StadträtInnen wollen Grünfläche „Im Loh“ erhalten
Die Diskussion am gestrigen Abend war hitzig, die Entscheidung dann aber doch eindeutig: Im Technischen und Umweltausschuss (TUA) plädierte eine breite Mehrheit gegen eine Bebauung der Grünfläche am Eingang zu Litzelstetten und stellte sich damit gegen den Ortschaftsrat, der eine „integrative Wohnbebauung“ fordert, aber auch gegen die Eigentümer, die auf der Grünfläche für Geflüchtete eine Anschlussunterbringung errichten wollen. Dieses TUA-Votum aber kann nur eine Empfehlung für den Konstanzer Gemeinderat sein, der am 29 September endgültig entscheiden wird.
Der Konflikt im Konstanzer Vorort schwelt seit Wochen und droht, die Bevölkerung in Litzelstetten zu spalten: Eine riesige Grünfläche am Ortseingang und mit herrlichem Ausblick auf den See und die Mainau soll jetzt doch bebaut werden. Das wünschen sich die Eigentümer, die Gebrüder Nobs, in einer Bauvoranfrage, nachdem §246 Abs. 9 BauGB jüngst bundesweit gelockert wurde, und der Ortschaftsrat von Litzelstetten. Demnach könnten Flächen, auf denen bislang eine Bebauung ausgeschlossen war (und das gilt laut Flächennutzungsplan aus dem Jahr 2010 für das Gelände „Im Loh“) ausschließlich zur Anschlussunterbringung von Geflüchteten doch bebaut werden.
Freier Blick auf die Mainau
Dagegen wehrt sich nicht nur der Betreiber eines Restaurationsbetriebs, der seinen Gästen den freien Seeblick auf die Mainau erhalten will, sondern mit ihm auch etliche Litzelstetter. In diesen Streit mischte sich in der letzten Woche auch der Ortschaftsrat ein, der bei nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung einen neuen Bebauungsplan für „Im Loh“ fordert, der „integratives Wohnen“ garantiert und überdies „qualitativ hochwertig und sozialverträglich“ sein soll. Außerdem, so die lokalen Volksvertreter, soll schnellstens eine Infoveranstaltung für die BürgerInnen von Litzelstetten organisiert werden.
Da widerspricht das Konstanzer Bauamt: Zwar sei das Bauvorhaben gemäß §246 Abs. 9 BauGB genehmigungsfähig, aber eben nicht für „integratives Wohnen“, sondern ausschließlich zur Unterbringung von Geflüchteten. Zudem gebe es drei alternative Standorte im Teilort – Marienweg, Kornblumenweg und Konstanzer Weg (s. Foto) -, die sich besser zur Anschlussunterbringung eigneten. Schon deshalb sei eine Anwendung des §246 in diesem Fall nicht möglich.
Verquere Diskussion
Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine verquere Diskussion, die vor allem von Irene Mohn, der kommissarischen Ortschaftsrats-Vorsitzenden, befeuert wurde, die „sich und den Litzelstetter Ortschaftsrat nicht ernst genommen und übergangen“ fühlte. Dem stimmte allein Johann Hartwich (FDP) zu, der für das „freie Recht des Bauherrn“ eintrat und den Gesetzgeber scholt, der „mit der Änderung des §246 ein Spannungsfeld“ geschaffen habe, er wolle „Rechtssicherheit“. Die gebe es längst, widersprach Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn, denn die Gesetzesänderung gelte nur, wenn keine baulichen Alternativen ausgewiesen werden könnten – die aber gebe es mit den Alternativen Marienweg, Kornblumenweg und Konstanzer Weg.
Heinrich Fuchs (CDU) sah zwar „Webfehler“ bei der Gesetzesänderung, „weil die Gemeinde in die Entscheidungsfindung nicht einbezogen wird“, signalisierte aber die Zustimmung seiner Partei für den Standpunkt der Stadtverwaltung. Zahide Sarikas (SPD) bereicherte die Diskussion mit dem Hinweis, sie verwahre sich dagegen, „dass Flüchtlinge für die Interessen von Bauherren instrumentalisiert“ würden. Und die FGL, deren Antrag die TUA-Debatte erst ermöglichte, war sowieso für eine Erhaltung der Grünfläche – ihre Vertreter Gisela Kusche, Peter Müller-Neff und Stephan Kühnle (er formulierte den letztlich zur Abstimmung kommenden Antrag) warben intensiv für einen Bau der Anschlussunterbringung an den alternativen Standorten in Litzelstetten. Holger Reile brachte die Position der LLK kurz und knackig auf den Punkt: „Im Loh ist keine Anschlussunterbringung denkbar. Wir plädieren für integratives Wohnen an einem der alternativen Standorte“.
