Stadtgeflüster: Konziljubiläum, Open-See und Seufzerbrücke

Foto: Ben Tubby/flickr.com

Während dieser Tage die ersten eingeschmolzenen Osterhasen als Weihnachtsmänner in den Läden auftauchen, grübeln Stadtverwaltung und Ratsmitglieder, wie man den anstehenden Haushalt halbwegs auf die Reihe bekommt. Bis Februar soll der Kittel geflickt sein und schon jetzt ist klar, dass es eng wird und kein Geld zur Verfügung steht für außerplanmäßige Ausgaben. Aber – Halleluja – spätestens ab 2014 zum Konziljubiläum waten wir dann alle hüfthoch in Milch und Honig: Neues also aus dem Konstanzer Hoftheater.

Zuallererst aber eine Nachricht aus der Tierwelt. Die Eselspinguine, von der Ortspostille bei ihrer Ankunft im Sea Life als Sensation gefeiert: „Die drolligen Frackträger sind da!“, wurden abtransportiert. Seltsam, dass darüber bislang nichts zu lesen war. Ansonsten berichtet der Südkurier ausführlich über jeden Muschelfurz aus dem Glaskasten am See, dass nun aber die Pinguine aus ihrem Kunstlichtbunker geschafft wurden, war der Redaktion bislang keine Zeile wert.

Ja, wo sind sie denn? Auf Anfrage teilt Sea Life zögerlich mit, man habe die bedauernswerten Kreaturen in den Züricher Zoo gebracht, denn das Konstanzer Pinguingehege werde neu gestaltet und „babyfertig“ umgebaut. Aha, man denkt also an putzigen Nachwuchs, mit dem sich noch mehr Geld machen lässt. Nun sind die Konstanzer Frackträger in Zürich zwischengelagert und warten in Quarantäne auf ihre Rückführung an den Bodensee. Dann, falls es Nachwuchs gibt, wird es noch enger. Ende November, so die Auskunft, kämen die Tiere wieder nach Konstanz. Sie seien schon beim Hintransport bester Dinge gewesen und hätten untereinander ständig Sicht- und Körperkontakt gehabt. Das lässt uns hoffen.

Vor rund einem Jahr wurde unter lautem Helau die Bodanbrücke eingeweiht. Sie erinnern sich? Das Jahrhundertwerk war am Ende mehr als doppelt so teuer wie veranschlagt. Neulich im Gemeinderat wurde allen Entscheidungsträgern ein Papier vorgelegt, das Auskunft über den unerfreulichen Kostenanstieg geben sollte. Aber auch danach war man nicht klüger. Interessant aber die Mitteilung, dass das für den Bau zuständige Architekturbüro sich in Konstanz erstmals im Brückenbau versuchte. Na ja, jeder fängt mal klein an, nicht wahr?

Aktuell ist festzustellen, dass sich die Seufzerbrücke schon jetzt in einem erbärmlichen Zustand befindet. Die Treppenaufgänge sind mit Vogelexkrementen überhäuft und der Aufzug gibt gerne den Geist auf. Das käme davon, erklärte ein Mitarbeiter der Verwaltung, dass Passanten beim Einstieg in den Aufzug kleine Steinchen mit sich führten. Um das fortan zu verhindern, darf der Aufzug ab 1.12. nur noch barfüssig betreten werden. Eine kluge Entscheidung. Seltsam auch, dass sich in der Mitte des Brückenübergangs eine langgezogene Furche im Beton gebildet hat.  Gibt es dafür eine Erklärung, Herr Bürgermeister Werner?

Seit Jahren organisiert der Kulturladen das bei jugendlichen Rockmusikern beliebte Open See, das dieses Jahr sogar mit einem Award der Popakademie Mannheim ausgezeichnet wurde. Aber um die Weiterführung dieses Wettbewerbs scheint es schlecht bestellt. Der KuLa hat sich dem Event seit neun Jahren mit viel Herzblut verschrieben, kommt nun aber finanziell nicht mehr hin und beantragte kürzlich eine jährliche Ausfallbürgschaft über 10 000 Euro. Bislang habe man das Open See mit Mitteln aus dem laufenden Zuschuss für den KuLa und einigen Sponsorengeldern finanziert. Nun ginge die Rechnung aber nicht mehr auf, sagt KuLa-Vorstandssprecher Wolfgang Daiber, denn auch eine Kürzung der Landesmittel droht.

