Solidarische Pflegeversicherung statt Flickwerk
Kurz vor Ende der Legislatur will die Bundesregierung nun doch noch eine seit Jahren überfällige Reform der Altenpflege auf den Weg bringen. Angesichts oft desaströser Zustände in der Branche, und nachdem zuletzt ein gemeinverbindlicher Tarifvertrag von der Caritas gestoppt worden war, sei für den Gesetzgeber höchste Zeit zum Handeln gewesen, sagt Sibylle Röth, Bundestagskandidatin der Linken. Das mit heißer Nadel von der Großen Koalition gestrickte Reformpaket allerdings erfülle die Erwartungen von Beschäftigten und Pflegebedürftigen nicht.
„Sollte der Durchschnittslohn dadurch tatsächlich steigen“, erklärt Röth, „wäre das erfreulich – aber auch längst überfällig!“ Die Änderungen im von Gesundheitsminister Jens Spahn vorgelegten Regierungskonzept seien indes längst nicht ausreichend, und lassen sie befürchten, dass sich am Problem niedriger Löhne und großer Arbeitsbelastung kaum etwas ändere.
Die vorgesehenen Regelungen zur Tarifbindung ließen Schlupflöcher offen, etwa Gefälligkeitsverträge zwischen Pseudogewerkschaften und Pflegeanbietern, die weiterhin keine fairen Löhne zahlen wollen. Falsch ist Röth zufolge auch, die Aushandlung von Vergütungen weiter Verbänden und Kassen auf Landesebene zu überlassen. „Eine flächendeckende Lösung, die den Beruf insgesamt aufwertet, bleibt die Bundesregierung schuldig“, kritisiert die Linke-Kandidatin. „Um den Beschäftigten eine sichere Perspektive zu geben, braucht es eine spürbare Erhöhung der Grundgehälter um etwa 500 Euro monatlich, dauerhaft und für alle.“ Nur wenn der Beruf attraktiver werde, lasse sich auch der Personalmangel beheben, ist sie überzeugt.
Die Reform werde überdies weder auskömmlich noch gerecht finanziert, verweist Röth auf die Meinung vieler Experten, wonach der jährliche Steuerzuschuss von einer Milliarde Euro zu niedrig ist. Zugleich sei die Erhöhung des Beitragssatzes für Kinderlose nicht nachvollziehbar. „Spahns pauschale Unterstellung, Menschen ohne Nachwuchs seien wohlhabender, ist nicht haltbar“, betont Röth. Für Ausgleich zu sorgen, sei Aufgabe des Steuersystems und des Kindergelds, nicht der Pflegeversicherung. „Es hierhin zu verlagern, macht nur Sinn, wenn man voraussetzt, dass Familien Pflegeaufgaben in hohem Maße privat übernehmen – und dass das auch so bleiben soll. Dahinter ist ein überkommenes Familien- und Frauenbild zu vermuten.“
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Noch gravierender fällt Röth zufolge die fehlende Deckelung der Pflegekosten ins Gewicht, die in einem ersten Entwurf noch vorgesehen war. Statt einer klaren Begrenzung sei ein zeitlich gestaffeltes Stufenmodell vorgesehen, das am eigentlichen Ziel vorbeigehe: „Viel zu viele Menschen können sich von Beginn an stationäre Pflege nicht leisten und werden in die Sozialhilfe gedrängt. Eine Sozialversicherung ist aber dafür da, Risiken abzusichern – und zwar sobald sie eintreten.“
Neben einer solidarischen Steuerfinanzierung trete die Linke deshalb dafür ein, das Versicherungssystem selbst einheitlich zu gestalten. „Wir brauchen ein System, in das alle gemeinsam einzahlen und von dem alle gleichermaßen profitieren!“ Die Linke-Kandidatin verweist dazu auf das durchgerechnete Konzept ihrer Partei, mit dem die nötigen Verbesserungen in der Pflege solide finanzieren würden – zum Nutzen von Beschäftigten und Pflegebedürftigen. Für wichtig hält es Sibylle Röth zugleich, die Privatisierung und damit Kommerzialisierung des Pflege- und Gesundheitssystems rückgängig zu machen. „Es ist zynisch, auf der einen Seite kinderlose Beitragszahlende gegen die Gehälter der Pflegekräfte auszuspielen, aber gleichzeitig zuzulassen, dass mit Pflege weiterhin Gewinn gemacht wird!“
MM/jüg (Bild: Gerd Altmann auf Pixabay)