Dem Antrag, die Stadtverwaltung zu beauftragen, bis zur nächsten Sitzung des Gemeinderates am 29. September eine Vorlage zu erarbeiten, wonach ein neuer Bebauungsplan die Bebauung des Geländes „Im Loh“ ausschließt und alternative Standorte benennt, stimmten letztlich zehn Ausschussmitglieder zu, es gab eine Gegenstimme (FDP) und zwei Enthaltungen (Freie Wähler). Von einer gleichlautenden Beschlussfassung des Gemeinderates darf wohl ausgegangen werden.
hpk
Die Litzelstetter Landschaft zum See hin ist, soweit sie noch existiert, offen zu halten, sowohl beim Waldfriedhof, wie besonders auch am Ortsausgang nach Dingelsdorf, einfach überall da, wo noch „See- und Landschaftsblick“ besteht. Das ist zwar keine frohe Botschaft für Bauwillige, aber eine im Bewusstsein, dass eine Ortschaft am Bodensee sich auch durch die entsprechende Landschaft identifizieren sollte, zumal da, wo man mit dem Begriff „Erholungsort“ umgeht.
Die Diskussion ist tatsächlich irritierend, denn immerhin hatte der Ortschaftsrat nicht auf Grundlage von § 246 Baugesetzbuch argumentiert, sondern diesen allein als Öffnung für die jetzige Debatte betrachtet. Gedacht war eine Umwidmung nach §§ 34f. Baugesetzbuch, eine neue Grenzziehung, die tatsächlich auch schon früher möglich gewesen sein dürfte, politisch aber wohl nicht gewollt war. Damit hätte ein Bebauungsplan für eine gemischte Wohnbebauung auch schon im letzten Jahr, bei der ersten Bauvoranfrage, mehr Fortschritt erzielen können, wäre das Anliegen nicht aus Einzelinteressen durch die Stadtverwaltung abgewürgt worden. Bezeichnend also, dass der TUA nicht über die Gesamtheit der Beschlüsse des Ortschaftsrates abstimmte, sondern sich diejenigen Punkte herauspickte, gegen die er argumentativ anzugehen vermochte.
Ich finde übrigens in § 246 Baugesetzbuch und den juristischen Interpretationen keine Aussage darüber, dass auch private Bauherren auf alternative Standorte blicken müssen. Argumentiert man mit dem beliebten Thema des „Seeblicks“, dann wäre auch derselbige am Marienweg schützenswert – und auch dort dürfte dann nicht das von Baubürgermeister Langensteiner-Schönborn so gern als Vorzeigebeispiel beschriebene Vorhaben im Rahmen des „Handlungsprogramms Wohnen“ umgesetzt werden.
Warum sich „Im Loh“ darüber hinaus generell nicht zur Flüchtlingsunterbringung eignen sollte, konnte ebenso nicht abschließend geklärt werden. Dass gegen den Standort Bedenken bestehen, keine Frage. Die sind gleichsam bei anderen aber auch vorhanden. Konstanzer Weg, Marienweg und Kornblumenweg in allen Ehren – dort existieren mindestens gleichsam viele Vor- wie Nachteile. Nicht umsonst forderte der Ortschaftsrat auch eine Informationsveranstaltung zur breiten Debatte, denn ein Gesamtkonzept sollte zunächst offen betrachtet werden, eine Ausschlusseritis hilft nichts.
Im Übrigen ist es für die Kommunalpolitik tatsächlich ein Armutszeugnis, wenn sich ein Gremium wie der TUA derart erhaben über die Position derjenigen Bürgervertreter hinwegsetzt, die die tatsächliche Situation vor Ort am besten kennen, die Ortschaftsräte. Denn im Vorfeld wurde keinerlei Dialog gesucht – und die Meinungen mancher Stadträte sprechen jetzt durchaus dafür, dass es ihnen an Gespür für die spezielle Konstellation in Litzelstetten fehlt. Ein Problem, das seit langem herrscht: das Gefühl von „die da drinnen in der Stadt bestimmen über die da draußen auf dem Land“. Hier wären Überlegungen sinnvoll, wie man diesen Graben endlich überwinden kann.
Doch zunächst dürfte unter der jetzigen Entwicklung ein juristisches Nachspiel wahrscheinlicher werden. Schade, das wäre vermeidbar gewesen, hätte man von Beginn an mit mehr Ehrlichkeit agiert…