Stadtseniorenrat: Eine Wahl als Farce

Am 22. April ist Wahltag: Stichtag für die Neuwahl des Stadtseniorenrates Konstanz, die ausschließlich als Briefwahl unter allen über 60 jährigen KonstanzerInnen durchgeführt wird. Doch das Ganze ist eine Farce, wie sich bei näherem Hinsehen zeigt.

Es gibt in dieser Republik zahlreiche aktive Stadtseniorenräte, es gibt den Kreisseniorenrat, den Landesseniorenrat. Und es gibt sogar einen Stadtseniorenrat Konstanz. Doch von diesem Gremium hört und sieht man – fast – nichts. Vor ziemlich genau 30 Jahren von der damaligen FWG-Stadträtin Hermine Preisendanz als Interessenvertretung der älteren Bürger ins Leben gerufen, konnte diese Initiative in Konstanz bisher nie richtig Fuß fassen. Es fehlte und fehlt die konkrete und substantielle Unterstützung von Stadt und Gemeinderat, vor allem aber fehlt das Wichtigste: engagierte und einsatzbereite Frauen und Männer, die nicht nach einem Pöstchen schielen, sondern Konzepte zur Verbesserung der Situation der Älteren und Alten in dieser Stadt entwickeln und auch gegen Widerstände durchsetzen wollen. Und das ehrenamtlich.

Eine sehr magere Bilanz

Lange hat dieser Stadtseniorenrat irgendwie vor sich hingewerkelt. Als sich diese Gruppe nach und nach immer mehr im Pöstchengerangel und Kumpaneigeklüngel verirrte, griff vor einigen Jahren schließlich die Stadt ein, um mit einer Wahlordnung und einer neuen Satzung wenigstens für einen einigermaßen sauberen Ablauf der zunächst alle vier, jetzt alle fünf Jahre anstehenden Wahl der Mitglieder zu sorgen. Doch sehr viel besser ist das Ganze nicht geworden. Auch in den vergangenen fünf Jahren hat man von diesem Stadtseniorenrat so gut wie nichts gehört. Und wenn doch, dann von Prof. Klaus Oettinger, seit 2001 und gern auch in Zukunft Vorsitzender dieses Gremiums. Der emeritierte Literaturwissenschaftler formuliert zwar bevorzugt öffentlich mit professoraler Attitude wohlklingende Sätze, hat aber ansonsten als Bilanz der vergangenen neun Jahre so gut wie nichts vorzuweisen, außer etwa den „Freitagserzählern“, einer netten Nachmittagsunterhaltung,  oder dem Zählen von Pflegebetten. Man werde man ja von der Stadt zu Seniorenthemen nicht gehört, so seine Klage. Womit er allerdings zumindest teilweise recht zu haben scheint. Nimmt man allein die Tatsache, dass die Stadt zwar für die Wahl des Stadtseniorenrates € 10 000.- bereit stellt, dem Gremium für seine laufende Arbeit jedoch nur € 300.- pro Jahr zubilligt. Aber dagegen hätte man sich ja wehren können.

Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Jetzt ist also wieder eine Amtsperiode des so sehr im verborgenen wirkenden Gremiums zu Ende, es ist wieder Wahl. Gewählt werden in dieses „unabhängige, parteipolitisch und konfessionell neutrale“ Gremium zehn sog. „Aktivmitglieder“, die dann noch weitere sieben Mitglieder berufen können. Außerdem gehört dem Stadtseniorenrat noch ein Vertreter der Alten- und Pflegeheime an. Die Kandidaten kommen von irgendwo her, werden unter anderem per Aufruf in der Lokalzeitung gesucht – mehrmals – denn man braucht viele neue Kandidaten, weil viele bisherige nicht mehr wollen, andere sich schon nach kurzer Zeit frustriert abwenden  Kein Wunder, betrachtet man nur den geballten Dilettantismus rund um das Wahlprozedere. Da gibt es einen sog. „Wahlvorstand“ – vier Leute, vier Pöstchen – und da gibt es die Geschäftsstelle dieses Wahlvorstandes, angesiedelt beim städtischen Hauptamt, die für den ordnungsgemäßen Ablauf dieser Wahl sorgen soll. Doch wer tatsächlich wofür zuständig ist, wissen selbst die Beteiligten nicht so genau. Kompetenzgerangel ist die Folge. Und hat ein Kandidat noch Fragen, Wünsche, Anregungen, so bekommt er entweder gar keine Antwort oder Ausweichendes nach dem Motto „das haben wir so beschlossen“ oder „da sind wir nicht zuständig“.

