Stadterweiterung geht in die nächste Runde
Die Gemeinderatssitzung am letzten Donnerstag bot einen Blick darauf, wie es mit der Wohnungspolitik in Konstanz weitergehen soll. So gab es einen Bericht über die derzeitige Planung des neuen Stadtteils Hafner. Außerdem überraschte der OB mit unorthodoxen Plänen zur Flüchtlingsunterbringung und -integration. Ganz nebenbei erfuhr man, dass es auch in Konstanz Leute gibt, die zwei Millionen Euro einfach nicht brauchen.
Die größte städtische Aufgabe der nächsten Zeit ist die Entwicklung des neuen Stadtteils Hafner, und verantwortlich dafür wird auf Seiten der Stadt Marion Klose sein, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt. Sie stellte dem Gemeinderat die jetzt fertige Organisationsstruktur für die Entwicklung des Hafner vor. Mit dabei war Sonja Knapp von der STEG in Stuttgart. die STEG Stadtentwicklung GmbH ist ein Unternehmen der Landesbausparkasse (LBS) Südwest und der (katholischen) Siedlungswerk GmbH. Sechs ihrer Mitarbeiter werden der Stadt Konstanz beim Projekt Hafner zur Seite stehen. Das Unternehmen wurde 1961 gegründet, hat 110 Mitarbeiter und ist im Bereich Stadtentwicklung und -sanierung tätig. Nach Knapps Angaben wollen die Gesellschafter der STEG schwarze Zahlen sehen, weitere Interessen, wie etwa sich selbst Bauland zuzuschustern, verfolgten sie mit der STEG danach nicht.
Nachgefragt
Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) entwickelt sich immer deutlicher zur besten Spürnase des Gemeinderates und dessen schärfstem Inquisitor. So wollte er von Frau Knapp wissen, ob ihr Unternehmen ausreichend Referenzen vorzuweisen habe und ob die STEG denn ihre Zeitpläne einhalte. Frau Knapp verwies auf die über 55-jährige Erfahrung des Unternehmens, führte einige größere Projekte an und erbot sich, Wolfgang Müller-Fehrenbach eine Referenzliste zuzusenden – alternativ könne er die allerdings auch im Internet lesen. Sie gab zu, dass die STEG nicht immer ihre Zeitpläne eingehalten habe, dafür seien in großen Entwicklungsprojekten zu viele Überraschungen möglich, angefangen mit untereinander total zerstrittenen Grundstückseigentümern. Angesichts der überwältigenden Gesprächsbereitschaft der Konstanzer Grundstücksbesitzer sei sie aber guter Hoffnung, immerhin hätten 99,4 Prozent von ihnen einen Fragebogen ausgefüllt, was ein absolut sensationeller Wert sei.
Das Organigramm, das Marion Klose vorstellte, ist sehr ausgeklügelt und damit der Größe der Aufgabe angemessen. Immerhin geht es am Hafner um 120 Hektar Grund und Boden, der insgesamt 370 Eigentümern gehört (s. Schaubild). Zudem müssen Gespräche mit Mietern, Pächtern, Landwirten und anderen Menschen geführt werden, die dort Grundstücke nutzen und ihrerseits teils andere Interessen als die Grundstückseigentümer haben. All dies will man bis zum 3. Quartal 2018 abgeschlossen haben. Gleichzeitig soll bis ins 1. Quartal 2019 ein „wettbewerblicher Planungsdialog“ geführt werden. Der Abschluss der städtebaulichen Voruntersuchungen ist für Ende 2019 geplant. Das heißt, dass man in etwa zwei Jahren konkretere Pläne für den neuen Stadtteil erfahren wird.
Lob an die Verwaltung
Großes Lob erhielten Marion Klose und Sonja Knapp von Johann Hartwich (FDP). Er zeigte sich ausdrücklich „überrascht“ von deren großer Professionalität. Anscheinend traut Hartwich Frauen die Lösung einer solchen stadtplanerischen Herkulesaufgabe nicht zu, und da er selbst Architekt ist, darf man vermuten, dass er gute Gründe dafür hat. Leider behielt er diese Gründe für sich.
Der nächste öffentliche Schritt in Sachen Hafner ist für den Dezember 2017 geplant. Dann nämlich soll der Gemeinderat die Rahmenbedingungen für den wettbewerblichen Dialog beschließen, in dem die Stadt mit verschiedenen interessierten Planungsunternehmen an möglichen Konzepten für den Stadtteil arbeitet. Ein neuer Stadtteil ist natürlich nicht nur eine Ansammlung von Wohngebäuden, es bedarf eines Verkehrskonzeptes, es braucht eine soziale Infrastruktur mit Kindergärten, Schulen, Einkaufs- und Begegnungsmöglichkeiten, man muss sich über die Energieversorgung Gedanken machen usf. Auf unserem Lebenswege will vom Kreißsaal über die Kläranlage bis zum Friedhof vieles bedacht werden. Uli Burchardt ist recht zu geben, als er konstatierte: „Die zeitlichen Erwartungen an dieses Projekt sind extrem hoch.“
Über das Thema Hafner hinausgehend will der GR voraussichtlich im Januar 2018 über das Handlungsprogramm Wohnen debattieren. Angesichts der trüben Wirklichkeit auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt gibt es in der Tat erheblichen Gesprächsbedarf (wie mein unseliger Vater zu sagen pflegte, um eine ordentliche Tracht Prügel anzukündigen).
