Stadtplanung geht anders, wenn Bürger sie machen
„Politik, die das Grundsätzliche wagt“ will Hannes Rockenbauch machen. Und diesem, seinem Wahlspruch wurde der 36jährige Rotschopf auch gerecht, als er jetzt in Konstanz über sein Herz-und-Magen-Thema „Stadtentwicklung – wie wollen wir leben?“ diskutierte. Für den Stadtplaner und Stuttgarter Stadtrat ist klar: „Der Markt wird’s nicht richten, also müssen wir Bürger die Stadtentwicklung selber in die Hand nehmen“.
Eine Steilvorlage für Simon Pschorr, den linken Landtagskandidaten im Wahlkreis Konstanz, der Rockenbach eingeladen hatte. Denn mit der Entwicklung des Schwakentenwaldes und der Zukunft des Scala-Kinos passten zwei aktuelle Konstanzer Diskussionen genau in diesen Themenrahmen.
„Natürlich“, so Rockenbauch, der bei den Wahlen im März in Stuttgart ein Direktmandat für die Linke anstrebt (immerhin konnte er bei den letzten OB-Wahlen 10 Prozent der Wählerstimmen erringen), „muss eine sinnvolle Bodenvorratspolitik der Stadtverwaltung kulturelle Räume in der Innenstadt schaffen und auf Dauer vorhalten“. Und Pschorr ergänzte: „Weil wir eine andere Idee von Stadt haben, sollten wir alle politischen und juristischen Mittel nutzen, um das Scala zu retten“. Aus dem Publikum kam dann der Vorschlag, aus dem Scala ein kommunales Kulturzentrum in städtischer Regie zu machen („allemal sinnvoller als auf der anderen Rheinseite“).
„Schwaketenwald – diesen Schatz darf man nicht opfern“
Auch wenn das Regierungspräsidium jüngst den irrwitzigen Plänen von OB und SPD, den Schwaketenwald zur Wohnbebauung abzuholzen, einen Riegel vorgeschoben hat, sprachen beide Referenten „von einem Schatz, den man nicht opfern darf, nur, weil man keine Lust hat, über Alternativen nachzudenken“. Und der Stuttgarter Stadtplaner ergänzte: „Nicht nur politisch, auch rechtlich geht das Gemeinwohl vor – der Gemeinderat muss nur den Mut haben, solche Möglichkeiten zu nutzen. ‚Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen‘ muss man eben auch anwenden“.
… dann kommen die Leute im Auto zurück“
Stadtentwicklung sei, wie auch Wohnraumbeschaffung, ein Menschenrecht, das man nicht dem Markt opfern dürfe, „denn der wird’s nicht richten“. Es sei doch widersinnig, dass überall in Baden-Württemberg die Menschen wegen nicht bezahlbarer Mieten aus den Zentren verdrängt würden, um dann am Wochenende zum Einkauf per Pkw zurückzukehren. „Dieses Verkehrschaos ist hausgemacht“, so Rockenbauch. Er plädierte für eine Stärkung der Kommunen, die dann in Eigenregie sozialen, bezahlbaren Wohnraum schaffen sollten. Denn die vor kurzem eingeführte Mietpreisbremse sei nur eine Mogelpackung.
„Einfamilienhaus ist kein Zukunftsmodell“
Aber wie sollen solche neuen Wohnhäuser aussehen? „Das Einfamilienhaus jedenfalls ist kein Zukunftsmodell“, meinte der gelernte Architekt Rockenbauch. Dennoch wurde in der zweistündigen Diskussion im Astoriasaal heftig darüber gestritten, wie angesichts der Flächennot in Konstanz gebaut werden soll: Hochhäuser mit 20 Stockwerken oder doch nur mit höchstens sechs? Wohneigentum oder Sozialmiete? Private Bauherren oder Bauen in Stadt-Regie? Einig war man sich letztlich, dass durch intelligentes Flächenmanagement vornehmlich im Gewerbegebiet schneller Bauland beschafft werden könne. „Es macht keinen Sinn, Flächen zur Industrieansiedlung vorzuhalten, wenn man weiß, dass solche Industrien zumindest in unseren Breiten ausgedient haben.“ Aber der Mut, Grundsätzliches neu zu denken, gehöre in der Stadtentwicklung schon dazu – vielleicht brauche es in Konstanz etwas mehr davon.
hpk