Open See hat sich längst etabliert, bis zu 100 Bands bewerben sich jährlich für das Festival. Übrig bleiben vier Siegerbands, die sich im Konstanzer Stadtgarten in der Konzertmuschel präsentieren dürfen und vor bis zu 3000 Zuhörern ihr Können demonstrieren. Das Konzept hat eingeschlagen, aber ohne eine finanzielle Unterstützung ist der Nachwuchswettbewerb nicht überlebensfähig. „Kommt bis Ende 2010 kein deutliches Signal von der Stadt“, so Daiber, „dann wird es kein Open See 2011 geben“. Und das wäre jammerschade, denn die Veranstalter von Open See sorgten immer dafür, dass junge Pop- und Rockformationen die Chance bekamen, auch mal vor größerer Kulisse aufzutreten. Mit viel Erfolg, vor großem Publikum – aber ohne Zukunft?

Aktueller Nachtrag: Der Kulturausschuss lehnte den Antrag über 10 000 Euro ab, bewilligte aber 5000 Euro für das Open See. Segnet auch der Gesamtgemeinderat diesen Vorschlag ab, dann, so Wolfgang Daiber: „Steht einem Open See 2011 nichts mehr im Weg.“

OB Frank hat zum Ende seiner Amtszeit Großes vor und will ab 2014 mit dem Konziljubiläum dafür sorgen, dass „Konstanz auf die europäische Landkarte kommt“. Da Frank 2012 aus dem Amt scheidet und seine Drohung, eventuell nochmal anzutreten, wohl doch nicht umsetzt, will er zumindest das kommende Jubiläumsfest (bei dem ursprünglichem gab es ja kaum was zu jubilieren) mit seinem Namen verbunden wissen. So geistern teils vernünftige, teils absurde bis lächerliche Vorstellungen durch den Raum. Verschiedentlich ist sogar davon die Rede, Papst Ratzinger käme höchstpersönlich an den Bodensee, um der Konzilsstadt seine Aufwartung (?) zu machen. Ein gemeinderätlicher Arbeitskreis zum Thema ist ebenfalls emsig mit der Vorplanung beschäftigt, aber vor allem FWG und CDU wollen dabei unter sich bleiben und verweigern den kleineren Ratsgruppierungen NLK, FuF und LLK reichlich rotzfrech die Teilnahme (wir berichteten).

Neben diesem Zirkel nach Konstanzer Ratsherrenart müht sich auch eine Initiative um Jubiläumsideen, die sich „Gruppe Bürgerschaftliches Engagement Konziljubiläum“ nennt und schon mehrmals zusammentraf. Wie seemoz aus zuverlässiger Quelle erfuhr, türmen sich bei den bürgerschaftlich Engagierten die Wunschträume fast stündlich auf. Beim nächsten Treffen am 22.11. soll das geplante „Belehnungsfest mit großem Konzilsumzug“ im Mittelpunkt der Diskussion stehen. OB Frank geht davon aus, dass es möglich sei, „eine Mehrheit der Bürger zu begeistern“.

Das Belehnungsfest soll ein „großer, mittelalterlich gewandeter Umzug durch Konstanz“ werden, der sich an mehreren Tagen Ende April 2017 durch die Stadt wälzen will. Davon ist Frank hellauf begeistert und soll sogar für dieses Projekt schon finanzielle Unterstützung der Stadt in Aussicht gestellt haben. Der Mann ist mutig. Vorbild für diese Veranstaltung seien, so Frank, „die Narrentreffen“. Die Presse möchte man vorab nicht näher informieren, beschloss die Gruppe, bei der die Fahnenschwinger aus der Niederburg zahlreich vertreten sind. Das lässt doch Großes vermuten. Weiter so.

Autor: H.Reile