Stadtmarketing: Entlarvt
Wenn Eric Thiel zum Konstanzer Unternehmerfrühstück lädt, will er seinen Gästen etwas Besonderes bieten. Diesmal ist es am 18. November der „Top-Referent Professor Dr. Jack Nasher“, den der Geschäftsführer des Stadtmarketings persönlich ausgewählt hat. „Professor an der Munich Business School und der TU München, Oxford University“, heißt es in der Einladung, unterschrieben von Oberbürgermeister Uli Burchardt, dem Leiter der Wirtschaftsförderung, Friedhelm Schaal, und Thiel. Peinlich findet unsere Gastautorin den Vorgang.
Doch Nasher (Foto) ist weder Professor an der Technischen Universität (TU) München noch an der Oxford University. Er hat lediglich eine 50prozentige Professorenstelle an der Munich Business School, einer privaten Fachhochschule, die in Sachen Forschung bisher nicht gerade glänzte. Die Forschungsleistungen bewegten sich „nicht auf einem für eine Hochschule mit Masterangeboten angemessenen Niveau“, urteilte der Wissenschaftsrat 2015.
Auf eine Anfrage an Oberbürgermeister Uli Burchardt, warum die Stadt Konstanz mit derart falschen Angaben wirbt, meldet sich Thiel. Er habe das von einer Mitarbeiterin recherchieren lassen, erklärt er. Die muss dann wohl mehr phantasiert als recherchiert haben. Denn auf der Hochschulwebsite ist lediglich nachzulesen, dass er Doktorandenseminare an der TU München abhält. „Jack Nasher ist nicht Professor an der Technischen Universität München (und auch nicht anderweitig angestellt oder zum Lehrbeauftragten bestellt)“, stellt die Pressestelle der Universität klar. Er habe in den vergangenen Semestern lediglich eintägige Seminare zum Thema Verhandlungstechniken an der TUM Graduate School gehalten. Die sind Teil eines Programms zur fachübergreifenden Qualifizierung, gehören damit also nicht zu den akademischen Inhalten.
„Da ist uns ein Fehler unterlaufen“
Falsch ist auch die Angabe zur Oxford University. Die hat es dem Stadtmarketing offenbar besonders angetan. So heißt es auf der zweiten Seite der Einladung sogar: „Professor Dr. Jack Nasher (Oxford University)“. Doch auf der Hochschulwebsite steht nur, dass Nasher als Tutor in Oxford tätig war, wo er ein Studium zum Master in Management Research absolviert hat.
„Da ist uns ein Fehler unterlaufen. Dafür möchte ich mich entschuldigen“, sagt Thiel. Der Text sei nicht mit Nasher abgestimmt worden. Dafür habe man gar keine Zeit gehabt. Allenfalls mit den Sponsoren, also dem Südkurier Medienhaus, Engel & Völkers und Südstern Bölle habe man das besprochen. Auf die Frage, ob man dem Referenten die Einladung zugeschickt habe, weicht Thiel aus. Er glaube es nicht.
Doch selbst wenn dieser die Einladung gesehen hätte, wäre das wohl ganz in seinem Sinne gewesen. Schließlich ist der „Lügenpapst“ (Eigenwerbung) dafür bekannt, bei seiner Selbstdarstellung gern zu übertreiben und zu täuschen. So behauptet er nicht nur, das „beste Verhandlungsseminar auf dem Markt“ anzubieten, er bezeichnete sich auch als „der meistgelesene Wirtschaftspsychologe Kontinentaleuropas“. Das brachte ihm vor kurzem Ärger ein. Weil sein „Psychologie-Studium“ gerade mal 16 Prozent eines regulären Psychologie-Studiums umfasst, wurde er wegen Irreführung über seine Befähigung verurteilt. Geklagt hatte der Berufsverband Deutscher Psychologen.
„Dafür entschuldigen wir uns“
Thiel hat nun reagiert: „Herr Nasher ist Professor an der Munich Business School (gem. Einladung OK). An der TU München gibt er Doktorandenseminare, ist dort aber kein Professor und kein Lehrbeauftragter (dort ist uns ein Fehler in der verkürzten Darstellung unterlaufen). In Oxford war er als Tutor tätig, ist dort aber kein Professor (gem. Einladung unklar). Dies hätte klarer auf der Rückseite der Einladung kommuniziert werden sollen – dafür entschuldigen wir uns. Auch werden wir das Oxford University auf Seite 2 korrigieren. Wir werden es wie besprochen da ändern, wo es möglich ist. Ebenso werden wir es zu Beginn der Veranstaltung richtigstellen“.
Beim Unternehmerfrühstück sollen die Unternehmer dann übrigens lernen, wie man in kürzester Zeit Lügen durchschauen und die Wahrheit herausfinden kann. Dabei wird in der Einladung auch Bezug auf Nashers Buch „Entlarvt“ genommen. Darin propagiert er eine Verhörmethode, bei der Verdächtige gezielt angelogen werden, um sie zu einem Geständnis zu bringen. Die Verhörtechnik verstößt in Deutschland gegen die Strafprozessordnung und führt laut Experten zu einer hohen Rate von falschen Geständnissen. Der „Nummer-1-Coach“ (Einladung) empfiehlt die ethische fragwürdige Methode dagegen explizit auch Führungskräften.
