Stadtmarketing öffnet die Tür zum Glück
Sie wollten schon immer mal wissen, wie Ihr armseliges Leben erfolgreicher verlaufen könnte? Darüber hinaus steht Ihnen der Sinn nach Reichtum und einer weitestgehend gesicherten Existenz? Endlich raus aus dem Hühnerstall der Underdogs und einem edlen Adler gleich unbeschwert über den Wolken schweben? Sollte das der Fall sein, dann melden Sie sich sofort beim Konstanzer Stadtmarketing und nehmen teil beim Unternehmerfrühstück.
Stolz wie Bolle präsentierten sich nach dem 1. Konstanzer Unternehmerfrühstück Oberbürgermeister Uli Burchardt und Stadtmarketing-Chef Eric Thiel. Der „Marketing-Guru“ und „Top-Speaker“ Hermann Scherer habe die rund 300 Besucher mit seinem Vortrag begeistert, weil er in der Lage gewesen sei, „unkonventionelle Problemlösungen“ anzubieten und darüber hinaus seinen ZuhörerInnen unwiderstehlich empfohlen habe, „sich stets selbst aufs Neue zu hinterfragen und sich gerade in guten Zeiten nicht auf bereits erzielten Erfolgen auszuruhen“. Und wo aufgequollene Sprechblasen Konjunktur haben, darf auch Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal nicht fehlen. Die Veranstaltung sei derart gut angekommen, dass man „das Veranstaltungsformat mindestens zwei Mal pro Jahr anbieten“ möchte, erklärten Schaal und Thiel unisono.
Nun ist’s also wieder soweit. Für den 14. April ist das zweite Konstanzer Unternehmerfrühstück ab 7.30 Uhr im Konzil vorgesehen und die Veranstalter sind der festen Überzeugung, erneut einen Publikumserfolg verbuchen zu dürfen. Geladen ist laut Thiels aktueller Pressemitteilung der „Top-Referent“ Jörg Löhr (Foto) mit dem Thema „Motivation und Führung in Zeiten der Veränderung“. Löhr, in früheren Jahren ein bekannter Handballspieler, trägt auf seiner Website ziemlich dick auf und verweist auf seine von wem auch immer verliehenen Auszeichnungen: „Erfolgreicher Fachbuchautor und Coach – Persönlichkeitstrainer Nr. 1 – Einer der best gebuchten Referenten Europas – Top-Berater für Spitzensportler und Firmen“. Für Konstanz, das weiß man mittlerweile, ist nur das Beste gut genug.
Wer Löhrs Seminare für teuer Geld bucht, bekommt unter anderem einen Schnellkurs Richtung Erfolg geboten, der es in sich hat, so Bärbel Schwertfeger, Chefredakteurin von „Wirtschaftspsychologie aktuell“, in einem kritischen Bericht über die Garde der postmodernen Heizdeckenverkäufer zwischen Kiel und Konstanz. Löhrs Versprechen seien „absurd wie eh und je: Geballtes Managementwissen der größten Managementvordenker an nur einem Tag, acht Meter Managementliteratur in weniger als acht Stunden“. Schwertfegers Fazit: „Es gibt eben immer noch genug Menschen, die glauben, eine nette Show ersetze den mühsamen Erwerb von Kompetenzen. Und es gibt immer noch genug Unternehmen, die lieber Geld für eine bunte Motivationsshow ausgeben als für fundierte Weiterbildung“.
Derlei Kritik ficht Eric Thiel nicht an. Auf seemoz-Anfrage teilte er mit, dass sich bereits kurz nach Bekanntwerden von Löhrs Auftritt fünfzig Leute für das Unternehmerfrühstück angemeldet hätten und man wahrscheinlich mit einem vollen Haus rechnen könne. Die Anfrage nach dem Honorar für Löhr dürfe er „gemäß dem Referenten“ aber nicht beantworten. Dazu nur soviel: „Diese Kosten übernehmen voll und ganz unsere Sponsoren“. Als da wären: HypoVereinsbank, Engel & Völkers und Südstern-Bölle. Letzterer, ein Mercedes-Händler aus Singen, bringt für die nach Löhrs Vortrag spontan der Armut Entrückten noch ein besonderes Zuckerl mit. „Erstmals besteht die Möglichkeit, den neuen Mercedes-Benz Citan vor Ort zu testen“. Wer will sich das schon entgehen lassen, wenn ihn spätestens ab 14. April ein Leben in Saus und Braus erwartet?
Für das dritte Unternehmerfrühstück böte sich dann mit Jürgen Höller ein anderer „Top-Speaker“ an, der früher auch schon mit Jörg Löhr kooperierte. Höller galt lange als der bestbezahlte Motivationstrainer Deutschlands und füllte mit bizarren Spektakeln die Hallen. 2003 folgte sein Absturz und der ehemalige Speditionskaufmann wurde wegen Insolvenzverschleppung, Meineid und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt. Höller ist nun wieder unterwegs und versucht, an alte Erfolge anzuknüpfen. Gegen einen gut bezahlten Auftritt in Konstanz hätte er sicher nichts einzuwenden und die Herren Burchardt, Thiel und Schaal kämen ihrem Ziel näher, mit solchen Referenten „neue Ideen und Wissen nach Konstanz“ zu holen. Kritiker dieser gewöhnungsbedürftigen Events aber fragen sich langsam, ob es tatsächlich Aufgabe des Stadtmarketings ist, vagabundierenden Heilsverkündern den Teppich auszurollen.
H. Reile