SPD – was nun? Wortbruch oder Weichenstellung?

Aufruhr in der SPD auch in der Region nach der Sondierung in Berlin: Während der Juso- Kreisvorstand seine Stellungnahme knackig mit „Nein zur GroKo. Nein zu faulen Kompromissen“ überschreibt, feiert Rita Schwarzelühr-Sutter die Weichenstellung für eine große Koalition als „gute Grundlage“. Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Waldshut-Tiengen sieht „keine Rolle rückwärts“.

Rita Schwarzelühr-Sutter (Foto) freut sich offensichtlich, ihren Posten als Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit behalten zu können. Anders ist ihr Lob für das Gesprächsergebnis kaum zu erklären: „Das Sondierungsergebnis ist eine gute Grundlage nicht nur für Koalitionsverhandlungen, sondern vor allem für die Menschen im Land. Beim sozialen Wohnungsbau wird es auch 2020 und 2021 finanzielle Mittel geben. Kleine und mittlere Einkommen und Familien sollen entlastet werden“, berichtet die Abgeordnete.

Und überdies: „Die gesetzliche Krankenversicherung soll zukünftig wieder zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Versicherten getragen werden. Das entlastet die ArbeitnehmerInnen auf einen Schlag um fünf Milliarden Euro. Außerdem soll es mehr Personal und bessere Bezahlung in der Pflege geben.“ Und endlich: „Die Sondierungen zeigen bereits jetzt schon, dass wir eine konservativ-neoliberale Rolle rückwärts erfolgreich verhindert haben“, so die Staatssekretärin, die auch als Delegierte am 21. Januar beim SPD-Bundesparteitag in Bonn teilnehmen wird.

Herbe Kritik der Jusos

Ganz anders die Jusos im Kreis Konstanz. Die Jugendorganisation der örtlichen SPD formuliert enttäuscht: „Mit Schrecken und Enttäuschung nimmt der Juso Kreisvorstand die Ergebnisse der Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD zur Kenntnis. Das verabschiedete Papier zeigt keinerlei sozialdemokratische Handschrift, sondern spricht vielmehr die Sprache von faulen Kompromissen. Wir stellen fest, dass keine der Kernanliegen der SPD durchgesetzt werden konnte.“

Darüber hinaus fehlten, so die Jusos, wichtige Punkte, um ein sozialeres und gerechteres Deutschland zu verwirklichen: „Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik fehlen wichtige Änderungen wie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Wenn man sagt, man wolle die Leiharbeit „evaluieren“ und das Schonvermögen bei ALG-2-Leistungen überprüfen, dann reicht uns das nicht. Darüber hinaus fehlt eine grundlegende Reform der Rente, die angesichts der kommenden Herausforderungen dringend nötig gewesen wäre, um kleine Einkommen abzusichern“. Und die Bürgerversicherung werde nicht angegangen, obwohl diese seit Jahren von dem Großteil der SPD gefordert wird.

Außerdem würde ein weiterer Eckpfeiler des SPD-Wahlkampfes ebenfalls im Vorbeigehen niedergerissen: Es soll keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes geben. Zudem sei es „völlig inakzeptabel, dass die SPD-Spitze um Martin Schulz einer inhumanen Flüchtlingspolitik zustimmt, welche eine vollkommen absurde Obergrenze fordert. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands kann und darf sich niemals dem Populismus von rechts außen geschlagen geben.“

Der Juso Kreisvorstand Konstanz lehnt aufgrund der Ergebnisse der Sondierungen weiterhin jegliche Zusammenarbeit mit der Union ab. Die Große Koalition wurde abgewählt. Die Parteiführung habe dies über Monate betont. Nun gelte es, Wort zu halten. „Wir fordern daher alle Delegierten des kommenden Bundesparteitages auf, sich entschieden gegen eine Große Koalition zu stellen und gegen den Antrag des Parteivorstands zu stimmen.“

MM/hpk