Bärbel Schwertfeger, www.mba-journal.de (Foto: campus Verlag)
Der peinliche Auftritt von Grinsbacke Thiel (er hatte vergessen, den Redebeitrag von Oberförster Oberbürgermeister anzukündigen, das wird ihn wahrscheinlich noch einige Flaschen guten Rotwein kosten) gipfelte darin, dass er bei der Ankündigung von Jack the Nasher erwähnte, dass sie zwischen seinen vielen Titeln vergessen hätten, ein Komma zu setzen, weshalb dann „die einseitige Presse“ (?!) über ihn hergefallen sei aber er würde natürlich souverän darüber stehen und sogar Fehler eingestehen können (grins…).
Der Beitrag von Jack the Nasher war durchaus unterhaltsam für diese frühe Morgenstunde aber inhaltlich auf dem Niveau Grundstudium Psychologie (ich glaube, weiter hat er es ja auch nicht gebracht, oder?). Besonders delikat war seine Behauptung, Richter seien von allen Berufsgruppen am schlechtesten bei der Einschätzung, ob jemand die Wahrheit sage oder lüge und zwar „SCHLECHTER ALS ZUFALL“. Das ist prinzipiell überhaupt nur möglich, wenn jemand bewusst lügt. Ob nun absichtlich oder aus Unwissenheit (vermutlich eher letzteres) hat er damit dem Berufsstand der Richter attestiert, sie würden bei ihren Urteilen gezielt lügen!
Na, wenn das nicht eine Schlagzeile der „einseitigen Presse“ abgibt?
Das war also der kleine Trump, den Konstanz eingeladen hatte. Ist schon bekannt, wann der große Trump nach Konstanz kommt? Dafür hätte die Stadt doch auch noch das nötige Kleingeld.
danke Bernd Hornberg, genau auf den Punkt gebracht. Es ist unerträglich, wofür Geld teilweise ausgegeben wird. Damit meine ich natürlich nicht Spenden für soziale oder kulturelle Projekte, sondern ein Honorar für Herrn Nasher, der bewußt profoziert, doch gleichzeitig damit die Absage an Ethik in der Wirtschaft gesellschaftsfähig macht. Braucht man das wirklich?
Lesen bildet angeblich, zumindest uns Angehörige des intellektuellen Prekariats, die zum Unternehmerfrühstück nebst Vortrag eines bekannten Denkers nicht geladen wurden. Daher hier zum Nachdenken ein Zitat aus Jack Nasher, Deal!, S. 92-93 (Nasher beruft sich dabei auf Milton Friedman):
„Tatsächlich hat das bigotte Gerede über Ethik und soziale Verantwortung von Unternehmen mittlerweile schon unerträgliche Ausmaße angenommen. Im wirtschaftlichen Kontext haben Individuen wie Unternehmen nur eine einzige moralische Pflicht: Profit zu maximieren. Nur so bleiben Arbeitsplätze langfristig erhalten und ein Land besteht im internationalen Wettbewerb. Selbstverständlich müssen Unternehmen dabei die gesetzlichen Rahmenbedingungen einhalten. Manager, die aufgrund eines sozialen Gewissens Geld des Unternehmens verschenken – etwa für soziale Projekte, erfüllen den Tatbestand der Untreue. Ein Unternehmer selbst darf natürlich über sein Eigentum verfügen wie er möchte und eine Großzügigkeit gegenüber der Gemeinschaft ist sehr begrüßenswert, wie auch jeder Manager sein Gehalt gerne spenden darf.“
Das hören unsere Unternehmer natürlich gern, und deshalb hat der Manager des Stadtmarketings auch gut daran getan, Jack Nasher mit öffentlichem Geld nach Konstanz zu holen: Dieses Geld wird wahrlich nicht für ein soziales Projekt hergeschenkt und erfüllt daher auch nicht den Tatbestand der Untreue. Aber Manager Thiel darf natürlich auch weiterhin sein Gehalt ebenso gern spenden wie Herr Nasher sein Honorar.
„Abgehoben“ genügt nicht als Ausdruck…. auf der Rechenau gibt es ein Krankenhaus dafür warum das schwindelseminar nicht gleich dort abhalten? Kurze Abfahrtwege …
Der eigentliche „Skandal“ ist, dass Stadtmarketing überhaupt jemanden einlädt/engagiert, der offensichtlich mehr oder weniger a) ein Schaumschläger ist und b) ethisch abzulehnende Techniken lehrt.
Eigentlich sollte sich diese notwendige Korrektur auch auf Höhe des Honorars auswirken, denn man verpflichtet einen richtigen Professor und bekommt keinen. Eine Habilitation scheint nicht vorzuliegen.
Immerhin ist er damit frei vom Plagiatsverdacht
Um diese falschen Angaben zu erkennen, hätte man gar nichts groß recherchieren müssen – da reicht ein Blick in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Jack_Nasher
Lieber Lutz Rauschnick,
Da danken wir doch herzlich für das nette Lob zu früher Stunde. Wg Thiel/Stadtmarketing: Wir haben ihn aufgefordert, seine irreführenden und teilweise falschen Angaben zur Person Nasher in einer Pressemitteilung noch vor seinem Unternehmerfrühstück zu korrigieren. Schau mer mal, ob bei ihm eine Art Erkenntnis greift. Desweiteren drängen wir immer noch darauf, dass er mitteilt, wie hoch das Honorar für den „Lügenpapst“ tatsächlich ist.
Ach ihr Seemozler – Danke! Viel schöner als mit diesem Text kann ein nebelgrauer Tag gar nicht beginnen.