Behördliche Abzocke oder politische Gängelung?

seemoz-TTIP-StandSind Infostände in der Konstanzer Innenstadt neuerdings unerwünscht? Die zunehmend restriktive Praxis der Konstanzer Stadt­verwaltung bei der Genehmigung von Informationsständen im öffentlichen Raum lässt das vermuten. Dagegen wehren sich verschiedene Initiativen in Konstanz, dagegen protestieren auch die LLK-StadträtInnen Anke Schwede und Holger Reile. Und dann wurde noch eine Diskussion zu dem Thema auf der morgigen Gemeinde­rats­sitzung abgesagt.

Will die Verwaltungsspitze keine politischen Debatten auf den Straßen und Plätzen? Stört solche Informationstätigkeit das Shoppen? Passen die Inhalte der Flyer dem OB nicht? Das sind (noch) nur Vermutungen – sicher ist hingegen, dass die Stadtverwaltung bei der Vergabe solcher Genehmigungen für Informationsstände immer mehr Schwierigkeiten macht. Die aktuellen Veränderungen im Detail:

1. Keine freie Ortswahl. Bis Frühjahr 2016 war es problemlos möglich, Informationsstände in der Konstanzer Innenstadt zu beantragen: Auf dem Obermarkt, der Marktstätte, dem Augustinerplatz, bei der Stefanskirche. Ab März 2016 hingegen gab es zunehmend Schwierigkeiten, einen Stand auf dem Obermarkt genehmigt zu bekommen. Zuerst war von Bauarbeiten die Rede, dann von Einwänden der Feuerwehr – beides nachweislich falsche Begründungen. Und warum versperren seit kurzem Schilder und Müllschächte den Platz auf dem Obermarkt, auf dem sonst Infostände platziert wurden?

2. Nur noch ein Stand im Monat. Bis Anfang Juni wurden bis zu sechs Stände auf einmal bewilligt. Dann hieß es plötzlich, dass nur noch ein Stand pro Initiative und Monat erlaubt sei.

3. Einschränkung bei der Themenwahl. Bis Mai 2016 kostete die Genehmigung für bis zu sechs Infoständen 25 Euro. Eine Reihe von Organisationen (Greenpeace, BUND, Weltladen, etc.) zahlten nichts. Seit neuestem wird aber beispielsweise Greenpeace mitgeteilt, zu welchen Themen ein Infostand kostenfrei ist und zu welchen nicht.

4. Preissteigerung um 1200 Prozent. Die Genehmigungen für die Stände auf dem Konstanzer Wochenmarkt kosteten im Juni und Anfang Juli 25 Euro pro Stand. Das entspricht einer Anhebung der Gebühren um 600 Prozent (bisher kosteten sechs Stände 25 Euro). Ab Mitte Juli erhöht sich die Standgebühr um weitere 100 Prozent auf 50 Euro/Stand. In Radolfzell, Allensbach und Stockach werden die Standgenehmigungen völlig problemlos und kostenfrei erteilt. In Konstanz hingegen betreibt die Verwaltung behördliche Abzockerei.

Die LLK-Stadträtin Anke Schwede hatte auf der April-Gemeinderatssitzung zu diesen Einschränkungen eine Anfrage gestellt und Kritik daran geübt. Um das Thema grundlegend erörtern und einen Beschluss fassen zu können, wurde von der Stadtverwaltung zugesichert, bis vor der Sommerpause eine Vorlage für den Gemeinderat zu erstellen – diese Zusage hat man jetzt kurzfristig wieder zurückgezogen, der Punkt fehlt auf der Tagesordnung der morgigen Ratssitzung.

LLK-Protest

Von „behördlicher Abzockerei“ sprechen dann auch die beiden LLK-VertreterInnen im Stadtrat in einer aktuellen Erklärung und warnen davor, „diese eigentlich selbstverständliche Möglichkeit der öffentlichen Meinungsäußerung empfindlich einzuschränken.“

Wörtlich heißt es weiter in der LLK-Erklärung: „Für ehrenamtlich tätige Initiativen und Organisationen bedeutet die verschärfte Gangart … eine empfindliche Behinderung ihrer Aktivitäten. Informationsstände sind ein wichtiges Instrument für Bürgerinnen und Bürger, öffentlich für ihre Ziele zu werben oder Kritik zum Ausdruck zu bringen. Das zu beobachtende restriktive Vorgehen bei der Genehmigung und die drastischen Gebührenerhöhungen sind deshalb eine nicht hinzunehmende Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung.

Die LLK fordert den Oberbürgermeister auf, für ein Ende dieser Praktiken zu sorgen und wieder zur alten Verfahrensweise zurückzukehren. Wir werden uns darüber hinaus auch dafür einsetzen, dass Informationsstände künftig generell kostenfrei bleiben.“

pw/jür/hpk