Spielt die Bahn – in Lindau und anderswo – mit falschen Karten?

20110911-194146.jpgWenn Martin Zeil, Bayerns Wirtschafts- und Verkehrsminister, am kommenden Freitag nach Lindau kommt, wird er einige Fragen beantworten müssen: Wird die viel genutzte Südbahnstrecke zwischen Ulm, Biberach, Ravensburg, Friedrichshafen und Lindau doch nicht elektrifiziert? Bleibt der Bahnhof Lindau auf der Insel? Kürzt die Bahn ihr Finanzprogramm wegen Stuttgart 21? Charly Schweizer von der Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof Lindau erhofft sich konkrete Antworten.

Seit 1997, als erste Pläne der Bahn bekannt wurden, den Lindauer Inselbahnhof zu verlegen, kämpft die Aktionsgemeinschaft für den Erhalt des Lindauer Wahrzeichens. Ihre Argumente: Ein neuer Hauptbahnhof im zentrumsfernen Stadtteil Reutin würde die Lindauer Insel auch und gerade aus touristischer Sicht entwerten. Doch darum geht es – so Charly Schweizer – gar nicht mal in erster Linie. Auf der Insel würde wertvolles Gelände frei für Luxuswohnungen, Hotels und ein Kongresszentrum. Auch ein zweiter Damm müsste gebaut werden – für zusätzlichen Autoverkehr. Der Charme der Insel wäre für immer verloren.

Seltsame Parallelen zu Stuttgart 21: Mit dem womöglich 10 Milliarden teurem Bahnprojekt S21 würden wertvolle, oberirdische Flächen von 100 Hektar frei – für Parkplätze und das größte Einkaufszentrum der Region. Seit mehr als zehn Jahren regt sich gegen beide Bahnprojekte erheblicher Widerstand – in Stuttgart wie in Lindau.

Folgerichtig organisiert die Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof Lindau am 14./15. Oktober in Lindau einen Bahnhofskongress Lindau und Stuttgart, Bodenspekulation oder Stadtentwicklung. Mit den bundesweit bekannten Bahnkritikern Winfried Wolf und Gangolf Stocker, dem „Erfinder der S21-Bewegung“, mit zahlreichen Professoren, mit Bundestags- und Landtagsabgeordneten soll die Veranstaltung auf der Lindauer Insel, mitgetragen u.a. von der Bunten Liste Lindau und der Linken, von attac und dem Aktionsbündnis S21, ein Protestsignal gegen den allein profitorientierten Bahn-Gigantismus setzen.

Denn die Zeichen mehren sich, dass die sündhaft teuren Großprojekte nur zu Lasten anderer Baumaßnahmen finanziert werden können: Die Südbahn, aber auch die Gäubahn geraten immer mehr ins Hintertreffen. Selbst für seit Jahren notwendige Modernisierungsarbeiten, wie zum Beispiel für den Ausbau des Konstanzer Bahnhofs, fehlt plötzlich das Geld.

Die Befürworter der Mammutprojekte in Lindau, Friedrichshafen und Oberschwaben, aber auch in Konstanz und Horb, die jetzt wegen der Finanzierungsengpässe aufheulen, werden sich in den kommenden, herbstlichen Monaten warm anziehen müssen, um diesen, von ihnen lange mitgetragenen Etikettenschwindel den Wählern zu erklären. Denn so viel ist sicher: Die Bahn spielt, und nicht nur in Lindau, mit falschen Karten.

Autor: hpk

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