sind die, eigentlich kann man das niemandem zumuten, aber ich dachte mir, das ist wahrhaftig und authentisch und da muss das Publikum jetzt eben durch. „Der fabelhafte Die“ hat kein konsequent durchgezogenes Versmaß und ich spiele sprachlich mit den Erwartungen, die man durch die Reimform hat. Rückblickend erinnert es mich ein wenig an eine Folge vom Tatortreiniger: „Der Fluch“. Das ist mir aber erst aufgefallen, als schon geprobt wurde.

Wie kam es denn dazu, dass du an diesem Stück gearbeitet hast?

Karin Becker und ihr Team haben ein Stück von mir am Jungen Schauspielhaus Hamburg gesehen und wir sind im Anschluss an die Vorstellung ins Gespräch gekommen. Und sie haben mich gefragt, ob ich ein Stück für das Theater Konstanz schreiben würde, weil sie so begeistert waren. Wir haben dann zusammen ein Thema gesucht, ein Konzept verfasst und uns für Die „Nah dran!“-Förderung des deutschen Kinder- und Jugendtheaterzentrums beworben. Und dann ging‘s los!

Und wie hat dir die Inszenierung dann gefallen? Es ist ja immer eine Überraschung, wenn man den eigenen Text in fremde Hände gibt und dann zur Premiere geht …

Das war toll! Ein Feuerwerk! Kristo Šagor hat Regie geführt und unfassbar präzise gearbeitet. Ich habe mir vorab sein Stück „Nibelungenleader“ angesehen und da war mir klar, dass ich das so schreiben kann, weil er versteht, um was es mir geht und er das Handwerk besitzt das umzusetzen. Allgemein ist das sehr spannend, wenn die eigene Fantasie auf eine andere trifft und so durch verschiedene Filter gejagt wird. Klar, das kann auch enttäuschend sein. Beim Schreiben dachte ich zum Beispiel, dass ein Zirkuswagen als Bühnenbild aufgebaut würde und habe das explizit so in den Text reingeschrieben. Der war dann erstmal nicht da und ich war schon kurz enttäuscht. Aber als ich gesehen habe, was daraus gemacht wurde, war ich richtig begeistert. Den Wagen braucht des natürlich gar nicht, eben weil er im Text schon so deutlich war und in den Köpfen entsteht.

Der Zirkuswagen hat mich ja ein bisschen verwundert. Weil der Text ja um Figuren geht, die abseits der Norm sind und die Message ist, dass gerade das ja normal sein kann/darf/soll, und dann startet das Stück aber in einem Zirkuswagen. Das erschien mir irgendwie als Widerspruch, der Zirkus als Ort der Absurditäten ist ja kein Teil der „normalen“ Gesellschaft.

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Das soll der Zirkuswagen nicht ausdrücken. Es geht nicht um eine Freakshow, in der die Figuren objektiviert und betrachtet werden, sondern es ist genau anders herum: ein Ort, an dem sich jede*r zeigen kann, wie er/sie ist. Der fabelhafte Die lässt sich nicht ausstellen, er macht/ist die Show und inszeniert sich selbst. Auf der Bühne wird das mit viel Humor gemacht. Er war ursprünglich auch der stärkste Mann der Welt und seine Muskeln sind einfach Schwimmflügel, die er an den Armen trägt. Auch sonst wird mit einfachen Mitteln gearbeitet, die super zeigen, um was es geht: zu Beginn ist die Bühne in rosa/blau gehalten und wird im Laufe des Stückes immer bunter und bunter. Es ist auch von der Geschichte des Hässlichen Entleins inspiriert. Eigentlich eine wahnsinnig blöde Story, und darum habe ich das etwas umerzählt.

Hast du das in anderen Stücken auch schon gemacht?

Ja, gerade fand die Uraufführung eines anderen Stückes von mir statt: „Rotkäppchen und Herr Wolff“, da habe ich auch die Geschichte umgedreht und der Wolf ist nicht mehr der Böse, sondern kommt mit guten Absichten. In dem Stück geht es um Solidarität, und die Kinder haben das wahnsinnig gut aufgenommen und mitgemacht. Am Ende hatten wir Erwachsenen Tränen in den Augen. Das war sehr berührend!

Du kommst ja von der Bühne und hast lange selbst gespielt.

Ich habe zehn Jahre als Schauspieler gearbeitet und irgendwann angefangen, selbst zu schreiben. Eigentlich wollte ich auch ein Jahr Auszeit machen, weil ich mich ein bisschen übernommen hatte. In der Spielzeit vor dem ersten Lockdown hatte ich vier Premieren als Spieler, habe parallel drei Stücke geschrieben und das erste Mal inszeniert. Daher war mein Plan eigentlich ein Sabbatjahr mit vielen Reisen …

Aber dann kam Corona.

… und ich habe das Jahr auf dem Sofa verbracht. Jetzt gerade genieße ich es sehr, dass wieder gespielt werden darf!

Termine und Tickets gibt es hier.https://webshop.jetticket.net/theaterkonstanz/Events

Das Gespräch führte Veronika Fischer, die Bilder stammen von Lisa Knauer