Stadtgeflüster: Von Narren und Online-Psychopathen

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Fertig ist´s mit Ho Narro, Fanfarengelärm und vollgeseichten Hauseingängen. Nun wird die Stadt vom Müll gesäubert, damit der kommende Landtagswahlkampf sauber über die Bühne gehen kann. Der Kampf um Wählerstimmen biegt auf die Zielgerade ein. Wer am 27.3. jubilieren darf und wer ein langes Gesicht macht, bleibt abzuwarten. Völlig losgelöste Zeitgenossen wähnen sich aber jetzt schon von gewalttätigen Systemumstürzlern umzingelt und treiben die Betreiberin eines Online-Auftritts in massive Erklärungsnöte.

Der verordnete Frohsinn der vergangenen Wochen hatte wie immer einen negativen Höhepunkt. Die Fernsehfasnacht, übertragen aus dem Konstanzer Konzil, war an Peinlichkeit nur schwer zu überbieten. Wer gewillt war, sich die knapp vier Stunden zuzumuten, die der SWR ausstrahlte, muss ein Masochist sein. Was sich da an gänzlich talentfreien Darbietern ungestraft vor der Kamera präsentieren darf, ist kaum zu ertragen. Wenn vermeintliche Lokalprominenz feixend in der ersten Reihe sitzt, ist das dem bedauerlichen Umstand zu verdanken, dass sie rein gar nichts zu befürchten hat. Nimmt man diesem alljährlichen Desaster noch die beiden Heizmänner weg, taugt der Rest nicht mal für ein privates Kellerfest abgefüllter Bundeswehrrekruten auf Freigang. Der SWR-Redakteur Gerd Motzkus, seit Jahren verantwortlich für die Konstanzer Fernsehfasnacht, bezeichnet das Elend aber immer als „großartigen Erfolg“. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Medienmann die Unterhaltungszumutung bis zu seiner Pensionierung künstlich am Leben erhalten will. Da bleibt nur noch die Hoffnung, dass der Mann schneller altert als unsereiner.

Wie es anders gehen kann, zeigten eindrucksvoll Gamaschen-Tobi (Tobias Engelsing) und Zahnstocher-Flori (Florian Riem) mit ihrem Carnevale Sicialiano im dreimal ausverkauften Konzil. Was sie, wunderbar musikalisch begleitet von der „Südwestdeutschen Philharmonie“, auf die Bühne brachten, war allererste Sahne. Das Thema KKH zog sich wie ein roter Faden durch den Abend: „Die Befürworter haben es tatsächlich geschafft, eine Rücklage über 13 Millionen Euro über Nacht in ein Haushaltsdefizit von 24 Millionen zu verwandeln“. OB Frank wurde als „Kommunal-Berlusconi aus dem Wollmatinger Dschungelcamp“ verspottet, den man mitsamt der „ausgebrannten Konstanzer Verwaltungsspitze“ in den Ruppaner Höhlen endlagern sollte. Auch das Ortsblatt Südkurier bekam sein Fett weg und darf fortan als „Corriere de Mozarella, sprich Käseblatt“ bezeichnet werden. Einzig Bürgermeister Claus Boldt, alias Don Baldini, fiel deutlich ab. Er, hereinspaziert als Einsparer im Kulturbereich, wurde nach wenigen Minuten erschossen. Das war nur logisch, denn er stand bei seinem Kurzauftritt doch eher rum wie Falschgeld. Aber alles in allem geriet diese etwas andere Art von Karneval zu einem Erfolg und war um Klassen besser als die vermuffte Fernsehfasnacht aus Deutschlands letztem Zipfele.

Etwas erstaunt und auch irritiert blicken derzeit medieninteressierte Zeitgenossen, die ihre Informationen auch aus dem Internet beziehen, auf das Online-Magazin seeonline. Was dort seit einigen Wochen auf der Kommentarleiste zu lesen ist, lässt nur einen Schluss zu: Der Betreiberin dieser Seite gerät ihr Online-Auftritt langsam aus dem Ruder. Zwar geht es online auf diversen Seiten zwischen Flensburg und Konstanz bisweilen heftig zu, was oft dazu führt, dass sich LeserInnen an die Wäsche gehen und grenzwertige Kommentare absondern. Aber was und wie bei seeonline kommentiert wird, war so bislang in unseren Breitengraden nicht zu lesen. Alles, was etwas links von der FDP steht, wird gnadenlos diffamiert und persönlich auf niedrigstem Niveau attackiert. SPD, Grüne und Linke werden als „gefährliche Sozialisten“, „Totengräber der Demokratie“, „Diktaturverherrlicher“, „grüne Ökoterroristen“, „gewalttätige Steinewerfer, Prügler und Randalierer“, „Mauermörder“ oder sogar als „rote SA“ bezeichnet. Waltraud Kässer, die für seeonline verantwortliche Redakteurin, läßt dies zu. Zwar schwante ihr vor einigen Tagen, dass es um die „Kultur“auf ihrer Kommentarleiste wohl nicht so gut bestellt sei, doch dagegen unternommen hat sie bislang kaum etwas. Im Gegenteil: Durchgeknallte Kampfpudel aus der braunen Ecke dürfen sich rund um die Uhr gegen politisch Andersdenkende austoben. Erst kürzlich wurde auf seeonline sogar indirekt für NPD und Republikaner geworben. Nochmal: Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber hier werden seit geraumer Zeit auch weit gedehnte Grenzen überschritten. Die wenigen Kommentatoren, die versuchen, dagegen anzuschreiben, werden umgehend verleumdet. Das ist schade, denn seeonline, das bislang eher liberal-konservative Kreise bedient hat, muss sich nun den Vorwurf gefallen lassen, rechtsrandigen Psychopathen ein Forum zu bieten. Ob man so dem angestrebten Ziel näher kommt, möglichst viel Werbung auf die Seite zu ziehen, um davon irgendwann leben zu können? Wohl kaum. Gute Besserung!

Autor: H.Reile