Offene Türen für Wahlmanipulation

Rund 18 300 Konstanzer ab 60 sind am 22. April wahlberechtigt. Etwa vier Wochen vor der Wahl gehen die Briefwahlunterlagen raus. Und die machen stutzig, denn es fehlt der bei Briefwahlen übliche und wichtige amtliche Wahlschein, der nicht zuletzt zur Kontrolle im Wählerverzeichnis darüber dient, wer abgestimmt hat und wer nicht. Doch in diesem Fall gibt es weder Wahlschein noch Wählerverzeichnis. Auch Versand und Rücklauf der Unterlagen werden nicht registriert. Der Stimmzettel wird einfach – von wem auch immer – in einen Briefumschlag gesteckt und per Post an das Wahlamt geschickt oder in eine der zahlreich aufgestellten Urnen unkontrolliert eingeworfen. Weit offene Türen also für jede Art von Manipulation. Für dieses Verfahren habe sich der Stadtseniorenrat entschieden, es handele sich schließlich um keine wichtige, keine politische Wahl. Und wer sollte da schon manipulieren wollen, heißt es dazu bei der Projektgruppe Wahlen der Stadt.

Wenn Herr Professor schwadroniert

Dilettantismus pur auch bei der offiziellen Kandidatenvorstellung, der einzigen Gelegenheit für die Wahlberechtigten, die künftigen Stadtseniorenräte kennen zu lernen. Bei den Wahlunterlagen kein Hinweis auf diesen Termin. Lediglich eine Anzeige in der Lokalzeitung (die bekanntlich längst nicht mehr in jedem Konstanzer Briefkasten steckt). Die Veranstaltung selbst ist auf einen Dienstag-Nachmittag um 15 Uhr im Seniorenzentrum angesetzt, zu einer Zeit also, wenn viele arbeiten. Alles in allem sind etwa 50 Leute da, rund 0,3 Prozent der Wahlberechtigten. Innerhalb einer knappen Stunde erfährt man unter anderem,  wer von den Kandidaten wie lange verheiratet ist, wer wie viele Kinder, wie viele Enkel hat, wer ein „Konstanzer Frichtle“ ist und, ach ja, dass man „die Kommunikation zwischen alt und jung“ verbessern müsse. Nicht zu vergessen natürlich den Vorsitzenden Prof. Klaus Oettinger, der am Anfang, am Schluss und bei jeder weiteren Gelegenheit den Anwesenden lautstark und mit großer Geste die Welt erklärt sowie die „schwierige gesellschaftliche Situation“ im allgemeinen und im besonderen, aber auch, dass er durch diese Arbeit viel gelernt habe, z.B. dass Bordsteine ein Problem für Rollstuhlfahrer darstellen können. Gut, dass man das endlich auch erfährt. Über den Stadtseniorenrat, was er bewirkt hat, was er vorhat kein Wort. Dann schnell noch aufstellen zum Foto für die Lokalzeitung, das war`s.

Vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung bei 35 Prozent. Viel mehr wird es diesmal vermutlich auch nicht werden. Doch was soll´s. Die Situation der Älteren in dieser Stadt hat sich durch dieses Gremium bisher nicht verändert. Und so wie es aussieht, ist das auch künftig  nicht zu erwarten. Man könnte sich also das alles sparen. Das Geld, diese Farce überhaupt, ehe diese Wahl doch noch wegen ihrer Mängel angefochten wird.

Foto: © Paul Marx / PIXELIO
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AutorIn: Redaktion