Die Zukunft der Flüchtlingsunterbringung
Auf dem Gelände zwischen Line-Eid- und Reichenaustraße wird eine größere Flüchtlingsunterkunft entstehen. Angesichts des Wohnraumbedarfs dieser Menschen wurden gesetzliche Vorgaben gelockert, so dass jetzt in Gewerbegebieten wie Stromeyersdorf auch Flüchtlingsunterkünfte gebaut werden dürfen, während reine Wohnbebauung dort bisher nicht erlaubt war. Der Gemeinderat stimmte mit großer Mehrheit der dafür notwendigen Änderung des Bebauungsplanes Stromeyersdorf zu.
An der Line-Eid-Straße soll eine Gemeinschafts(massen)unterkunft entstehen, in der die Menschen nach ihrer Ankunft bis zu zwei Jahre bleiben müssen, ehe sie nach Abschluss ihres Asylverfahrens in die Anschlussunterbringung, also eine dauerhafte und bessere Unterbringung ziehen. Die Räumlichkeiten in der Steinstraße 20 und der Luisenstraße (Atrium), die bisher als Gemeinschafts(massen)unterkünfte dienen, sollen künftig der Stadt zur Anschlussunterbringung zur Verfügung stehen.
Anke Schwede kündigte für die Linke Liste Stimmenthaltung an. Sie erinnerte daran, dass von Anfang an davon gesprochen worden sei, man wolle Flüchtlinge dezentral in kleinen Wohneinheiten überall in der Stadt unterbringen. Sie nannte als Beispiele dafür die Gebäude im Zergle, in der Schottenstraße und in Egg, die für die Anschlussunterbringung errichtet wurden, sowie geplante Projekte z.B. in Wollmatingen (Christuskirche), „Südlich Friedhof“ in Petershausen und auf dem Grundstück der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Petershausen West. Jetzt aber wolle die Stadt mit der Steinstraße und der Luisenstraße Massenunterkünfte zur Anschlussunterbringung nutzen. Damit leiste sie einer Gettoisierung Vorschub und behindere die Integration dieser Menschen. Andererseits könne die Linke Liste natürlich angesichts der Notlage in Konstanz auch nicht gegen eine solche Lösung stimmen, daher enthalte sie sich.
Der Oberbürgermeister erinnerte in seiner Erwiderung an den großen Mangel an Anschlussunterkünften, der am einfachsten durch Großgebäude wie in der Stein- und der Luisenstraße zu beheben sei. Ziel der Stadt sei es allerdings, diese Unterbringungen erstens durch Sanierung erheblich aufzuwerten und zweitens für eine soziale Mischung zu sorgen, damit keine Gettos entstünden. So gebe es Gespräche mit der Seezeit, also dem Konstanzer Studierendenwerk. Geplant sei ein gegenseitiger Austausch von Wohnplätzen, so dass in Zukunft Flüchtlinge zusammen mit StudentInnen wohnen können, sowohl in den städtischen Einrichtungen als auch in den Gebäuden der Seezeit.
Es wird eng
Die FGL hatte die Verwaltung um Auskunft über die Nachfrage nach Gewerbeflächen gebeten, und Bernd Stephan von der Wirtschaftsförderung gab ziemlich erschöpfend Auskunft. Allerdings wurde bald klar: Wirklich verlässliche Zahlen, wie groß der Bedarf an Gewerbeflächen in Konstanz ist, kann er nicht liefern, was der Sache geschuldet ist: Anfragen stammen oft von Unternehmen, die zahlreiche Städte anfragen und kaum ein ernsthaftes Interesse speziell an Konstanz haben, und viele Gewerbeflächen gehen auch von privat an privat, so dass die städtischen Wirtschaftsförderer davon nichts erfahren. Über die tatsächliche Nachfrage und den absehbaren Gesamtbedarf konnte Stephan sich nicht verlässlich äußern.
Den interessantesten Redebeitrag zu diesem Thema lieferte Oberbürgermeister Uli Burchardt. Er hätte gern ein Möbelhaus in Konstanz, aber das sei bisher immer am fehlenden Grundstück in optimaler Lage gescheitert. Aufhorchen ließ aber eine andere Auskunft: Es gebe in der Tat in Konstanz leere Gewerbeflächen, an die nicht heranzukommen sei. Er selbst habe mit deren Eigentümern gesprochen. Das seien Leute, die nicht verkaufen wollen, weil sie die Millionen aus dem Verkauf nicht brauchen. „Was soll ich mit zwei Millionen?“, habe jemand gefragt. „Auf die Bank tragen? Da behalte ich lieber das Grundstück.“
„Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Euro zum Glück“, hieß es in einem (Nazi-)Schlager. Solche Leute gibt es scheint’s tatsächlich.
O. Pugliese (Schaubild: Stadt Konstanz)